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Das Ende des Wegbiers: Der Weg ist nicht mehr das Ziel

Sarah Wetzlmayr

Wenn der Weg plötzlich nicht mehr das Ziel ist – weil wir alle plötzlich erwachsen und „angekommen“ sind – was passiert dann eigentlich mit dem Wegbier?

Eigentlich lieben wir hier in der Redaktion ja Kalendersprüche und bewahren die gute alte Sprichwortkiste mit einer solchen Sorgfalt auf, wie wir das sonst nur mit der alten Uhr vom Opa tun, von der wir irgendwann mal gehört haben, dass sie jährlich nicht nur an Staub, sondern auch deutlich an Wert zulegt. Täglich suhlen wir uns in Floskeln wie „Die Zeit heilt alle Wunden“ und wundern uns gar nicht darüber, wenn wir noch immer nicht gefunden haben, was wir schon seit drei Tagen suchen. Wer suchet der findet ja schließlich. Oder auch nicht.

In letzter Zeit bereitet allerdings eine ganz andere Beziehungskiste große Sorgen – die leere und noch nicht ersetzte Bierkiste im Vorzimmer nämlich. Die deutet nämlich auf einen ganz bestimmten Untergang eines ganz bestimmten Umstands hin: Das Wegbier hat seinen allerletzten Weg angetreten. Den ins Altglas ums Eck. Und damit wird das Sprichwort „Der Weg ist das Ziel“ für alle Zeiten aus der so gut gepflegten Sprichwortkiste gelöscht.

Hatte es einst eine tragende Rolle der Verheißung genossen, ist es mittlerweile eher mehr im Weg als diesem dienlich. Wie soll man denn eine letzte Mail schreiben, die Facebook-Reichweite checken oder telefonieren, während man mit der anderen Hand Händchen hält. Ja, auch das kommt hie und da vor. Oder schnell noch den Tisch reservieren, für das Dinner mit ebenso anstandsloser, wie vollkommen mit Anstand erfüllter Weinbegleitung. Sicher einer der Gründe dafür, warum uns das Wegbier nicht mehr begleitet. Ein anderer Grund ist sicher auch das Alter und das, im besten Fall, sich damit vermehrende Geld am Konto. Man muss sich nicht mehr schluckweise durch die Stadt bewegen, weil man sich das Bier im Club um 3,50 nicht mehr leisten kann.

Und obwohl es sich so verdammt falsch anfühlt, mit genug Geld in der Geldbörse und mit Wegbier – plus damit einhergehender Tschick – zum reservierten Tisch durch die abendliche Stadt zu taumeln, so vermisst man es doch irgendwie. Das Wegbier war das verbindende Element. Nicht nur weil es Menschen, die sich nicht kannten und die sich nur beim Vorglühen in irgendeiner abgenudelten WG getroffen haben, miteinander verbunden hat, sondern weil es die verschiedenen Stationen eines Fortgehabends so reibungslos verknüpfte. Jeder Wegbier-Schluck war ein Versprechen, dass dieser Abend noch ganz groß werden würde. Egal was auch passiert. Sip it!

Auch wenn wir also jetzt alle echt irgendwie erwachsen geworden sind und wir uns einbilden irgendwo angekommen zu sein, so können wir ruhig mit dem ein oder anderen Wegbier auf den klugen Konfuzius und sein „der Weg ist das Ziel“ anstoßen. Einfach weil’s so ist. Und weil dieses komische Ankommen ein wenig angetrunken ja eh viel schöner ist.

Foto © Getty Images | Giulio Zecca