AKUT

MEINUNG

Bei meinen jahrzehntelangen ungeschickten Versuchen, eine kluge, liebe, wunder­schöne, charakterfeste, humorvolle, eigenständige und doch treue Frau zu finden, die im Bett ein Tier und im Alltag stark und seriös ist, war ich:
a) nicht erfolgreich und
b) unzählige Male verwundert, welche meiner Geschlechts­ genossen mehr Glück hatten.

Das dürfte schon jedem einmal aufgefallen sein. Eine Traumfrau ist mit einem Durchschnittsmann zusammen. Sicher gibt es viele, die sofort mit dem Mann tauschen würden, was eine kurzsichtige Entscheidung wäre, denn sie hätten dann zwar den Vorteil des regelmäßigen Beischlafs mit einem warmherzigen Model, das ihnen das Hirn wegfickt, aber dafür wären sie auch 24 Stunden täglich der Typ. Also einer, bei dem man sich fragt, wie er zu dieser Halbgöttin gekommen ist. Ist er schwerreich? (Sexistische Theorie.) Hat sie eine besonders grausige Wette verloren? (Die Frau ist klug, sie würde nicht um einen so großen Wetteinsatz spielen.) Oder hat man selbst ein falsches Attraktivitätsideal?

Noch rätselhafter wurde die Sache später. Aus irgendeiner perversen Laune der Natur verliebten sich tatsächlich zwei solche Wundergeschöpfe in mich (nacheinander, nicht gleichzeitig). Sie bemerkten ihren Irrtum auch ziemlich lange nicht. Die Trennung kam für mich nicht überraschend, erstens, weil ich schwierig bin, und zweitens, weil die beiden zwar die meisten oben erwähnten Kriterien erfüllten, jedoch ein kleines Charakterproblem hatten. Das spielt für unsere Geschichte aber keine Rolle.

Wesentlich verblüffender war für mich – und nicht nur für mich – ihre Partnerwahl nach mir. Die beiden kamen plötzlich mit durchschnittlich aussehenden, durchschnittlich wirkenden, blassen, schmächtigen, immer etwas verloren wirkenden Jünglingen daher, mit denen zu reden ungefähr so spannend und unterhaltsam war wie ein Gespräch mit einem Besen. Nicht dass man mich falsch versteht: Ich gönne jeder ehemaligen Freundin alles Glück der Welt. Wenn man einmal zusammen an etwas Großes geglaubt hat, verbindet das. Mir tun Menschen leid, die sich so weit voneinander entfernt haben, dass sie sich nicht nur aus den Augen verlieren, sondern sogar Feinde werden. Kommt ja häufig vor. Ich jedenfalls lebe in gutem Einvernehmen mit Frauen, die mir früher einmal nahegestanden haben, und freue mich für sie, wenn sie neue Partner finden, mit denen sie glücklicher sind als mit mir. Gott, hört sich das verlogen an. Ehrlich? Es ist komisch, wenn diese neuen Partner so kuriose Langweiler sind. Ich habe nichts gegen diese netten Jünglinge, absolut nichts. Ich bin nicht eifersüchtig, ich bin nicht neidisch, ich bin nur verwirrt. Diese Traumfrauen ziehen plötzlich mit Männern von Bar zu Bar, die ihnen nicht das Wasser reichen können. Wie kommt das? Man könnte annehmen, ich sehe die Sache ein wenig gefärbt, weil in mir entgegen allen Beteuerungen noch die eine oder andere Kränkung wütet, also lassen wir die schönen Exfreundinnen hinter uns und werden wir allgemeiner.

So etwas sieht man jeden Tag: Tolle Frau, Durchschnittsmann. Sehr viel seltener: Toller Mann, Durchschnittsfrau. In einer tollen Frau neben einem uninteressanten oder gar unattraktiven Mann vermuten missgünstige Menschen nur zu oft ein berechnendes Luder, das sich einen Geldsack geschnappt hat. So etwas mag vorkommen, aber die Regel ist das nicht, jedenfalls sprechen wir nicht davon. Wir reden von den großartigsten Frauen, die, nennen wir das Kind beim Namen, mit irgendeinem Würschtl liiert sind. Ich kann mir gut vorstellen, dass genau an dieser Stelle dieses Textes manche Leserinnen ihre Umgebung mit einem Wutschrei belästigen. Das sind die besonders harten Fälle. Haben wir schon bei anderen Gelegenheiten festgestellt. Eigentlich verständlich, wer will denn bei so etwas ertappt werden?

ist einer der renommiertesten österreichischen Schriftsteller der Gegenwart.

NEIN, SIE SIND NICHT ZU FETT

Na ja, also wirklich. Wenn wir die Sache realistisch betrachten, teilt ein nicht unbeträchtlicher Teil der weiblichen Bevölkerung Tisch und Bett mit Männern, die man im Theater Statisten nennt. Ein ehrenwerter Beruf, falls es einer ist, aber verstehen kann ich es nicht ganz. Das heißt, ich verstehe es schon. Sachlich. Technisch. Worum geht es denn? Es geht darum, dass auch die wunderbarsten Geschöpfe (allesamt Frauen) absurde Komplexe oder seltsame Ängste haben. (Falls Sie eine Frau sind: NEIN, SIE SIND NICHT ZU FETT.)

Manche glauben gern, diese tollen Frauen wurden von irgendeinem Mann versaut. Irgendeinem Unhold, der unzuverlässig war. Ist natürlich Unsinn. Wenn überhaupt, wurden die von ihren Eltern verstört, aber das spielt eigentlich keine Rolle. Fest steht, dass diese Frauen mit diesen Männern zusammen sind, weil diese kontrollier-bar sind. So schön kann niemand sein, dass er nicht bei entsprechender Disposition unsicher sein könnte, und wenn man Angst vor dem Alleinsein hat, oder vor Einsamkeit grundsätzlich, oder vor dem Betrogenwerden, dann ist man natürlich bei einem Schlumpf richtig. Einer, der fünf Level unter der Frau spielt, wird sie nicht so leicht betrügen. Oder verlassen. Oder sonst etwas Schlechtes machen. Sie weiß, dass er nie wieder so etwas kriegen wird. Umgekehrt weiß er nicht, dass er so etwas nie wieder kriegen wird. Aber er ahnt es. Und deswegen ist er brav.

Also: Wirklich? Braucht ihr das, ihr großartigen Frauen? Ist diese Theorie schlüssig oder ist alles noch viel schlimmer, und es ist euch sowieso egal, wie Männer sind, Hauptsache, es schläft irgendein Wastl neben euch? Ich verstehe es wirklich nicht. Die Redaktion (der Männerteil) versteht es auch nicht. Wir wollen ja theoretisch sogar lieben und Angst vor dem Scheitern haben. Ihr nicht?

Mir fällt gerade auf, dass die, die Angst vor dem Scheitern haben müssen, die sind, die euch die Koffer und die Einkaufstaschen hinterhertragen. Darum darf es aber auch nicht gehen. Wir leben sichtlich in einer stündlich feiger werdenden Zeit. Deshalb halten sich manche Frauen einen Mann, der eigentlich nichts anderes ist als ein Tamagotchi. Nichts für ungut. :*

Foto: Erich Reismann