Interview

MemoryLane. Eine Runde Riesenrad mit Caroline Peters

Caroline Peters wäre Akademikerin geworden, normal. Das hätte uns um tolle Abende im Burgtheater und die herrliche TV-Serie „Mord mit Aussicht“ gebracht. Und sie um den Nestroypreis, den sie nun gewann. Weshalb wir noch einmal jene vergnügliche Frühlingsrunde Riesenrad mit der „Immi“-Wienerin drehen.

Interview: Franz J. Sauer / Fotos: Maximilian Lottmann

Sie sind jetzt bereits seit 13 Jahren im ­Ensemble des Burgtheaters. Wie kam der Kontakt nach Wien?
Gleich direkt über das Burgtheater. Und über verschiedene Regisseure, die damals von Klaus Bachler engagiert wurden. Die haben gesagt, sie würden gerne mit mir arbeiten, und da bin ich mitgegangen. Mirko Gotscheff oder Nicolas Stemann.

Sie hatten ja aber auch schon an deutschen Bühnen eine gewisse Affinität zu Elfriede Jelinek, oder?
Das ist Zufall, aber ja, das hab ich öfters gespielt. Ich mach das auch jetzt im Sommer wieder, bei der Ruhrtriennale mit Nicolas Stemann. Ich finde, das sind wahnsinnig gute Texte, unglaublich gute Texte. Eine hochmusikalische Sprache, ich finde das toll, wenn eine Literaturnobelpreisträgerin so mit Kalauern hantiert, aber gleichzeitig auch einen wirklich klugen Kommentar zu allem abgibt, was einen umgibt. Ich mag diese Mischung aus Kalauer und Wortwitz.

Gibt der grundsätzlich pessimistische Umgang Jelineks mit ihrer Heimat einen richtigen Vorgeschmack auf Österreich?
Auf Österreich vielleicht. Aber auf die Stadt Wien kann man keinen Vorgeschmack kriegen. Das ist dann doch so speziell und anders, als man sich das vorstellt. Jelinek, Bernhard – das ist ja auch so eine eigene Art, dass man als österreichischer Literat auf Österreich schimpft. Das ist auch für Österreicher aufregend und wichtig, die mögen oder hassen das, aber für einen Deutschen ist das meist gar nicht so interessant, man nimmt das gar nicht so wahr.

Fühlen Sie sich schon als Wienerin oder noch immer als Besucherin?
Weder noch. Ich glaube, Wiener, das kann man nicht werden. Das kann man nur sein. Ist eine ganz spezielle Sache, ein wenig so wie in Köln. Du kannst da nur dazugehören, wenn deine Eltern, Großeltern und die Urgroßeltern schon mit von der Partie sind. In Köln nennt man das Immis, das sind die Immigranten. Meine Familie sind eindeutig Immis, obwohl wir schon seit 40 Jahren in Köln ansässig sind. So ein bisschen geht mir das hier auch. Aber die Stadt ist mir total vertraut. Ich wohne hier gerne.

Verstehen Sie schon richtig gut Wienerisch?
Na ja, wenn Kollegen nach dem dritten Glas Wein nur noch Wienerisch reden, versteh ich kein Wort mehr. Aber das ist bei Kölsch genauso. Ich war bei einer Schulfreundin zur Hochzeit, und der Großvater – also die Familie lebt da wirklich seit dem 17. Jahrhundert –, der hat dann ein Liebesgedicht vorgetragen und ich habe kein einziges Wort verstanden.

Wie beeinflusst die Sprache das Spiel?
Überhaupt nicht, die ist so, wie sie geschrieben ist. Das ist dann Goethe oder die eine Übersetzung von Shakespeare und dann versuchen wir, so eine Art Schriftdeutsch zu reden. Da unten sitzen ja keine Deutschen oder Österreicher, sondern Kärntner, Wiener, Pfälzer, Bayern. Man kann es eigentlich so sehen, dass die sich alle auf eine bestimmte Sprache einigen. Bloß der Humor ist anders.

Kann man den antizipieren?
Nein. Es ist immer anders, als ich denke. Ich weiß noch, als wir „Höllenangst“ von Nestroy gemacht haben, Martin Kusej hat das inszeniert. Da waren drei Deutsche, Joachim Meyerhoff, Dietmar König und ich. Bei den Proben habe die immer viel Wert auf die Witze über die Religion und Rom gelegt. Und wir immer so: „Wollt ihr das nicht streichen? Das ist doch überhaupt nicht witzig.“ Dann waren das die größten Brüller im Burgtheater.

Würden Sie gerne mal in einer österreichischen TV-Serie spielen?
Ja sicher. Aber ich würde Hochdeutsch sprechen, was hier allgemein als Problem gesehen wird. Dadurch fällt das irgendwie flach. Es gibt eine Sprachbarriere in diese Richtung. Jeder Österreicher darf Deutsch sprechen, aber kein Deutscher darf Österreichisch sprechen. Das empört mich immer ein bisschen. Oachkatzlschwoaf, das kann man schon lernen, aber man darf es nicht sagen.

Wie kamen Sie vom Theater zur TV-Serie?
Durch eine Regisseurin, Isabel Kleefeld, mit der ich einen Film gemacht habe, „Arnies Welt“ und später noch andere. Aber,für den ersten haben wir beide einen Grimme-Preis bekommen und das war dann der Start.

Das war 2008, also noch vor dem großen Serienboom hierzulande.
Stimmt, damals waren Serien noch total uncool, sämtliche Kollegen haben gesagt, „lass die Finger davon, wie kannst du so was machen, jetzt bist du an der Volksbühne und am Burgtheater und dann gehst du zum Fernsehen in eine Serie. Das Allerletzte“. Ich meine, seit 50 Jahren bleiben in Deutschland alle am Sonntag daheim und gucken Tatort, und es war nie cool. Jetzt macht man das, was alle immer schon gemacht haben und wofür man die Eltern gehasst hat – aber auf einmal ist es cool.

Wie unterscheiden sich Serie und Spielfilm in der Arbeit?
Heute kaum mehr. Das war mal ein großer Unterschied, dass du wahnsinnig viel Zeit für alles hattest, beim Kino noch mehr und bei der Serie eben weniger. Jetzt hast du bei der Serie gar keine mehr und beim Kino so halbwegs. Aber qualitativ wird nicht mehr so pauschal unterschieden, was ich sehr schätze. Früher war die Unterscheidung: Wir machen Mist, wir machen mittleren Mist, oder wir machen was, was „okay“ ist. Ich finde aber schöner, immer was Gutes machen zu wollen. Man kann in jedem Genre gut oder schlecht sein.

Was macht Ihrer Meinung nach den Erfolg von „Mord mit Aussicht“ aus?
Dass wir, also die meisten Darsteller, vom Theater kommen und die Dialoge sehr genau planen. Außerdem kann man sich mit der Familie identifizieren, ich, der Chef, bin die Mama, Schäffer (Anm.: Bjarne Mädel) ist der Papa und Bärbel (Anm.: Meike Droste) die Tochter.

Chef und Schäffer …
Ha, unser liebster Wortwitz. Chef, Schäffer, am Chefsten.

Hat sich da nie wer aufgeregt, gendermäßig?
Nö, das fanden wir sogar in unserer hausinternen Genderdiskussion genau richtig. Es geht doch nicht um das Geschlecht, es geht um die Position, und die Position ist Chef. Das ist doch egal, ob die den Artikel oder den Artikel hat, ich sag doch auch nicht plötzlich „die Stuhl“.

Da begeben Sie sich aber auf Glatteis hierzulande …
In Deutschland auch. Aber bei Landeshauptfrau höre ich die Gattin raus, bei Landeshauptmann weiß ich, was gemeint ist – der Häuptling, egal welches Geschlecht. Ich höre da die Funktion. Das gilt nicht für alle Wörter, aber für solche Wörter schon.

Würden Sie gerne mal Kabarett spielen?
Ne, also Kabarett ist überhaupt nicht mein Ding. Ich gucke auch nicht Kabarett, da verstehe ich nichts davon. Ich muss da nie lachen, außer bei Josef Hader, das versteh ich irgendwie, dass das komisch ist. Und das ist auch kein Kabarett. Aber alles andere, vor allem wenn’s politisch sein soll – ne. Ich bin ja auch so Karneval-geschädigt, diese Büttenreden fand ich immer ganz, ganz schrecklich.

Und wie steht’s ums Regieführen?
Im Leben nicht! Diese depperten Schauspieler, von denen würde ich mir nicht ans Bein pinkeln lassen, das ist ja ein Alb- traum. Diese ganzen Egos zu domptieren, das wäre das Letzte, was mich interessiert. (lacht) Ich liebe Schauspieler, aber nur als Kollege.

Was würde Sie reizen, abgesehen von Darstellerin?
Schreiben würde ich gerne, das kann ich mir vorstellen. Aber sonst bin ich eher ungeeignet für die meisten Dinge. Ich habe Glück gehabt, dass mir das mit dem Schauspiel rechtzeitig eingefallen ist, als ich mit 18 die Entscheidung treffen musste.

Mit 18 erst?
Ja, mit 18 erst. Vorher war ich zu schüchtern. Ich fand Schauspiel etwas sehr Extrovertiertes und Glamouröses, das hätte ich nie auf mich projiziert. In meiner Familie sind ja wirklich alle Akademiker. Da gibt es nur ernste Berufe, alleine, dass man in meiner Familie sagt, man geht nicht auf die Uni, das musste man schnell und heimlich durchziehen. Man gibt dann praktisch öffentlich zu, dass man strunz-dumm ist. Das will man ja auch nicht.

Und hier noch der Trailer zur Komödie „Womit haben wir das verdient?“, die ab 24. Jänner 2019 auch in Deutschland zu sehen ist …

Caroline Peters
wurde 1971 in Mainz geboren, wuchs in Köln auf und studierte in Saarbrücken Schauspiel. Am Wiener Burgtheater debütierte sie 2004, ab 2008 spielte sie regelmäßig in Spielfilmen und TV-Serien, deren bekannteste, „Mord mit Aussicht“ (3 Staffeln von 2008 bis 2014), eine der meistgesehenen Deutschlands wurde. Seit Mai 2018 betreibt sie gemeinsam mit Frank Dehner art postal, ein Atelier und Verlag für Kunstpostkarten. Adresse: Margaretenstraße 47, 1040 Wien. Infos: artpostal.og@gmail.com