ACTION

Freeride is leiwand

Maximilian Barcelli

Das Freeride Filmfestival 2016 zeigt die Welt des Backcountry aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln. Was all die großartigen Produktionen österreichischer und deutscher Skifahrer und Snowboarder gemeinsam haben: den Drang hinaus ins Abenteuer.

Text: Hannes Kropik, Manuela Mandl, Andi Spies

Abseits der gesicherten Pisten fängt für Freerider die Freiheit erst so richtig an. Sehr viel freier als in Wolfgang „Wolle“ Nyvelts und Steve Grubers „Ästhetiker Shape Movement“, kurz ÄSMO, geht es aber kaum noch: Die Tiroler Snowboard-Legenden bauen zu Hause im Zillertal in Handarbeit ihre eigenen Boards, die sich von marktüblichen Produkten in einem wesentlichen Punkt unterscheiden: Auf diesen Powsurfern lässt es sich auch ohne Bindung ganz geschmeidig durch den Tiefschnee gleiten. Ihr Film „Äsmosphere“, gedreht von Andreas „Mone“ Monsberger, einem weiteren Mitglied der legendären Ästhetiker-Crew, zeigt in eindrucksvollen Bildern, woher die Inspiration für die ungebundene Freude natürlich stammt: vom Surfen.

Denn tatsächlich, erklärt Wolle, haben Surfen und Snowboarden viel mehr miteinander gemeinsam, als Außenstehende vielleicht vermuten würden: „Beide Sportarten finden im gleichen Element statt, auch wenn das Wasser unterschiedliche Aggregatzustände hat. Beim Surfen ist das Wasser natürlich immer in Bewegung und du musst dich ständig anpassen. Am Berg kann ich meine Line zwar besser vorausplanen, muss mich aber auch darauf einstellen, wo der Sluff abrutscht und wo ich meine Sprünge machen will. Außerdem geht es immer um das Prinzip Speed & Control: Du versuchst, so viel Speed wie möglich zu generieren, aber trotzdem noch die Kontrolle über dein Board zu behalten.“Wolle und Steve haben in den vergangenen acht Jahren sehr viel Arbeit in die Entwicklung ihrer Powsurfer gesteckt: „Wir haben uns überlegt, wie ein Board aussehen muss, mit dem wir dieses besondere Gefühl des Gleitens vom Meer in die Berge übertragen können, und haben verschiedene Einflüsse aus dem Surfen und dem Snowboarden neu gemixt.“ Mit dem Ergebnis, dass so abgebrühte Profis wie Wolle und Steve eine Art sportliche Zeitreise antreten können: „Jedes Mal, wenn du etwas Neues machst, ist das ein unglaublich cooles Gefühl. Wenn du aber nur das Gleiche machst, wird es doch irgendwann langweilig. Wenn du ohne Bindung am Brett stehst, musst du deine Linie ganz anders wählen. Plötzlich hast du auf Runs, auf denen du als Kind deine ersten Powder-Erlebnisse hattest, wieder einen riesigen Spaß.“

Die ÄSMO-Jungs produzieren ihre Bretter nicht nur zum eigenen Vergnügen, große Businessziele haben sie realistischerweise aber auch nicht: „Zunächst sehe ich unsere Boards ganz nüchtern als ein Spielzeug, das Leute inspirieren soll, etwas Neues auszuprobieren. Aber natürlich ist es cool, wenn jemand unsere Bretter kauft, und solange wir davon die Miete für unsere Werkstatt zahlen können, ist das perfekt.“

„Äsmosphere“ ist einer von sieben Filmen, die der frühere Snowboard-Profi Harry Putz und sein Partner Volker Hölzl ins diesjährige Freeride Filmfestival verpackt haben. Ein anderer ist Tobi Tritschers „33 Mile“. Der steirische Ski-Profi ist für seine neueste Produktion mit der Legs of Steel Crew ins Freeride-Paradies Alaska aufgebrochen – und neben spektakulären Aufnahmen mit jeder Menge neuer Erfahrungen zurückgekehrt: „In Haines sind unglaublich viele Filmcrews unterwegs. Da geht es teilweise zu wie im Krieg, weil fünf Gruppen das gleiche Face fahren wollen! Wenn man das erste Mal dort ist, ist man sofort von der Faszination infiziert, man hat aber auch jede Menge Respekt vor diesen Bergen.“

Tatsächlich verlangen diese außergewöhnlichen Berge jede Menge Routine, um nicht brutal abgeworfen zu werden – wie Tobi am eigenen Leib erleben musste (und wie man in „33 Mile“ ungefiltert sehen kann). „Es war unser erster Tag und eine andere Crew ist kurz vor uns dort gelandet, wo wir eigentlich zu filmen geplant hatten. Also mussten wir kurzerhand auf das nächstbeste Face ausweichen. Wir waren von der kurzfristigen Änderung und der Helikopterfliegerei ohnehin schon gestresst genug, außerdem studiert man einen Hang ja am Vortag sehr genau oder ist zumindest schon öfters aus nächster Nähe dran vorbeigeflogen. Jedenfalls haben wir gelernt, dass es nicht gut ist, wenn man sich so einen Berg nur eineinhalb Minuten lang anschaut und dann loslegt …“

„33 Mile“ ist ein Film, der nicht nur die Sonnenseiten des Freeridens zeigt. Denn natürlich bietet ein Sport, der so sehr von den perfekten Witterungsbedingungen abhängig ist, auch gewisse Nachteile: „Als wir in Alaska angekommen sind, hatten wir einen Tag mit gutem Wetter, dann zehn Tage am Stück Schlechtwetter und dann erst wieder zwei gute, gefolgt von neun schlechten Tagen. Und doch: Wenn ich heute an Alaska denke, dann fallen mir zuerst meine Emotionen in den Outruns von Dirty Needle und Battery ein. Diese beiden Lines sind mir richtig gut ausgegangen! Beide Hänge waren recht steil und mit Mega-Powder bedeckt – das waren wirklich unvergessliche Momente!“ Und genau darum geht es einem Vollblut-Skifahrer wie Tobi Tritscher ja letztendlich: „Es klingt vielleicht nach einem Klischee, wenn ich jetzt anfange, von Freiheit zu sprechen. Aber so ist es nun einmal: Am Berg ist jeder Tag einzigartig. Es gibt nichts Besseres, als sich eine coole Line herauszusuchen, die einen so richtig herausfordert. Und wenn mir alles so aufgegangen ist, wie ich es mir vorgenommen habe, möchte ich sofort die nächste Line fahren.“

Roman Rohrmoser, wie seine Freunde Wolle Nyvelt und Steve Gruber im Zillertal beheimatet, war gemeinsam mit seinem deutschen Ski-Buddy Felix Wiemers für die Produktion „Character X“ unter anderem in den heimatlichen Alpen, aber auch in Japan und Norwegen auf der Suche nach dem Abenteuer. Der 31-jährige Tiroler, der eine vielversprechende Alpin-Karriere („den Felix Neureuther hab ich im Nachwuchs regelmäßig verblasen“) recht bald gegen die große Freiheit des Freeridens eingetauscht hat, gestattet in seinem neuen Film ebenfalls einen Blick hinter die Kulissen des Freeride-Filmbusiness: „Wir wollen zeigen, was alles zum Leben eines Athleten gehört, vor allem nämlich die Abhängigkeit von der Natur. In der vergangenen Saison waren wir zum Beispiel noch am 31. Dezember mit dem Bike in den Alpen unterwegs, weil der prognostizierte Jahrhundertwinter so lange auf sich hat warten lassen. Wir wollten aber nicht länger untätig herumsitzen und haben in der Silvesternacht kurzerhand einen Flug nach Japan gebucht.“ Denn so gut Freerider auch im Warten sein mögen: Noch besser sind sie einfach im Powder unterwegs.

Wie sehr die Freeride-Szene boomt, zeigt das jedes Jahr spektakulärere Programm des Freeride Filmfestivals, das seine Tournee durch Österreich und Deutschland heuer am 5. November im Innsbrucker Metropol-Kino startet. Die weiteren Termine sind der 6.11.in München (BMW Welt), 7.11.Darmstadt (Kinopolis), 8.11.Köln (Cinenova), 9.11.Berlin (Kino in der Kultur-Brauerei) und 10.11.im Wiener Gartenbaukino.

Von sieben Filmen werden gekürzte Festivaledits gezeigt, zu jeder Produktion ist mindestens ein Rider mit von der Partie und wird auf der Bühne Einblicke hinter die Kulissen gewähren. Am Start sind: Tobi Tritscher mit „33Mile“, Wolle Nyvelt mit „Äsmosphere“, Felix Wiemers (im Bild) und Roman Rohrmoser mit „Character X“, Matthias Haunholder mit „The White Maze“, Eva Walkner mit „Exploring Alaska“, Stefan Häusl mit „Spurtreu“ und Fabian Lentsch mit „Snowmads“.

Außerdem stehen drei Specials auf dem Programm: Dabei gibt es am 13.11.in Linz (Design Center), am 14.11. in Wien (Stadtkino) und am 17.11.in Dornbirn (Kulturhaus) „Snowmads“ in einer längeren Fassung zu sehen. In Linz und Wien läuft außerdem die ungekürzte Fassung von Sandra Lahnsteiners „Between“, in Dornbirn weiters „Exploring Alaska“, „Spurtreu“ sowie „Dahem“ von Hanno Mackowitz und die beiden Kurzfilme „Catch Me If You Can“ und „Bunch Of Friends Snowboarding“.

Infos: freeride-filmfestival.comFotos: Monepic, Pally Learmond, 8848 Altitude Superstudio