AKUT
Es lebe der Randsport
Der Mensch, so heißt es, ist ein Homo ludens, ein verspielter Depp, von Kindesbeinen an. Tatsächlich ist ihm keine Idee zu blöd, wenn es darum geht, sich neue Formen von Spiel und Spaß auszudenken und in die Welt zu setzen. Hauptsache, man kann sich dabei messen. Eine Rundumschau.
TEXT: GÜNTHER KRALICEK
Elefantenpolo
Erlesene Elefantenrunde
Polo ist eine Sportart mit jahrhundertealter Tradition. Die noblen Wettkämpfe nden auf den Rücken schnellkräftiger Zuchtpferde statt und dienen der feinen Gesellschaft zur Zerstreuung. Elefantenpolo ist im Vergleich dazu ein junger, eher schwerfälliger Spaß. Im Jahr 1981 kamen zwei Briten in einer Bar in St. Moritz auf die elefantöse Idee, zwei Herden gegeneinander antreten zu lassen. Kurz darauf wurde die „World Elephant Polo Association“ (WEPA) in Nepal gegründet. Die Regeln sind ähnlich wie beim Polo hoch zu Ross. Lediglich ein paar Adaptierungen waren nötig, um den körperlichen Voraussetzungen der grauen Riesen gerecht zu werden. So ist die Spielzeit kürzer und das Spielfeld etwas kleiner bemessen (120 x 70 Meter). Der Sport ist insbesondere für die Elefanten sehr anstrengend, weshalb Tierschützer seit Jahren gegen den dekadenten Spaß Sturm laufen. Gespielt wurde ursprünglich mit Fußbällen; die aber platzten im Getümmel wie die Seifenblasen, weshalb man dazu überging, herkömmliche Polobälle zu verwenden. Auf jedem der vier (asiatischen) Elefanten eines Teams hocken zwei Menschen. Einer, der lenkt, und ein anderer, der versucht, den Ball mithilfe des zweieinhalb Meter langen Schlägers ins gegnerische Tor zu befördern. Wenn sich ein Elefant im Torraum hinlegt oder den Ball mit dem Rüssel aufnimmt, gilt das als Regelverstoß. Auch dürfen sich niemals mehr als drei Tiere eines Teams in einer Spielhälfte aufhalten – eine Schutzmaßnahme, um dem angeborenen, nicht ganz ungefährlichen Herdentrieb der Elefanten entgegenzuwirken. Ein Wort zur Taktik: Im Angriff werden häu g kleine, wendige Tiere eingesetzt. In der Verteidigung kommen indes eher ältere Elefantenkühe zum Zug. Eine „Grande Dame“ im Abwehrzentrum vermag jungen männlichen Stürmern schon einmal die Schneid abzukaufen. Hauptaufgabe der Ballbuben am Spielfeldrand ist es, die Unmengen an dampfendem Elefantenkot aus dem Weg zu räumen.
Schachboxen
Rechter Haken auf f3
Die Geschichte des Schachboxens liest sich wie der Stoff, aus dem Hollywoodfilme gemacht sind. „Rocky Kasparow“ oder so ähnlich.
Kurz nach der Jahrtausendwende muss ein junger niederländischer Künstler nach einer öffentlichen Aktion in Tokio zehn Tage lang in U-Haft. Zurück in seiner künstlerischen Heimat Berlin boxt er sich am Sandsack den Frust von der Seele und erinnert sich an einen französischen Comic, in dem er Jahre zuvor einen (frei erfundenen) Schachboxkampf gesehen hat. Er beschließt, einen Schaukampf in dieser bemerkenswerten Doppeldisziplin zu veranstalten. Das Ganze ist als Kunstperformance gedacht und geht im Jahr 2003 tatsächlich über die Bühne. Das Publikum ist begeistert. Die Kombination aus Schach und Boxen kommt gut an – und ist nur auf den ersten Blick absurd, bringt sie doch zwei extreme Pole des menschlichen Existenzkampfes kongenial auf den Punkt: erst nachdenken, dann in die Gosch’n hauen. Ein Kampf geht über elf Runden. Abwechselnd wird im Ring drei Minuten lang Blitzschach gespielt, dann wieder drei Minuten lang geboxt. So lange, bis einer der Kontrahenten schachmatt gibt oder k.o. geht. Unentschieden ist nicht vorgesehen. In den kurzen Pausen dazwischen werden die Boxhandschuhe gegen schalldichte Kop örer getauscht. Die ausgelaugten Meister sollen nicht mitbekommen, was der Saalsprecher, der die Partie live kommentiert, über ihre Spielzüge zu sagen hat. Ein lobendes Wort hier, ein vernichtendes Urteil da. So können auch Zuseher, die keine Ahnung vom Schach haben, dem Geschehen gut folgen. Schachboxen hat in den letzten Jahren rasante Verbreitung und relativ hohe Professionalisierung erfahren. Es gibt Vereine in Berlin, London, Paris oder Sibirien. Auch in den USA und in Asien wird schachgeboxt, regelmäßig finden Weltmeisterschaftskämpfe statt. Der ständige Wechsel zwischen körperlicher Anstrengung im Ring und Konzentration am Brett – bei stark erhöhter Pulsfrequenz – ist eine Herausforderung für ganze Männer. Ein guter Schachboxer muss in beiden Disziplinen erhebliches Niveau erreichen. Voraussetzung für die Teilnahme an einem Profikampf ist ein Elo-Rating von 1600 beim Schach (starker Freizeitspieler) sowie eine Bilanz von mindestens 50 Amateurkämpfen im Boxen oder einer verwandten Kampfsportart.
Bubble Football
Übergewicht im Mittelfeld
Neulich auf dem Fußballplatz meines Vertrauens (und Wirtshauses): Eine Handvoll riesiger Kugeln macht Jagd auf einen Ball. Keine geheime Trainingseinheit der Galaktischen, sondern Bubble Football, auch Zorball genannt. Zwei Teams zu vier, fünf oder sechs Spielern in aufblasbaren Kugeltrikots, die für viel Knautschzone sorgen. Nur die Beine schauen raus. Die Bubbles selbst sind transparent, alle sollen schließlich den Überblick bewahren. Gespielt wird über das halbe Feld. Körperkontakt ist ausdrücklich erlaubt, ansonsten gelten im Wesentlichen die Fußballregeln. Das schweißtreibende Freizeitvergnügen kommt aus Skandinavien und erfreut sich bei uns immer größerer Beliebtheit. Zahlreiche Anbieter vermieten die überdimensionalen „Seifenblasen“ und veranstalten Spiele für sportbegeisterte Gruppen. Der Spaß ist allerdings nicht ganz billig, ein Match kommt auf knapp 300 Euro. Müssen halt alle zusammenlegen.
Headis
Kopfball, ungeheuer
Dass Headis zehn Jahre nach seiner Erfindung heute von tausenden begeisterten Kopfakrobaten an vielen Ecken und Enden dieser Erde gespielt wird, hat nicht zuletzt mit dem Marketingtalent des Entdeckers, eines Sportstudenten aus Deutschland, zu tun. Und mit zwei Sondersendungen im Rahmen von „TVtotal“, als Stefan Raab noch auf dem Schirm war. Beim Headis wird eine spezielle Wuchtel wie beim Kopfballspiel über eine Tischtennisplatte hin- und hergeköpfelt, mit teils spektakulären Ballwechseln. Gezählt wird wie beim Tischtennis nach Sätzen mit bis zu 11 Punkten. Volleyabnahmen per Kopf sind erlaubt, alle anderen Körperteile tabu. Es gibt eine eigene Weltrangliste und der internationale Turnierplan liest sich erstaunlich dicht. Angeblich schwört auch so mancher Verein aus der deutschen Bundesliga beim Kopfballtraining auf Headis.
Quidditch
Bezaubernde Idioten
Quidditch ist jene Sportart, bei der Harry Potter fürs Team Gryffindor auf einem Besen reitend hoch über den Wolken versucht, Bälle in irgendwelchen Ringen zu versenken. So weit, so fiktiv. Jetzt aber im Ernst: Quidditch wird auch unter Normalsterblichen gespielt, die über keinerlei magische Kräfte verfügen – und natürlich auch nicht fliegen können. Menschen wie du und ich („Muggels“) klemmen sich also handelsübliche Besen zwischen die Schenkel, laufen in der Gegend herum und holen das actiongeladene Kräftemessen der Zauberer auf den Boden der Realität. Quidditch ist schon im Original eine hochkomplexe Angelegenheit, die Spielart aus dem realen Leben will dem um nichts nachstehen. Das internationale Regelbuch hat 170 Seiten, verfasst von einer Horde freakiger US-Collegestudenten. Da gibt es verschiedene Arten von Bällen, diverse Aufgabenverteilungen für die Spielerinnen und Spieler eines Teams sowie je einen „Schnatz“, verkörpert durch einen Wicht im goldenen Trikot. Das Ganze ist eine Mischung aus Fangenspielen, Rugby und Völkerball – und für jemanden, der nicht alle Harry-Potter-Bände gelesen hat, nur schwer nachvollziehbar. Die „International Quidditch Association“ (IQA) listet mehr als 300 Teams von allen Kontinenten. Österreich hext mit, zählt aber nicht zu den Topnationen.
Frauentragen
Klare Rollenverteilung
Frauen auf Händen zu tragen ist ein wenig aus der Mode gekommen. Vielleicht sollte man die Sache sportlich sehen, so wie die Finnen das tun? Die sind beim Aushecken depperter Sportarten bekanntermaßen Weltmeister. Die Disziplin Frauentragen ist diesbezüglich ein Klassiker: ein Paarlauf, bei dem der Mann fast die ganze Arbeit erledigen muss. Er soll sie durch einen 253,5 Meter langen Parcours, nun ja, tragen. Mit speziellen Kniffen und Griffen, die sich im Lauf der Geschichte dieses seltsamen Sports besonders bewährt haben. Die exakt genormte Wettlaufstrecke besteht aus Rasen-, Kies- und Sandteilstücken und muss insgesamt vier Gräben von einem Meter Tiefe aufweisen, zwei davon mit Wasser befüllt. Die Dame hat mindestens 49 Kilogramm auf die Waage zu bringen – notfalls ist sie mit zusätzlichen Gewichten zu beschweren. Die Sache ist weniger ernst gemeint, als es auf den ersten Blick scheint. Neben dem schnellsten Paar werden u.a. das lustigste und das bestangezogene Gespann prämiert. Anfang Juli stand in Sonkajärvi (Finnland) die bereits 20. Frauentragen-Weltmeisterschaft auf dem Programm.Fotos: Getty Images