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Finanztipps Teil 1: Das Erbe – ein Haufen Kohle am Tisch

Niemandem war die verschollene Tante aus Melbourne bekannt gewesen. Trotzdem mochte sie mich. Und jetzt stresst mich ein Haufen Kohle auf meinem Esstisch, mit dem nicht zu rechnen war. Weder mit dem Geld noch mit dem Stress.

Zuerst unterstellt man dem Notar ja noch ein Fehlerchen. Nein, leider, eine Frau Eve Szokol, wohnhaft in Melbourne, Australien, ist mir nicht bekannt, ich kenn nur die Frau Szokol von der Lieben Familie aus dem TV. Verwandt kann die deshalb schon gar nicht mit mir sein. Also kann ich, leider, auch nix von ihr geerbt haben …

Aber so selten, wie sich ein Notar irrt, bleibt er auch meist hartnäckig. Und nach einigem Stirnrunzeln sowie dem akribischen Studieren diverser Familienchroniken wird plötzlich klar: Tante Eve, ehemals Eva, war die Nichte dritten Grades meiner 1971 verstorbenen Großmutter, der Mutter meines 1990 verstorbenen Vaters. Deshalb hatte ich noch nie etwas von ihr gehört. Sie von mir, wie es scheint, übrigens auch nicht. Ihr plötzlicher Tod kam allerdings derart unerwartet, dass sie sich über ihren Nachlass noch keine Gedanken gemacht hatte. Dadurch trat die gesetzliche Erbfolge in Kraft und nun bleiben mir nach Abzug aller Kosten knapp 96.000 Euro über, mit denen ich niemals nicht gerechnet hätte.

Photo by Ulrich Baumgarten via Getty Images

Haus? Ist abbezahlt. Auto? Gehört mir. Familie? Gut versorgt. Sparbuch? Die paar Netsch reichen für den nächsten Urlaub. Also bleibt der knappe Hunderter Spielgeld …

Bloß – wie sagte schon die Tante Jolesch ungefähr: Setz dich nicht am Tisch Karten spielen mit Leuten, was sich hinsetzen Karten spielen mit dir … Also besser doch nicht ins Casino gehen und dort alles am Schädel haun.

Ich leg’s lieber aufs Sparbuch, zu den paar Netsch dazu. Keine gute Idee, rät mir mein Nachbar Edi, in Gelddingen stets ein schlauer Bursche. Weil das, was am Sparbuch liegt, frisst sich dank der Kombination aus mageren Zinsen und höherer Inflation selbst auf. Gut, also dann gleich in den Sparstrumpf damit, oder? Edi schüttelt den Kopf. „Da hast du genau dieselben Brösel. Und dazu kommt noch, dass man es dir beim Einbruch stehlen kann.“

Gut, also investieren, hab verstanden. In Immobilien, hört man ja immer. Bloß: Was kriegt man um einen engen Hunderter, der sich aufgrund von ein paar unnötigen wie erfreulichen Ausgaben (Uhren, Jacken, Anzüge, und die Frau Chefin wird auch noch auf den einen oder anderen Zwischenstopp beim Juwelier bestehen) wohl noch um ein paar Ecken verringern wird?

Unglaublich, aber wahr: Der Haufen Geld da auf meinem Esstisch wird zur Belastung. Bei all den Warnungen hat man fast schon das Gefühl, jede Minute schmilzt ein Eckerl des plötzlichen Reichtums weg. Zumal dir außerdem fünf Finanzberater fünf völlig konträre Tipps geben, wie weiter vorzugehen ist. Das Internet? Voller Verführungen in finanztechnischer Natur, zumindest was die Erstinvestition betrifft. Und wenn du dann mal Fragen hast, ist dort, wo einst das virtuelle Hochhaus mit dem vertrauensvollen Firmenschild „Finanzberatung 4 U and more!“ stand, nichts wie sandige Gstätten vorzufinden.

Ich geh mal in mich. Denke nach. Und warte auf die nächste Ausgabe des WIENER …

Fotos: Getty Images