Tobias Moretti im Interview

Ob als schizophrener Vater in „Hirngespinster“, als Ex-Gestapomann im TV-Film „Das Zeugenhaus“ oder demnächst als „Der Vampir auf der Couch“: An Tobias Moretti kommt man nicht vorbei.

In David Ruehms Komödie „Der Vampir auf der Couch“ gibt der Tiroler nun einen Vampir, der seiner Frau und seines Lebens nach 400 Ehejahren überdrüssig ist und bei Sigmund Freud auf der Couch landet.

APA: Ihre Figur, der Graf, findet sich in einer ungewöhnlichen Situation: Er ist des Lebens überdrüssig, aber unsterblich. Eigentlich eine Katastrophe!

Tobias Moretti: Das ist eine Katastrophe, aber auch, über 400 Jahre verheiratet zu sein mit jemandem, den man eigentlich schon länger loswerden möchte. Dadurch ergibt sich hier eine sehr rasante Fahrt, eine satirische Tour de Force. Der Vampir ist ja in einer Situation, von der der Bürger nur träumen kann. Es ist eine bürgerliche Utopie, nie zu sterben und als Untoter ewig im Überfluss zu leben. Diesem Vampir geht es umgekehrt: Er leidet an Lebensüberdruss, kann aber nicht sterben. Das ist diese herrliche Diskrepanz, – ein Untoter mit Todestrieb. Der Vampirfilm ist daher auch so alt wie der Film selbst.

Ist es für Sie reizvoll, ewig zu leben?

Ganz im Gegenteil. Ich finde die Vergänglichkeit das Interessanteste an uns bzw. auch an unserer Arbeit, an der Gesellschaft; sie ist der Motor von allem, sie hält uns in Atem. Der Mensch in seiner heutigen Blödheit, in seiner unreflektierten, schafft sich durch die Möglichkeiten des materiellen Ichs ewige Scheinwelten, ohne zu merken, dass er sich schon verloren hat in seiner eigenen Realität. Der Film geht mit diesen Thema sarkastisch, satirisch und leicht um und zitiert die Klischees des Horror- und Mystery-Genres. Das macht die Geschichte so eigen, humorvoll und besonders.

Sie haben sich mit charakteristischen Eckzähnen auch äußerlich für die Rolle verändert, wie fühlt man sich als Vampir?

Sehr gut, ganz wunderbar. Ich habe irgendwie zu mir selbst gefunden, weil ich durch das Leben als Vampir meine Flugangst überwunden habe und daher, ohne Selbstreflexion und ohne Freud, quer herumfliegen kann und das mittlerweile sogar genieße.

Laut David Ruehm haben Sie sich gemeinsam „millimetergenau“ auf den Film vorbereitet. Wie kann man sich das vorstellen?

Vorbereiten kann man sich nur bis zu einem bestimmten Punkt. Letztendlich ist die Interaktion, also das Miteinander, viel wichtiger: Wenn man merkt, dort- oder dahin geht die Fahrt. Zum Beispiel mit meiner Vampir-Frau Jeanette Hain hatte ich sofort eine Betriebstemperatur, mit der man Ping-Pong spielen kann, eine vampirale Höhe, die sofort in der Abstraktion beginnt. Wenn man auf so jemanden trifft, ergeben sich zugleich neue Situationen. Da kann man schnell variieren, Sturzflugattacken reiten und was anbieten. Obwohl Bilder und Situationen in so einem digitalen Umfeld minutiös vorbereitet werden, war es trotzdem für Martin Gschlacht möglich und eine Hetz, das ebenso schnell zu kontern und was Neues zu erfinden. Er ist halt ein Poet.

Der Film strotzt nur so vor Andeutungen. Wie gut passen das Genre und die Psychoanalyse zusammen?

Das ganze Genre hat mit „Psychen“, Seelenwanderungen, Charakteren, Abgründen, Fantasien, Träumen, Ängsten zu tun. Und natürlich auch mit der Analyse der ganzen G’schicht. Und hier im Film ist das ebenso, damit wird jongliert, gespielt und überzeichnet. Das Grundproblem ist ja schon eine sarkastische Metapher – die Unmöglichkeit der Selbstbespiegelung. Bei einem Vampir ist das konkret, der sieht sich einfach nicht – der Mensch hingegen in seiner profanen Intention will immer etwas anderes sehen, als ihm entgegenschaut. Das sind herrliche Vorlagen, da fährt die Fantasie Schlitten und letztlich ist der Spiegel der Fundus der Psychoanalyse.

Die Figuren in „Der Vampir auf der Couch“ bewegen sich im Wien der 1930er Jahre. Übt die Vergangenheit für Sie einen Reiz aus?

Ich träume mich öfter in eine andere Zeit – die 20er und 30er Jahre waren sicher aufwühlend und spannend -, aber auch irgendwie furchtbar, vor allem die späten 30er Jahre, aus naheliegenden Gründen.

Gedreht wurde hauptsächlich in den Rosenhügelstudios, die mittlerweile aufgelassen wurden…

Die Rosenhügelstudios sind eine einzige Wehmut für mich. Das ist nicht nur ein wunderbarer Ort der Vergangenheit, sondern auch im Hier und Jetzt hätte man viel machen können. Dass eine Kulturstadt wie Wien so was vergeigt, ist eigentlich eine Katastrophe. All die Intentionen, also etwas zu lukrieren, soziales Ansinnen und die eigentliche Bestimmung der Studios, das hätte man locker mit diesem Areal unter ein Dach bringen können. Und so heißt es einfach, das ist zu kompliziert, die Administration ist zu schwerfällig, dann folgt die Entscheidung, einer sagt: Opfern wir das, und der politische Alltag geht weiter.

Verunmöglicht das nun bestimmte Drehs in Wien?

Jetzt haben wir kein Studio mehr. Es ist zu kurz gedacht gewesen. Die Amerikaner haben sich mittlerweile aus Kostengründen von Prag wieder verabschiedet, weil die Tschechen übertrieben haben. Und da wäre Wien eine Option gewesen, wenigstens teilweise. Sei es wie es sei, es ist traurig, und man muss es so akzeptieren. Ich bin stolz darauf, dass wir die Letzten waren, die dort einen Film gemacht haben. Und es passte auch zum Sujet und zu der Art, wie der Film gemacht wurde. Der Film arbeitet viel mit den traditionellen Tricks der 30er, 40er Jahre: Man baut ein Gerüst auf und springt aus dem Fenster, unten ist etwas aufdrapiert. Das würde man heute gar nicht mehr machen.

Sie sind derzeit auch mit einem weiteren Film im Kino präsent. Wie war es, sich für „Hirngespinster“ in die Rolle des schizophrenen Vaters Hans hineinzudenken?

Beim Schizophrenen gibt es ja das Problem, dass er sich selbst gar nicht als krank sieht, sondern er ist der Normale, und die Umwelt, das Gegenüber, selbst die Familie, erst recht die anderen sind die Ver- oder Entrückten. Dann diese Wiedererkennungsdramatik des Sohnes, der sich im Vater wiederfindet. Eine innere Welt, die sich verspreizt gegen den normierten Alltag unserer Zeit. Das war ein sehr wichtiger Film für mich und eine Arbeit, die ich als besonderen Segen empfand. Es war auch eine wirklich große Herausforderung, so eine Figur zu zeichnen, zu spielen, aber vor allem in sich hinein zu lassen – das hat mir im Nachhinein unglaubliche Freude gemacht, während des Drehs war es aber auch gespenstisch. Ich freu mich, dass der Film jetzt bei uns auch läuft.