KULTUR

Bertha Semeleder und ihr Querflötenatelier

Selten befolgen Kinder die Tipps ihrer Eltern derart weitreichend: „Lerne eine Sportart und ein Instrument“ hatte ihr Vater seinen Kindern geraten. Nun – bis heute ist ihr liebstes Hobby das Reiten. Und aus dem Studium der Querflöte hat Bertha Luise Semeleder längst eine Art Berufung gemacht: Das Querflötenatelier.

TEXT: Franz J. Sauer / FOTOS: Pamela Rußmann

Es hält sich bösartig das Gerücht, dass alle Klavierstimmer zuvor am Beherrschen des Instrumentes an sich gescheitert sind. Dasselbe gilt für Gitarren-, Orgel- und Geigenbauer, etwas seltener wird derlei von Schlagwerk-Herstellern (gibt es sowas überhaupt?) berichtet und auch der im Tischlern bewanderte Schleifer der Klangstäbe eines Xylophones steht nicht unbedingt im Verdacht, zuvor ein solches Idiophon überhaupt ausprobiert zu haben. Aber wie steht es um Flötisten? Wer baut solche Instrumente, wer wartet sie? Muss man sie überhaupt warten? Oder halten sie ewig, so, wie man das Flötenspiel ja generell auch nie verlernt, ab der ersten Blockflötenstunde im Kindergarten?

Alles Fragen, die wir bis vor Kurzem nicht beantworten konnten, nicht einmal gestellt hätten wir sie. Bis wir Magistra Bertha Luise Semeleder kennenlernten. Nicht nur ist sie seit ihrem achten Lebensjahr, als sie endlich die Aufnahmsprüfung an der Musik-Uni, Vorbereitungslehrgang Querflöte, machen durfte, Virtuosin auf dem Instrument. Überhaupt war es immer schon die Querflöte, die der gebürtigen Wienerin Begeisterung in jedweder Hinsicht bescherte. Zwar hatte die Musikerinnen-Karriere im Maturaalter einen zarten Knick, als Bertha, wie sie selbst sagt, einen mentalen Förderer, Motivation von außen gebraucht hätte, um dranzubleiben. „Ich hörte von jetzt auf gleich auf zu spielen, vielleicht auch ein wenig, um mich spätpubertär gegen meine Mutter aufzulehnen. So genau weiß ich das heute nicht mehr.“ Begleitet hat sie das Instrument aber weiterhin, wenn auch vorerst nicht in professioneller Hinsicht. Und losgelassen hat die Querflöte Bertha Semeleder sowieso noch nie, seit sie sich erinnern kann.

Die Semeleders waren generell eine musikalische Familie. Der Vater spielte Geige, die Mutter Ziehharmonika. Der jüngere Bruder ist bis heute Kontrabassist beim Orchester des SWR Stuttgart. Die Schwestern spielten Geige und Orgel, ein Hauskonzert bei Semel­eders hatte durchaus orchestralen Charakter. Aber dass die Eltern die Kinder dazu gedrängt hätten, Musikerinnen und Musiker zu werden, ist eine Fehleinschätzung. „Lerne ein Instrument und eine Sportart, das war es, was sie jedem von uns sechs mit auf den Weg gegeben haben. Und irgendwie haben wir uns alle daran gehalten.“ Die Sportart, die Bertha für sich wählte, war das Reiten. Ebenfalls bis heute. Und durchaus auch auf sportlichem Niveau; Turniere wurden bestritten und gewonnen, zehn Monate verbrachte sie auf einer Pferdefarm in Australien. Dennoch blieb der Sport stets Hobby, wie vorderhand auch die Musik.

Nach der Matura folgte zunächst eine Tour durch verschiedene Professionen. „Ich interessierte mich stark fürs Gesundheitswesen, absolvierte die Krankenschwesternschule in Hietzing. Nach eineinhalb Jahren Dienst auf der Intensivstation war mir das aber irgendwie zu wenig, für ein Medizinstudium war es gefühlt bissl zu spät, also studierte ich Public Health und Pflegewissenschaften.“ Zehn Jahre jobbte sie in den verschiedenen Management-Stationen des Gesundheitswesen, trotz interessanter Tätigkeiten fühlte sich auch das nicht formatfüllend für die Lebensgestaltung bis zur Rente an. Irgendwann schob sich wieder die Querflöte ins Zentrum von Berthas Interessen, sie begann mehr zu üben, mehr zu spielen. Und irgendwann wurde klar: „Das möchte ich machen, damit möchte ich alt werden.“
Zunächst als Ausübende, eher fernab des klassischen Orchester-Jobs. Zumeist tritt Bertha Semelder solo auf. Oder in Ensembles, deren Zusammenstellung oft auf den ersten Blick unkonventionell wirkt, letztlich aber besser zusammenpasst, als man glaubt. Wie als Teil jenes Schrammel-Quartetts, mit dem sie regelmäßig im Cafe Weidinger auftritt und Erfolge feiert. Auch im Duett ist sie gerne gebucht, für Hochzeiten und Vernissagen. Und dann ist da eben noch das Querflötenatelier in Wien 15. In dessen Rahmen sie sich um Serviceleistungen rund um das Instrument ihres Lebens kümmert.

Eine interessante Rolle spielte in ihrem musikalischen Lebenslauf Prof. Ekard Lechner von der Franz Schmidt Musikschule in Perchtoldsdorf. Als sie mit fünf Jahren erstmals Unterricht nehmen wollte, vertröstete er sie auf später, weil sie körperlich noch zu klein für das Instrument war. Und als sie mit 16 bei ihm vorstellig wurde, um die Skills der Flötenreparatur zu erlernen, meinte er, sie solle zuerst mal die Matura machen. „Dieses Wegschicken entfachte irgendwie ein Feuer bei mir.“ Vor zehn Jahren schließlich standen dem Entschluss, sich ganz auf das Querflöten-Business einzulassen, weder körperliche, noch sonstige Hindernisse im Weg. „Ich lernte bei Lechner, in Deutschland bei Tino Mehnert, schaute den großen Meistern über die Schulter, wo immer ich nur konnte.“ Die Lehre zum Holzblasinstrumentenbauer machte sie allerdings nicht, das wäre zweitrangig für ihr Geschäftsmoment. Das Querflötenatelier bietet dezidiert Service-Leistungen und Reparatur an, für alle Arten von Querflöten.

Insgesamt setzt sich Berthas Income derzeit etwa im Verhältnis 40/60 aus live spielen und reparieren zusammen, was uns zunächst überrascht, letztlich aber eine gewisse Logik hat. „Es gibt sehr wenige Servicebetriebe, die einen guten Namen haben, aber gar nicht so wenige Flötisten, vom Schüler über die Studentinnen bis zum Philharmoniker. Und all diese Instrumente muss ja jemand warten.“ Obwohl für Querflötisten durchaus anderes gilt, als beispielsweise für E-Gitarristen, die in der Regel ein Arsenal an Instrumenten für jeden Anlass bereithalten: „Der Querflötist hat zumeist ein Instrument sein Leben lang, höchstens zwei.“ Aber: „Dementsprechend achtet man dann auch auf die Pflege.“ Klingt logisch.

Im Atelier selbst herrscht jene wunderbare, chaotische Ordnung, die oft in Werkstätten oder an Arbeitsplätzen vorherrscht, an denen mit viel Seele und Leidenschaft gearbeitet wird. Viel Kleinmaterial ist bei Querflöten gefragt, dessen Preise sich in den letzten Jahren drastisch erhöht haben. Ansonsten sind Geschick und Gespür Trumpf, davon hat Bertha – ebenso wie Selbstbewusstsein – zuhauf. Eine Generalüberholung kostet bis zu 850 Euro, das jährliche Service kommt natürlich weitaus billiger, wenngleich: „Fixe Preislisten sind schwierig in meinem Geschäft. Dazu sind die Bedürfnisse der einzelnen Instrumente zu individuell und verschieden.“ Im Preis enthalten sind jedenfalls eine gehörige Portion Leidenschaft bei der Behandlung jedes einzelnen Instrumentes.

Die Querflöte begleitet Bertha Luise Semeleder seit ihrem fünften Lebensjahr. Seit zehn Jahren hat die Wienerin das Wesen des Instrumentes auch ins Zentrum ihres beruflichen Lebens gestellt.

Infos und Kontakt: www.querflötenatelier.at