KULTUR
Prokopetz
Vor 45 Jahren schrieb sich Joesi Prokopetz in die Geschichte des Austropop ein. Auf einer Runde Riesenrad plaudern wir über Bob Dylan, satirische Überholmanöver und die Reife zur „Vollpension“.
INTERVIEW: CHRISTIAN BECKER / FOTO: DOMINIK IZAQUIEL TOMÉ
Bob Dylan wurde heuer „für seine poetischen Neuschöpfungen in der großen amerikanischen Songtradition“ mit dem Nobelpreis für Literatur geehrt. „Da Hofa“ läutete vor 45 Jahren die Ära des Austropop ein. War das Literatur? Nein. Den „Hofa“ habe ich in 45 Minuten völlig unreflektiert aus einem Bauchgefühl heraus verfasst. Literatur hingegen ist eine intellektuell reflektierte und beabsichtigte Kunstform und sprengt formal das Korsett eines Gedichts oder „Schlagertextes“. Natürlich gibt es auch ganz kurze Texte, die literarisch sind, für mich fängt Literatur aber bei Geschichten an, die etwa den Umfang von Kafkas „Verwandlung“ haben. Der Preis an Bob Dylan kommt mir daher zumindest merkwürdig vor. Argumente wie Breitenwirkung und die Katalysatorfunktion in den 60ern und 70ern hin zum Paradigmenwechsel greifen da zu kurz. Auch Hansi Hinterseer hat eine große Außenwirkung, wenngleich er nicht für Paradigmenwechsel zuständig ist – sondern im Gegenteil dafür, dass „die kleine heile Welt noch eine kleine Weile hält“. In Hinblick auf die Enternstung der von hoch belesenen Kritikern als solche definierten guten oder schlechten Literatur finde ich die Entscheidung – weg von dieser Kulturbunnyhaftigkeit –aber trotzdem mutig und gut.
Also trägt der Nobelpreis jetzt mal einfach für ein Jahr Cowboystiefel und Lederjacke. Gewissermaßen. Und hat vor allem eine Gießkannenstimme.
Wir erleben politisch und gesellschaftlich aktuell eher traurige bis düstere Zeiten. Fällt es als Autor und Kabarettist momentan schwer, etwas zum Lachen zu finden? Kabarettist ist heute ein verwaschener, leicht schwammiger Begriff. Ich bin eigentlich Satiriker. Da muss man aber auch wissen, dass einen die Realsatire heute ganz schnell überholen bzw. ad absurdum führen kann. Hätte ich einen Stronach, der sich abgehalfterte Politiker aus abgehalfterten Parteien gekauft hat, um eine eigene Fraktion zu gründen, als Satire gebracht, wäre ich kurze Zeit später unaktuell gewesen. Wäre mir eingefallen, dass Strache in einer Rede einen Bürgerkrieg propagiert, wäre ich als Lügner abgestraft worden. Die Satire spekuliert aber damit, dass das aufs Korn Genommene zwar denkbar ist, so aber nicht passieren wird. Weil es zu überspitzt ist. Ich schreibe also aus guten Gründen nicht über tagespolitische Dinge, sondern lieber über Strömungen und Tendenzen des Österreichers an sich.
Wie dies beim Herrn Rädl der Fall war … Der sich auf Stammtischniveau vom intellektuellen Souterrain aus gebärdet hat und mit all seinen Nebenfiguren bis heute in den Köpfen vieler Menschen ist. Daher wird er auch in meinem nächsten Programm „Vollpension“ einen Gastauftritt haben.
Ist die Satire also pensionsreif? Nein, aber ich. Eben mit diesem Programm, das den sinnigen Untertitel „Blick zurück nach vorn“ trägt und aus meinem Fundus aus 40 Jahren schöpft, dem Jetzt angepasst. Ich schaue mir das Publikum an und entscheide spontan, was ich spiele. Es gibt Fixpunkte, aber auch einen hohen Anteil an Flexibilität. Mit 65 beginnt man sein Leben aufzuräumen – frei nach dem Motto, mein Hausarzt hätte mir schon sagen können: „Haltbarmilch brauchen’s Ihna kane mehr kaufen!“ Ich brauch kein Denkmal und möchte nicht schön, reich und gesund sterben, sondern möglichst schiach, oid und krank. Ein Phänomen, vor dem ich mich fürchte, ist das sogenannte Totenbettärgern. Man liegt da und denkt darüber nach, was man alles versäumt hat oder wofür man gespart hat. Ich hab mein Lebtag nicht gespart, der Spargedanke war mir immer fremd. Ich brauch kein goldenes Scheißhäusl.Der 1952 in Wien geborene Joesi Prokopetz ist Autor und Satiriker. Mit dem Text zum Ambros-Hit „Da Hofa“ war er 1971 maßgeblich an der Erfindung des Austropop beteiligt. Auf sein Konto gehen Werke wie „Der Watzmann ruft“, das Projekt DÖF, „Codo“, mehrere Nummer-1-Hits als Solokünstler und Figuren wie Alfons Rädl. Aktuelle Bücher: „So weit. So komisch“ (2012), „Vorletzte Worte“ (2014), beide bei Amalthea. 2017 folgt sein neues Programm „Vollpension“.