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Broadcast yourself: Christina Noélle

„Wie bringe ich meine Kunst an die ­Öffentlichkeit? Wo finde ich eine breite Plattform, die mir als Startrampe dienen könnte? Als ich mir erstmals über Fragen wie dieser den Kopf zerbrach, war von ­Social Media freilich noch keine Rede.“ Ein Kommentar von Christina Noélle.

Text & Fotos: Christina Noélle

Ich bombardierte damals mit einem Optimismus, der fast schon an Naivität grenzte, unzählige Magazine mit Bildstrecken. Vermutlich wurden die ­Attachments meiner Mails gar nicht geöffnet, vielleicht nicht einmal die Mails selber. Doch dann, während meines Fotografie-Studiums, wurde Facebook langsam auch in Österreich populär. Endlich konnte ich meine Fotos posten. Ein Tageszeitungs-Journalist bezeichnete mich damals als „selbstverliebte Facebookfotografin, die denkt, fotografieren zu können”. Lustig ­eigentlich, wenn man bedenkt, dass das mittlerweile tatsächlich auf jeden Zweiten zutrifft. Mich motivierte diese abfällige Art erst recht, mit meinen Selfshots durchzustarten. Wichtig waren mir dabei Kreativität und Originalität. So machte ich die Welt zu meinem Fotostudio und wagte Shootings auf ­Dächern, enterte die Brooklyn Bridge, posierte mit einem ­Leoparden auf einem Baum … Meine Bilder sollen nicht nur Freiheit und Lebensfreude vermitteln, sondern auch Mut, Selbst­akzeptanz und – vor allem – Selbst­bewusstsein.

(c) Christina Noélle

Bald stellten sich erste ­Erfolge ein. ­Fotoaufträge für CD-Covers, Zei­­t­ungen etc. Plötzlich kamen auch TV-Sender aus ­Österreich und Deutschland auf mich zu, flogen mich ein, um Making-­Of-Storys meiner Self­shot-Kunst zu filmen, ­Magazine druckten meine ­Fotostrecken. Eine spannende, neue Welt öffnete sich mir. Aber schon bald ­explodierte die Zahl der Selbstdarsteller auf Social Media, einige Frauen imitierten sogar meine Selfshots. Ob selbst fotografiert oder nicht, das „daily posting”, der Kampf um die Likes, wurde in Rekordtempo zum fixen Bestandteil unseres Alltags. Natürlich folgten mir auch Neider, ließen mich mehrfach von Facebook verbannen. Drei Mal baute ich ein neues Profil auf – und konnte in der Zeit meine Vernissagen nicht bewerben. Mittlerweile bin ich eher aufseiten der Instagram-Fans. Hier kann ich gezielt Kunstprofile anschauen. Hashtags helfen, Interessenten, Kunden und die richtigen Kreise zu finden – aktiv und selektiv.

Der Nachteil an fast allen modernen Medien ist allerdings, dass Quantität mehr zählt als Qualität und dein Erfolg an Likes gemessen wird, die ja mittlerweile größtenteils erkauft sind. Manchmal frage ich mich, ob ich mir mein Geld für das Studium nicht besser gespart hätte – um es jetzt in Follower zu investieren! Postet man harte, kreative Arbeit, wird sie niemals so viele Likes abräumen wie der knackige Po eines Fitnessmodels. Zwei Dinge habe ich im Laufe der Jahre gelernt. Erstens: Wichtig ist – egal, in welchem Genre man unterwegs ist –, kontinuierlich eine Linie zu posten, denn zu verschiedene Dinge verwirren nur. Und zweitens: Ein wenig Privatleben gehört einfach dazu, um nicht unnahbar zu wirken – allerdings mit Maß und Ziel.

Christina Noélle
ist Fotografin, Model und Malerin, ihre Selfshots sind seit 2010 gern gesehene Gäste im WIENER. Ihr Selfshot-Kalender „Einmal um die Welt mit Christina Noélle“ ist unter christina.noelle.photography@gmail.com bestellbar.