KULTUR

Warum nicht einmal nach: Obertrum

Mattsee für Müde, Obertrumer See für Bierige: Wie uns die naturgeschützten Gewässer der Salzburger Seenplatte grünes Sommerfrische-Licht geben.

TEXT & FOTOS: MAX WILDE

Der See lag da, in Licht gebadet und flimmernd. Es roch nach Weiden und dampfenden verwesenden Sumpf- gräsern. Vom Hotel her hörte man das Geräusch von Messern, Gabeln und Tellern. Das Fischlein tanzte am Boden einen kurzen originellen Tanz …“. Okay! Ertappt und auch schon zugegeben! Alles abgeschrieben bis hierher. Und zwar vom Kollegen Peter Altenberg, dem berühmten Wiener Kaffeehausliteraten. Vor hundertzwanzig Jahren mengte die leidenschaftliche Kaffeehauspflanze Altenberg seiner Füllfeder ein besonderes Elixier bei, das zahllose Sommerfrischler bis heute süchtig machen kann: nämlich hochsommerliches Seewasser made in Austria. Aber noch etwas erinnert mich gerade an die Zeit des Kaffeehausliteraten, der mit seiner „Seen-Serie“ einst den besonderen Charme solcher Sommerwochen beschrieb. Es sind die bequemen Ledersitze im bordeauxroten Austro Daimler ADV, Baujahr 1923, alias Double Phaeton „Argentinier“. Gerade schnurrt er mit mir vom Oldtimer-Museum Fahr(t)raum das smaragdgrüne Mattsee-Ufer Richtung Obertrum hoch. Einen Chauffeur mit passender Mütze gibt es auch. Außerdem jede Menge erfrischend kühle Luft, so wie es sich für ein Cabriolet gehört. Das Ziel meines kleinen Ausflugs taucht leider schon fünfzehn Minuten später auf. Es sind die hohen Hopfenstangen vor der Trumer Brauerei. Spätestens hier scheiden sich die Sommerfrische-Geister: Führung und Bierverkostung in der feinen Privatbrauerei, deren besondere Gläser es bis ins New Yorker MoMA schafften, vom konstant preisgekrönten Trumer Pils gar nicht erst zu reden? Oder einfach über den Obertrumer Dorfplatz schlurfen? Um unter das bauschig grüne Kastanienblätterdach des Braugasthof Sigl zu schlüpfen, einen Schanigarten aus bierfeuchten Träumen par excellence? Egal wie du dich entscheidest: Du hast in jedem Fall das große Sommer-Los gezogen. Das hat mit der üppigen Küche zu tun, die ähnlich sämig in sich ruht wie das hier gebraute Bier. Es ist die bodenständig unaufgeregte Art und Weise, mit der alles serviert wird. Die nur wenige Meter weit entfernten Seen schlagen in eine ähnliche Kerbe: Stille Wasser allesamt.

Leicht grünlich können sie sein. Mit Algen verdickt, von Schilfgräsern durchbohrt und mit Seerosen überlappt. Im Schatten moorbraun, träge, von anregender Düsterkeit. Doch auf die Farbe kam und kommt es auch heute nicht an. Eher auf die Stille, zu der sich vielleicht das rhythmische, leise Knarren einer einsamen Zille gesellt, die soeben am hölzernen Bootssteg reibt. Eine Handvoll Gemeinden verteilen sich um die Gewässer: Mattsee, Obertrum, Seeham, Berndorf. Es sind Orte, die herrlich vertraut nach der frischen Haut von Fischen riechen und trotzdem immer ein wenig im Abseits liegen. Und das ist auch ziemlich gut so. Nur kurze Ausflugsfahrten von den viel stärker besuchten Salzkammergut-Klassikern Wolfgangsee oder Mondsee leuchten diese sommerlichen Juwele. Die Gewässer des Salzburger Seenlandes – der Mattsee und der Obertrumer See, der kleine Grabensee oder der weiter östlich befindliche Wallersee – liegen nördlich der Autobahn, die von Wien nach Salzburg führt. Spricht man mit den einheimischen Maränen schern, die hier an ihren Stammtischen zusammensitzen, dann tönt der Stolz auf „ihre“ Seen unüberhörbar hervor. Ruhiger als die viel bekannteren Salzkammergutseen sind die von 800 Meter hohen Flyschhügeln umgebenen Ufer. Außerdem über weite Strecken unverbaut, weil intakte Schilfgürtel in angrenzende Feuchtbiotope übergehen. Kein Motorboot überdröhnt hier das Summen der vielen Libellen und schon gar nicht das Brüten der geschützten Wasservögel – Graureiher, Kiebitze, Brachvögel, Enten, Haubentaucher oder Blässhühner, die hier ein perfektes Habitat vorfinden.

Und als ob diese Vorzüge noch nicht genug wären, vermelden die Einheimischen noch eine weitere Besonderheit. Nämlich die für Salzburger Verhältnisse erstaunlich moderaten Wassertemperaturen von bis zu 27 Grad. Das hat wohl auch mit dem Verhältnis zu den Bergen zu tun, die sich gerade richtig weit entfernt erheben. Das kalte Schmelzwasser darf ruhig in die „richtigen“ Salzkammergutseen fließen – die Trumer Seen betrifft das nicht. Sie speist keineswegs eisiges Schmelzwasser, sondern die gemütlich dahingurgelnde Mattig, die nördlich der Stadt Salzburg bei Elixhausen entspringt – um nach nur vierzig Kilometer Reise durch den Salzburger Flachgau und das südliche Innviertel in die Inn zu münden. So erinnert das Trumer Seendreieck eher an eine kleine Ice-Age-Episode: Denn der Obertrumer See, der durch die Mattig mit dem viel kleineren Grabensee verbunden ist, sowie der durch einzelne Wasserkanäle „angehängte“ Mattsee stellen ein Relikt der letzten Eiszeit dar. Es handelt sich um die verflüssigten Reste des alten Salzachgletschers, der seine äußerste Gletscherzungenspitze einst bis hierher vorgeschoben hat.

Aber weil Geologen und Badehosen nicht ganz so gut zusammenpassen, sehe ich die kurze Mattseer Uferpromenade lieber auf meine ganz private Weise. Soeben schaukeln einige Schwäne auf der aschengrünen Wasserfläche, im selben sanften Rhythmus, in dem der See atmet. Kein Lärmen weit und breit. Außer dem Geplätschere an stark bemoosten Pfählen und dem Rascheln der Schilfblätter in der leichten Sommerbrise. Auch die nahe, schon 1928 errichtete Badeanstalt gönnt sich einen Dornröschenschlaf und verströmt dabei den vertrauten Duft alten Holzes. An den Türen der Umkleidekabinen blättert der blassblaue Lack, einige Enten dösen davor im Schatten. Selbst die Zeiger am verspielten Uhrturm des Bades scheinen stillzustehen. Weiter draußen bereiten die mitgekarrten Kids eine Luftmatratzen-Attacke auf die köstliche Verschnaufpause vor. Doch auch das gehört zu den schläfrigen Sommerfrische-Ritualen dazu. So wie das straffe Knattern der Segel und die dritte Melange so gegen halb drei. Dass dich die Lektüre der mitgebrachten Bücher wenig später trotzdem zum Nickerchen verleitet – geschenkt!

So herrlich unaufgeregt präsentieren sich viele Ecken dieser Seen, denen stets ein tiefes, grünliches Schimmern eingeschrieben ist. Da wären das in sich gekehrte Stift und das zum Hotel umgebaute Schloss der uralten Siedlung Mattsee. Am ländlich geprägten Ostufer von Gebertsham findet sich ein zweiter öffentlicher Badeplatz des ruhigen Mattsees. Steile Wiesen lassen hier den alten Moränenhügel erkennen, den die Gletscher einst vor sich hergeschoben haben. Dass das leicht wellige, von Wäldern und Weiden geprägte Umland uraltes Kulturland ist, belegen lokale Funde, die bis in die Hallstadtzeit zurückreichen. Nach den Kelten siedelten hier Römer, die in der Ortschaft Obertrum, ganz am Südende des benachbarten Obertrumer Sees, bleibende Baureste hinterlassen haben. Erhalten hat sich aber auch eine andernorts selten gewordene Flora und Fauna, weswegen sämtliche Trumer Seen längst unter Naturschutz stehen, Bauverbote und eingeschränkter Wassersport inklusive. Nun schlagen hier neu zusammengestückelte Kräuterwanderwege in eine grüne Kerbe. Am naturbelassensten fällt wohl der kleine, von ausgedehnten Schilffeldern und unverbauten Ufern geprägte Grabensee aus. Es ist einer jener magischen Orte, an denen nicht nur Wollgräser, Sumpf-Geiskraut, Binsenried und Moorbirken stehen geblieben sind. Sondern ein wenig auch die leuchtende Sommerfrische-Zeit.

INFOPORN

Hotel-Tipp

Seewirt am Mattsee

Genießerhotel mit Romantik- Suiten, Candle-Light-Dinner, Spa. Stylisches Design beim ältesten Seebad von Mattsee, dem Wallmannbad.
seewirt-mattsee.at

Schlosshotel Iglhauser

Hier residierten einst die Salzburger Bischöfe. Ausgezeichnete Haubenküche: Fischspezialitäten und historische Rezepte der alten „Salzburger Kuchlgärten“.
schlosshotel-igl.at

Romantik Hotel Gmachl

Seit 680 (!) Jahren verwöhnt die 23. Generation der Familie Gmachl Gäste in Elixhausen.
gmachl.com

Restaurant-Tipp

Braugasthof Sigl

Traditioneller Braugasthof in Obertrum; regionale Küche und frisch gezapfte Biere der Trumer Privatbrauerei.
braugasthof-sigl.at

Restaurant Walkner

Spezialitätenrestaurant in der Gemeinde Seeham mit Seeblick-Terrasse. Frische Fischspezialitäten, Nudel- und Käsekreationen mit Produkten aus der Familienkäserei.
hotel-walkner.at

Stopover-Tipp

Privatbrauerei Trumer

Brauerei-Führung jeden Di und Do um 16:30 Uhr (Juli, August).
trumer.at

Fahr(t)raum

Die Ferdinand Porsche Erlebniswelt in Mattsee bereitet ein Stück österreichische Automobilgeschichte auf – inkl. Oldtimer-Ausflügen.
fahrtraum.at

Info

trumerseenland.at
salzburger-seenland.at
obertrum.salzburg.at