Birgit Denk im Gespräch: Man muss sich seine Oasen suchen, damit man die Wanderung überlebt.

Bei Kurt Ostbahn & Die Kombo machte sie ihre ersten musikalischen Großerfahrungen, seit den 2000er Jahren ist sie mit ihrer eigenen Band DENK aktiv. Wir trafen Birgit Denk zum Gespräch.

Ihre ersten „Großerfahrungen“, wie sie es formuliert, machte Birgit Denk in der Kombo von Kurt Ostbahn, seit den 2000er Jahren ist sie mit ihrer eigenen Band, DENK, aktiv – vor einigen Jahren hat sie auch das Projekt Birgit Denk und die Novaks ins Leben gerufen, in dem die Sängerin österreichisches Liedgut aus dem mittleren zwanzigsten Jahrhundert ins Jetzt übersetzt. Neben ihrem eigenen musikalischen Schaffen moderiert sie auch eine Radiosendung auf Radio Orange und sowie den „Acoustic Club“, eine Art „Open Stage“ – mit beidem verschafft sie jungen Musikern eine Plattform. Am 29. August gibt es in der Arena eine Art Gipfeltreffen dreier Generationen Dialektmusik: Denk trifft auf Willi Resetarits & den Stubnblues trifft auf 5/8erl in Ehr’n. Es gibt viel zu besprechen mit Frau Denk, deswegen bat Markus Brandstetter Birgit Denk zum Kaffee in den vierten Wiener Gemeindebezirk.

In den letzten Jahren sind Begriffe wie „Dialektmusik“ oder „Neues Wienerlied“ stark präsent. Du bist seit den 2000er Jahren in dieser Szene aktiv – was sagst du zum Neuaufkeimen dieses Begriffes?

Birgit Denk: Es war klar, dass es so kommen wird. Sowohl in der Kultur als auch in anderen Bereichen des Lebens sind wir Wechselwirkungen unterworfen. So wie es in den 1970ern und 1980ern um den Austropop bestellt war, dass man damit viel Geld verdienen konnte, die ganze Nation die Platten kaufte, stolz darauf war und alles plötzlich abgeflaut ist, weil es für die Kinder viel zu uncool und provinziell war: da war es klar, dass danach die Elektronik kommen musste. So gesehen sind Kruder & Dorfmeister sozusagen eine direkte Entwicklung aus der Dialekt-Szene der damaligen Zeit – einfach, weil man es ablehnen musste und etwas Neues schaffen musste, weil das in der Jugend eben so ist. Ich denke, jetzt sind wir wieder dort: die Welle geht in die andere Richtung, die nächste Generation, jene der Ninos aus Wien und wie sie alle heißen mögen, die wertfrei und ohne im Austropop aufgewachsen zu sein mit Dialekt arbeiten können und einen unängstlicheren, geraderen Zugang dazu haben. Insofern war es für mich klar, dass es in diese Richtung ausschlägt.

Man muss aber auch sagen, dass dem Austropop klanglich oft ein Provinzmief angehaftet ist, der bei der neueren Dialekt-Musik, die weltoffen und modern klingt, einfach nicht mehr da ist.

Schön, wenn man das so hört. Damals war es eben eine starke Entwicklung in eine Richtung, die jetzt vielfältiger geworden ist. Die neue Dialektszene, wie du das schon angesprochen hast, ist natürlich wesentlich davon beeinflusst, was in den letzten Jahren musikalisch in der ganzen Welt passiert ist. Weltmusik im weitesten Wortsinn hat sich gerade in Wien immer niedergeschlagen, Weltmusik prägt die Wiener Musik seit Jahrhunderten – die Schrammeln haben das Rad auch nicht neu erfunden damals. Immer wieder sind Einwanderergenerationen in Wien sesshaft geworden, die ihre Art von Musik weitergetragen haben, und die Balkan-Musik, die vor einigen Jahren ja das Hipste überhaupt war, ist natürlich auch aus der Ostöffnung zu erklären. Es ist schön zu sehen, dass die Stadt Wien selbstoffen ist und sich das in der Welt wiederspiegelt. Wenngleich Bands wie die 5/8erl in Ehr’n auch nicht aus Wien sind, zumindest die beiden Sänger nicht. Wien als Melting Pot, das ist schön – und dafür, dass es ein Melting Pot ist, muss man nicht aus Usbekistan kommen, da genügt auch Linz.

Ist die Rezeption 2013 anders als vor gut zehn Jahren, als du dein erstes Album „Ausg’steckt“ veröffentlicht hast?

Ich bin in einer Zeit dem Dialekt verfallen, wo es extrem uncool war, wo es erstens schon, als Frau Dialekt zu sprechen, und noch uncooler, dann auch noch so zu singen. Für viele Menschen ist es es immer noch so, dessen bin ich mir bewusst, aber ich merke, dass gerade das junge Publikum extrem darauf steht und sich überlegt, „woher komme ich, woher bin ich“. Und wir sind nunmal leider oder Gott sei dank nicht aus den USA sondern aus Hernals oder Simmering, und da haben wir eben andere Wurzeln. Diese Überlegung, woraus kann ich schöpfen, was ist kreativ hier passiert, worauf kann ich aufbauen… das Publikum dafür war immer schon da.

Der Terminus „Dialektmusik“ ist ja ein eher loser Terminus, der musikalisch noch nicht viel aussagt. Findest du diese Schublade eher mühsam?

Das ist so eine große Schublade, dass ich damit super leben kann. Da fällt soviel unter diese Kategorie, für mich ist das eine schöne große Schublade, fast schon ein Kleiderkasten in dem wir uns hier befinden – ja, es ist Dialektmusik, weil die Sprache, mit der die Protagonisten auftreten, die ihre ist. Das ist der große Unterschied zu den letzten Jahren: dass man nicht eine Sprache wählt, um sich zu übersetzen, sondern den direkten Weg wählt, den, wie man auch spricht.

Am 29. August spielst du in der Arena – was kann man sich in puncto Denk an diesem Abend erwarten?

Da wird Denk elektrisch auftreten, wir werden uns an dem Abend aus unserem reichhaltigen Repertoire die Lieder auswählen, die gerade passen. Weil es uns schon so lange gibt, können wir relativ schnell von der Setlist abweichen: wenn es zu regnen beginnt, können wir etwas anderes spielen, als wenn wir merken, dass die Leute jetzt tanzen wollen oder aufgemuntert gehören. Es wird das Beste aus DENK-Konzert und es werden bereits Ausblicke gegeben auf das hoffentlich 2014 erscheinende neue Album, das „Durch die Wüste“ heißen wird.

Kannst du schon was zum neuen Album erzählen?

Unser Grundgedanke war, dass es uns schon so lange gibt, dass man das bereits mit einem Leben vergleichen könnte. Man hat seine Hochphasen und seine Tiefphasen, seine Sternstunden – und irgendwie kommt mir so eine Bandgeschichte vor wie eine Wanderung durchs Leben. Man hat Phasen, in denen man durch blühende Gärten schlendert, und dann wieder Zeiten, wo es wirklich durch die Wüste geht. Dort muss man sich seine Oasen suchen, damit man diese Wanderung überlebt. Über dieses Bild möchte ich mir thematisch den Kopf zerbrechen und etwas machen, ohne das jetzt Konzeptalbum zu nennen, was diesen Komplex umschließt – einfach weil es auch gesellschaftlich passt. Wir leben in einer Zeit, in der prekäre Arbeitsverhältnisse normal geworden sind, All Inclusive-Verträge betreffen mittlerweile nicht mehr nur Manager sondern auch Putzfrauen, damit sämtliche Überstunden gleich abgegolten werden. Alle rittern egomanisch herum, um ihren Arbeitsplatz zu behalten – und das wird noch Auswirkungen haben, die wir uns nicht wünschen.

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