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Archiv 1997: Interview mit einem Engel

Jakob Stantejsky

Diana ist tot. Doch was heißt das schon? Spiritisten behaupten: Der Geist lebt – im Wartezimmer zum Jenseits. Tonbandstimmenforscher spürten sie auf. Und baten zum ersten Interview post mortem. Der WIENER war dabei.

Report PETER SEIPEL • Fotos GERHARD WARTHA

Aus dem Dach des vierstöckigen Altbaus in Wien-Mariahilf ragt eine mächtige Antenne. Ein Symbol, mehr nicht. „Die ist von den Amateurfunkern. Wir brauchen so was nicht“, versichert Friederike Luksch, Obfrau des Vereins der Tonbandstimmenforscher. Sie tippt sich an die Stirn: „Da drin empfangen wir die Botschaften von unseren Lieben“, erklärt die Pensionistin mit den himmlischen Talenten. Darunter die Gabe, einen höllisch scharfen Liptauer zu fabrizieren, der wie jeden Dienstag das kleine Buffet zum Auftakt des spiritistischen Familientreffens krönt.

Dazu gibt’s Kracherl, Rotwein und jede Menge Tratsch aus dem Jenseits. Katharina, die den Kontakt mit dem Zwischenreich auch zu Hause niemals abreißen lässt, berichtet von einer mysteriösen Nachricht auf ihrem Kassettenrekorder, zwei Wochen vor dem welterschütternden Unfall.

„Diana tot, hat jemand gesagt, und ich hab‘ mir noch gedacht: Jessas, heut ham ma wieder an Blödsinn drin!“ Ein unheimlicher Vorfall. Praktisch der Beweis dafür, dass wir unserem Schicksal nicht entrinnen können.

Auf Empfang. An den Resopaltischen im angemieteten, schmucklosen Hörsaal des Amateurfunkervereins treffen erfahrene Jenseits-Lauscher auf unsichere Anfänger und neugierige Zweifler. Die geistigen Antennen werden ausgefahren. Unterstützt von Panflötenmusik vom Band öffnen die Anwesenden ihre Herzen und schalten die mitgebrachten Aufnahmegeräte ein.Normalerweise wird in der Runde rührende Trauerarbeit um viel zu früh verstorbene Freunde und Verwandte geleistet. Doch heute mischt sich in die Schwermut auch Neugier auf das Schicksal eines prominenten Opfers. Seit dem tragischen Unfalltod von Lady Diana Spencer, Prinzessin von Wales, versuchen die Experten in transzendentaler Kommunikation, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Ein Kontakt, der endlich Licht in all die finsteren Spekulationen um den Unfalltod der Prinzessin, ihres Liebhabers Dodi al-Fayed und des Chauffeurs Henri Paul bringen soll.

Kontaktaufnahme. „Zwei Tage nach dem Unfall haben wir zum erstenmal versucht, Di zu erreichen“, erklärt Obfrau Luksch. „Da hat’s geheißen, sie ist noch im Heilschlaf. Kein Wunder, wo sie so plötzlich aus dem Leben gerissen wurde.

„Krks krks dobrw schkkrrr.“ Techniker Max Cvaszik dreht an den Reglern eines betagten Minerva-Röhrenradios. Konzentriert sucht er die gewisse Lücke im Äther, durch die geheimnisvolle Botschaften aus dem Jenseits ins Diesseits sickern sollen. Irgendwo im Wellensalat russischer und bulgarischer Kurzwellensender wird er fündig. Aus der angeschlossenen High-Tech-Lautsprecheranlage tönt Rauschen, unterlegt mit fremdsprachigem Stimmengemurmel.

Für Nichteingeweihte schlicht ein Wunder, dass da drin Nachrichten vom aktuellen Befinden der Prinzessin versteckt sein sollen. Doch Frau Luksch versichert, es sei daran nichts Ungewöhnliches. „Viele Geistwesen suchen den Kontakt mit dem Diesseits. Manche haben sogar ein starkes Mitteilungsbedürfnis.“

Den direkten Draht nach „drüben“ hat Friederike von ihrem Gatten Hans Luksch geerbt. Der Gründer des Vereins der österreichischen Tonbandstimmenforscher ist vor ein paar Jahren verstorben, sitzt also heute am anderen Ende der Leitung. Als routinierter Botschafter zwischen den Welten hat er schon zu Lebzeiten beste Beziehungen zu den Schutzgeistern und Seelen geknüpft. Nach Auskunft der einschlägigen Experten führen die Zwischenwesen im Vorzimmer zum Jenseits ein Dasein, das dem irdischen gar nicht unähnlich sei.

Es ist soweit. Wir dürfen Fragen stellen. Jene Fragen, die die Welt seit Wochen bewegen: Was geschah wirklich in den letzten Minuten vor dem tödlichen Crash? War Henri Paul allein schuld an der Katastrophe? Hatte Prinzessin Diana ernsthaft die Absicht, Dodi al-Fayed zu heiraten? War sie guter Hoffnung gewesen? Und was hält sie eigentlich von dem an Massenhysterie grenzenden Trauerspektakel um ihre Person?

Zwischen den Fragen halten wir lange Pausen ein. Die Stimmen von drüben brauchen Zeit zum Antworten. Ein Rekorder nimmt das mysteriöse Geschehen auf. Anschließend wird das Band zentimeterweise abgehört. Alle Anwesenden spitzen gespannt die Ohren und versuchen, aus dem mit Kauderwelsch unterlegten Rauschen in den Lautsprechern verständliche Worte und Sätze zu filtern.

Wortmeldung. Plötzlich tönt eine sonore Männerstimme durch den Wellensalat. „Dodi under the deep bridge.“ Alle haben’s gehört. Im Saal herrscht helle Aufregung – der Kontakt ist gelungen. Zuerst hat sich Dodi gemeldet, „Dodi unter der tiefen Brücke“, womit wohl der Ort des tragischen Unfalls gemeint ist: der Tunnel unter dem Pont de l’Alma in Paris. Dann wieder Rauschen, dazwischen Wortfetzen. „Stay many persons“ und „Party here“ ist relativ deutlich zu hören. „Na bitte, der alte Playboy gibt sich’s auch im Jenseits ordentlich“, meint ein langjähriges Vereinsmitglied zu Dodis Message.

Gleich darauf meldet sich eine Frauenstimme: „Das ist die Diana!“ ist man sich einig. Eine halbe Stunde dauert das mühsame Zusammenfügen verständlicher Wortfetzen, ständig unterbrochen von heftigem Rauschen und undeutlichem Gemurmel. „Sie ist aus dem Heilschlaf erwacht, aber noch sehr schwach“, entschuldigt Friederike Luksch die schlechte Empfangsqualität. Immerhin, das Resultat kann sich hören lassen. Hier die übersetzte Zusammenfassung:

„Dodi war zuerst tot. Bin vor ihnen erwacht. Wir sind zusammen. Dodi steht hinter mir. Tausende Fragen. Nicht fürchten. Wir kennen den Dämon. Gott kommt zur Brücke herunter. Er hat den Plan.“Beeindruckend. Doch nicht ganz das, was wir uns erhofft hatten. Die wesentlichen Fragen bleiben nach wie vor unbeantwortet. Zum Glück haben wir ein paar Tage später Gelegenheit, mehr zu erfahren.

Gudrun Gruner, ein prominentes Medium aus dem deutschen Goslar, erwirkte in unserem Auftrag eine Privataudienz bei Prinzessin Diana. Wie gewohnt bezog Gudrun den Horchposten in ihrer fensterlosen Séance-Kammer. Die einzige Kerzenflamme zitterte, im Hintergrund plätscherte ein kleiner Springbrunnen. „Da war plötzlich ein kalter Luftzug, und dann hab‘ ich sie gesehen“, sagt das Medium. „Sie war schön wie immer. Gar nicht verletzt und auch nicht traurig.“ Gudrun überließ Diana den Graphitstift in ihrer linken Hand. Die Botschaft, die sie niederschrieb, steht einem Engel gut zu Gesicht.

Sie beginnt mit der Bitte um Vergebung: „Hört auf, einen Schuldigen zu suchen. Es gibt keinen. Henri Paul war krank, er hatte den Wagen nicht mehr in seiner Gewalt. Dodi war ein Freund, er wurde wie Paul von Lichtwesen abgeholt.

Liebe und Freude wollte ich in diese dunkle Welt bringen. Deshalb kam ich. Dank an alle, die um mich trauern. Seid bitte wieder fröhlich. Ich bleibe bei euch in der Erdsphäre und helfe weiter, so gut ich kann. Versucht mit mir, diesen Planeten für alle Wesen lebenswert zu machen. Wer mich um Rat bittet, wird ihn bekommen.“

Engel sind eben so.