STIL
Fahrbericht mit Fahrschein
Ein 13A-Chauffeur testet für uns sein Dienstfahrzeug und erklärt die aufwändige Technik, die uns im Straßenbild stets so herrlich alltäglich vorkommt.
Text: Philipp Stalzer
Sie gehören zur Identität einer Stadt wie die Sehenswürdigkeiten oder die Einwohner. Doch wirklich aktiv wahrgenommen werden sie kaum. Sie verrichten ihren Dienst unauffällig und gliedern sich selbstverständlich in unseren Alltag. Doch was leistet so ein Omnibus im öffentlichen Verkehrsnetz eigentlich tagtäglich und welche Technik steckt hinter dem Ding, das sich täglich dutzende Male wie ein Regenwurm durch die Straßenzüge schlängelt?
Mit seinen 18,10 Meter Länge und einer Breite von 2,55 Metern ist die lange Version, der sogenannte Gelenkbus, ja, nicht gerade klein. Die Herausforderung für den Hersteller: Das Ding so wendig und übersichtlich wie möglich zu gestalten, ohne bei Sicherheit, Komfort und Platzangebot Abstriche zu machen. Was soll an so einem rollenden Quader schon besonders sein, meinen Sie? Um so einen Bus barrierefrei hinzubekommen, ist das Ding ziemlich irre konstruiert. Die Antriebseinheit – seit der laufenden Umstellung in Wien auf Mercedes-Benz Citaro nun mit Diesel betrieben – befindet sich ganz hinten. Bedeutet: Die letzte der drei Achsen wird angetrieben und bedarf dadurch einer Stabilisierung des Gelenks in der Mitte durch Öldruck. Der Citaro weiß aufgrund des Lenkradeinschlags und des Abknickwinkels, wie viele der 1.700 Newtonmeter auf die Hinterräder losgelassen werden können, ohne einen Drift zu provozieren. Da werden ordentliche Kräfte frei, denn auch den voll besetzten Gelenkbus schiebt der 10,7-Liter-Motor mit bärigem Drehmoment – nach einer elektronischen Begrenzung im Anfahrmoment, um die Fahrgäste nicht durcheinanderzu-wirbeln – kräftig an; dank AdBlue-Abgasreinigung ist er auch sauber unterwegs. Weil sich der Beladungszustand an jeder Haltestelle ändert, arbeitet im Bus eine Luftfederung, die im Citaro die Fahrhöhe und auch den Senioren- und Rollstuhlfahrerfreundlichen Hofknicks zur rechten Seite superschnell und exakt ausführt. Eine Freude für alle Fahrgäste, vor allem die mobilitätseingeschränkten, und auch für den Lenker, der nur ein Ziel hat: den Haltestellenaufenthalt so effizient wie möglich zu gestalten, um den Fahrplan einzuhalten. Dabei hilfreich: die zackig arbeitenden, außen angeschlagenen Schiebetüren, die auch bei vollem Innenraum gut schließen, jedoch die Sicht im Außenspiegel für den Lenker auf die ein- und aussteigenden Personen behindern. Sorry, wenn wir mal losbrausen müssen, ohne nochmals die Tür zu öffnen. Die versäumte Ampelphase würde uns und den Fahrgästen schnell ein paar Minuten Verspätung einbrocken.
Mercedes-Benz Citaro G
Länge: 18,10 Meter
Breite: 2,55 Meter, mit Außenspiegel 2,95 Meter
Höchstzulässiges Gesamtgewicht: 28.000 kg
Tankinhalt Diesel: 350 l
Motor: 10,7 Liter Diesel, Reihensechszylinder, Turbodiesel mit Common-Rail-Direkteinspritzung und Harnstoff-Abgasreinigung AdBlue (EURO 6), 360 PS/1700 Nm
Getriebe: Voith Automatik 5-Gang
Sitzplätze: 40
Stehplätze: 88
Foto © Johannes Zinner