KULTUR

Airfarming – Frischluft for Sale

Kein Scherz: Eine englische Firma sammelt und ­verkauft Luft. Aus den duftigsten Gegenden der ­Insel. In Gläsern. Und gar nicht mal so billig. Wie entstand die Idee zur Luftwirtschaft?

Text: Manfred Sax

„Sie verkaufen also Luft?“ – „In der Tat“, sagt der Mann am anderen Ende der Leitung. „Aber nicht irgendeine Luft.  Es ist Frischluft. Aus den besten Gegenden Englands.“ – Nämlich? – „Somerset, ­Dorset, Yorkshire und so weiter.“ – Was kostet die Dorset-Luft? – „80 Pfund.“ – O my god! Und die von Yorkshire? – „Auch 80 Pfund.“ – Im Ernst? Hm.

Der Mann heißt Leo De Watts, seine Firma Aethaer. Und für sein Tun hat er ein neues Vokabel erfunden: Air farming. Luftwirtschaft. Das Unternehmen geht ganz gut, sagt er, der Preis ist gut überlegt: „Es sind ­limitierte Sammlungen. Und ist die Luft mal raus, kann man diese hübschen Gläser noch immer weiterverwenden.“ Natürlich steckt was dahinter. Eine Botschaft. Aethaer versteht sich als umwelt­politisches Kunsthandwerk und mit dem hohen Preis soll darauf hingewiesen ­werden, wie wertvoll gute frische Luft ­heutzutage ist, und als solche soll sie auch wert­geschätzt werden. Nicht unclever.

Airfarming ist gar nicht so leicht. Es hilft, wenn der Wind geht.

Natürlich ist das ein veritabler Standpunkt. Die World Health Organisation (WHO) bestätigt, dass 90 % der Weltbevölkerung heutzutage verschmutzte Luft einatmen. Luftverschmutzung steht in der Liste der globalen Probleme ganz oben. Es ist also nicht unbedingt damit abgetan, sie als ­lediglich typisch britische Exzentriker abzuhaken, wenn man sie auf abgelegenen Feldern jenseits von Zivilisation mit ­Fangnetzen herumlaufen sieht.

Die Idee zur Luftwirtschaft wuchs nicht auf De Watts Mist, sie wurde vor drei Jahren in Kanada geboren. Dort füllte ein gewisser Moses Lam einen Sack mit Luft und bot ihn als Scherz auf eBay an. Der Sack war sofort weg, um umgerechnet achtzig Cent. Vom Erfolg animiert stellte er einen ­weiteren Sack online. Um den herrschte plötzlich ein Griss, weil eine Zeitung über den Scherz berichtete. Machte in der Endabrechnung umgerechnet 110 Euro, und bei Moses Lam fiel der Groschen.

„Ist die Luft mal raus, kann man die Gläser weiterverwenden“, so Leo De Watts, Aethaer

Er begann über Luftverschmutzung zu recherchieren und identifizierte bald einen Markt: Los Angeles. Im Juni 2015 verkaufte seine eigens für den Zweck gegründete Firma Vitality Air den ersten Kanister Frisch­luft. Und wenig später trudelte eine fabulöse Bestellung ein, Absender ein ­Chinese. Er wollte 5.000 Kanister. Heute beliefert Lam die großen Luftverschmutzer des Planeten – China vor allem, aber auch Indien und Korea und so weiter. Länder eben, die industriell radikal aufrüsten.

An derlei megalomane Luftwirtschaft will bei Aethaer selbstverständlich niemand denken. Allein die nur 580 Milliliter fassenden Gläser verhindern jeden En-gros-­Exportgedanken. Hier gehts um Bewusstsein, wie erwähnt. Und mal ehrlich: Luft aus Dorset, nämlich die mit Salz gewürzte von der Küste rund um das Durdle Door – also diese Dorset-Luft ist schon was ­Besonderes und einige Pfunde wert.

Infos: aethaer.com

Fotos:  (c) Aethaer