Faszination Veloschmitt: Fahrrad mit Extras

So feiert der Kabinenroller sein Comeback als Hightech-Stromer für grüne Radler

Das hat sich Fred Zimmermann sicher ganz anders gedacht. Denn eigentlich wollte der Grafiker nur das Nützliche mit dem Praktischen verbinden, sein Sportprogramm auf dem Weg zur Arbeit erledigen, sich das Geld für einen Zweitwagen sparen und trotzdem ohne Muskelkater und Regenguss ins Büro kommen. Doch das Velociped mit elektrischem Hilfsantrieb, das er dafür in den letzten zwei Jahren entwickelt hat, kam dummerweise in der Fahrradszene so gut an, dass Zimmermann jetzt aus ganz anderen Gründen ziemlich strampeln muss: Weil er vom Interesse förmlich überrannt wurde, arbeitet er mit Hochdruck an der Serienfertigung.

Der Charme seines offenen Zweisitzers liegt weniger in der Technik. „Das sind Standardkomponenten, wie man sie aus vielen Pedelecs kennt“, wiegelt der Hobby-Tüftler mit Blick auf den Unterbau ab. Er besteht im Wesentlichen aus zwei Pedalen vorn, einem Elektroantrieb hinten und einer Kardanwelle dazwischen, so dass man mit elektrischer Unterstützung leichter die Berge hinauf strampeln und bisweilen das Treten auch mal ganz sein lassen kann.

Sondern was den Citystromer mit Oberschenkel-Hilfsantrieb wirklich ausmacht, das ist sein Design. Denn Zimmermann hat sich an nichts weniger orientiert als am legendären Messerschmitt Kabinenroller. An ihm hat er einen Narren gefressen, seit er ihn zum ersten Mal gesehen hat. Und weil er sich das Original nie leisten konnte, hat er schon vor Jahren mal einen nachgebaut. „Was lag da näher, als dieses Konzept jetzt auch für das Pedelec wieder hervor zu holen“, fragt Zimmermann und bringt so die über zwei Jahre lange Entstehungsgeschichte des Veloschmitt auf einen sehr kurzen Nenner.

Zufälle …

Diese Geschichte ist auch eine Geschichte von Zufällen und glücklichen Begegnungen, wie sie erst seit Erfindung des Internets möglich sind: Dass der Velsoschmitt jetzt tatsächlich kurz vor dem Serienstart steht und zu Preisen zwischen etwa 8 000 und 10 000 Euro noch in diesem Jahr die ersten Exemplare ausgeliefert werden, verdankt Zimmermann nämlich einem Bruder im Geiste, den er in online einem Pedelec-Forum kennen gelernt hat. Achim Adlfinger heißt der Mann, der aus Bayern stammt, in Spanien wohnt und sein Geld unter anderem mit einer Werkstatt in Ljubljana verdient, die Wassersportgeräte aus Kunststoff baut. „Er hat das nötige Know-how, um aus dem Einzelstück ein Serienmodell zu machen“, lobt Zimmermann seinen Partner, der jetzt die Industrialisierung vorbereitet: Mit Karossen aus einem maschinellen Prozess will er die Bauzeit auf einen Tag drücken und den Ausstoß irgendwann mal auf bis zu 3 000 Kabinenroller im Jahr steigern. Angefangen wird aber erst einmal mit kleineren Auflagen: „Wir planen zunächst mit 200 Fahrzeugen“, sagt Adlfinger und ist zuversichtlich, dass er die auch alle los wird: „Schließlich haben sie uns die erste Zehner-Serie schon an einem Wochenende aus den Händen gerissen.“

Messerschmitt Super 200

Bei der Suche nach dem idealen Vorbild hat Zimmermann für den Veloschmitt allerdings nicht irgend einen Kabinenroller ausgewählt. Sondern weil es ihm um maximale Aerodynamik ging, sieht sein Tretmobil aus wie der Super 200, mit dem die Messerschmitt-Ingenieure 1955 auf dem Hockenheimring bei einem Dauerlauf über 24 Stunden 24 Rekorde aufstellten und ein Tempo von 130 km/h erreichten.

Fliegen in den Zahnlücken

Ganz so schnell ist Zimmermanns Zweisitzer zwar nicht. Aber Spaß macht er deshalb trotzdem: Genau wie früher klappt man erst den Deckel zur Seite, steigt dann über die hohe Brüstung vorsichtig ein wie in eine Badewanne, lässt sich auf einen dünnen Sitz mit wunderbarem Karo-Polster fallen und surrt mit einem so breiten Grinsen durch den Verkehr, dass man in den Zahnlücken Fliegen fangen kann. Denn wie es sich für ein Spaßauto gehört, ist der Veloschmitt nach oben offen und reckt Wind und Wetter nur eine winzige Scheibe entgegen, die einem gerade einmal bis zum Hals reicht.

Soweit ist also alles wie früher, und selbst der geschwungene Fahrradlenker erinnert noch an das Original. Doch ansonsten ist alles anders. Denn unter der Plastikkarosse tuckert diesmal kein Einzylinder. Sondern stattdessen surrt im Heck ein Radnabenmotor, der den 60 Kilo leichten Retro-Renner bei entsprechender Programmierung und dem passenden Führerschein auf bis zu 45 km/h beschleunigt. Erst wenn nach maximal 60 Kilometern der Lithium-Ionen-Akku leer ist, muss man für sechs Stunden an die Steckdose – oder doch selbst in die Pedale treten.

Adoptiert

Zwar musste Zimmermann das Original ein bisschen freizügiger interpretieren, um die Fahrradtechnik unterzubringen. Der von zwei sparsamen LED-Augen gespickte Bug ist deshalb viel bauchiger, die Vollscheiben-Räder sind größer und schmaler und vielleicht bekommt das Serienmodell sogar eine „Panzerlenkung“ mit zwei Hebeln links und rechts vom Sitz. Doch den Veteranen der Messerschmitt-Szene hat der Plastikbomber mit dem sympathischen Grinsen, den karierten Sitzen und der schnittigen Cabrio-Haube so gut gefallen, dass die Stiftung dafür sogar ihren Namen hergegeben haben. Deshalb darf der Veloschmitt jetzt offiziell das Messerschmitt-Logo tragen.