Interview

„Auf Verträge scheißen? Der bin ich nicht!“ – Peter Simonischek im Interview

Peter Simonischek empfängt am diesjährigen Karfreitag zum ­Interview, um seinen neuen Film „Der Dolmetscher“ zu promoten. Anders als letztes Jahr, als er 40 Tage lang keinen Alkohol trank, hat er es dieses Jahr nicht geschafft. „Meine Frau und ich haben schon 30 Jokertage verbraucht“, erzählt er lachend. Es ist einfach zu viel los in seinem Leben – Festivals, Premieren, Proben.

Interview: Manfred Rebhandl / Fotos: Maximilian Lottmann

Neulich habe ich den Kollegen Manker interviewt, er bekommt Briefe von jungen Damen und eindeutige Angebote.
Oh, wie schön für ihn!

Sind Sie befreundet?
Ob man mit dem Paulus ein guter Freund sein kann? Das weiß ich nicht. Aber ich mag ihn. Ich habe ihm ja mal den Nestroy-­Publikumspreis überreicht, und wie ich später erfuhr, hatte er selbst ein bisschen dazu beigetragen, dass er so beliebt war. Auch ein widerständiger Geist möchte geliebt werden …

Schätzen Sie das an ihm? Das Widerständige?
Natürlich. Die Angepassten werden ja immer mehr, nicht nur am Theater, auch insgesamt. Und dabei kriegt man immer deutlicher die eigene Ohnmacht vor Augen geführt. Es gibt ja so viele Teppichbeißer mittlerweile, so viele sogenannte Wutbürger. Aber in ­vielen Bereichen fragt man sich: Warum steht niemand auf, warum tut niemand was? Meine Frau sagt das jeden Tag ­mindestens einmal: Warum wehrt sich niemand? Dann sage ich einmal am Tag zu ihr: Wer soll sich denn wehren? Du musst dich wehren! Ich muss mich ­wehren! Jeder Einzelne muss bei sich anfangen, wenn er wirklich empört ist.

Peter Simonischek hat seinen berühmten Schnauzer exakt getrimmt, als wir uns zum Interview im Café Prückel treffen. „Manchmal geb ich ihn auch ganz weg“, sagt er entspannt und freundlich. Foto: (c) Maximilian Lottmann

Stattdessen fotografieren alle ihr Frühstück im Kaffeehaus und teilen es in den sozialen Medien.
Du meine Güte! Facebook ist ja gerade wirklich sehr spannend. Weil die Regierungen auf höchster Ebene sich endlich einschalten und beim Herrn Zuckerberg, dem Fatzke, vorsprechen. Aber der kommt gar nicht persönlich, sondern schickt irgendeinen Unterwuckerl vorbei, und alle müssen knirschen mit den Zähnen, angefangen von der Theresa May bis zu den Amerikanern. Wir sind da alle ein bisserl überfordert.

Sie sind sowieso zu alt für Facebook.
Das stimmt auch wieder. Ich erinnere mich an meine Großeltern, wie die irgendwann angefangen haben zu sagen: Dafür bin ich zu alt. Das gilt bei mir ohne Zweifel für Facebook, Gott sei Dank!

Andere in Ihrem Alter nehmen am Abend die Zähne heraus. Geben Sie Ihre berühmt gewordenen Toni-Erdmann-Zähne hinein, weil Ihre Gattin Sie damit so sexy findet?
(lacht) Nur am Anfang habe ich das gemacht, aber für die Journalisten, nicht für die Gattin. Dann habe ich hoffentlich rechtzeitig damit aufgehört. Falsche Zähne habe ich mir aber schon selbst an der Schauspielschule gemacht, ich bin ja Zahntechniker. In „Irma la Douce“ habe ich 22-jährig Hippolyte das Ei gespielt, den Zuhälter, inszeniert hat in Graz übrigens der wunderbare Bernd Fischerauer. Ich habe mir einen rosa Nadelstreifanzug genommen und dann hab ich mir solche Hauer gemacht mit Goldkrone und Lücke, und alle wollten welche von mir haben.

Sind Sie heute auch noch so kindisch und machen sich Zähne? Für Halloween vielleicht?
Nein, nein. Die Schwester hat ja die Praxis vom ­Vater übernommen, dadurch war ich aus dem Schneider, und der Druck war weg, Zähne mache ich sicher nie mehr.

Zur Schwester gehen Sie auch wegen der Mundhygiene?
Ja, ja, dort lasse ich alles machen. Aber einmal im Jahr gehe ich auch in Griechenland zur Zahnärztin.

Noch irgendwelche Tipps für uns ­Männer? Verwenden Sie Pitralon?
Das gibt’s noch?

Freilich! Nur nicht mehr in der schönen braunen Flasche.
„Männnnene­nener nehmemememen Pitrallollollon…“, das war die Werbung, kann ich mich noch erinnern.

„Pitralon ist kein Duftwasser, aber es wirkt“ – das war die Werbung!
Ah?

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Was soll man machen? Man wird nicht schöner im Alter. Und dann denk ich mir: Reg dich nicht auf! Du hast so viele schöne Jahre gehabt, wo sich die Leute nach dir umgedreht haben, weil du so ein fescher Hund warst, das reicht.
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Sie gelten als Womanizer. In Ihrem ­neuen Film „Der Dolmetscher“ haben Sie einen guten Tipp für uns alle parat: „Betrügen muss man mit Freude.“ ­Richtig?
Das ist nicht meine Meinung dazu, ich habe nicht die besten Erfahrungen mit dem Betrügen gemacht, eher ­beschissene Erfahrungen. Es gibt ja Leute, die können mehrgleisig fahren, ich kann das nicht. Ich bin leider so wie der Herr Karl, der ja gesagt hat: „Bei mir war immer ein bisserl auch das Herz dabei.“ Mit dem Herz dabei ist es schwierig zu betrügen.

Na geh. Wir sind ein Männermagazin.
Dann dürfen’S eines auf keinen Fall schreiben, nämlich die Wahrheit: Seit ich verheiratet bin, bin ich ihr treu. Aber das sollte eigentlich nicht einmal sie wissen!

Den Lebensfreudigen, den Sie im neuen Film spielen, müssen Sie aber nach wie vor nicht spielen?
Na, der bin ich. Außerdem bin ich glücklicherweise mit einer Frau zusammen, die das auch sehr gut kann. Egal, was wir machen, egal, wo wir auftreten, egal, zu welcher Premiere wir fahren – es wird immer vorher geschaut, wo man hinterher feiern kann!

Sie geht nie vor Ihnen nach Hause?
Nie.

Es heißt ja, wer zusammen trinken kann, der bleibt zusammen.
Voriges Jahr haben wir ganz konsequent 40 Tage gefastet und nichts getrunken. Heuer haben wir für unseren Vorsatz schon 30 Jokertage gebraucht, und nächste Woche ist Ostern! Aber gut, heuer waren halt ein paar richtige Stolpersteine dabei, die Berlinale zum Beispiel. Und dann waren wir zehn Tage in Griechenland. Und dort keinen Retsina zu trinken, und keinen Ouzo und keinen Tsipouro, das ist auch nichts.

Und in der Steiermark trinken Sie dann Schlibo?
Im Buderl, genau!

Gibt es eine Lieblingsbuschenschank?
Den Brunner und den Grabner.

Adresse?
Verrate ich nicht!

Lieber Käferbohnen oder lieber ­Backhendl?
Backhendl nie, weil die Buschenschanken dürfen ja nichts Warmes hergeben. Wenn ich ein Glück habe, dann kriege ich den Surbraten, wenn er gerade noch warm ist, weil irgendwann muss er ja warm sein, ­bevor man ihn kalt verkauft, sonst wird er ja kein Surbraten.

Lieblingswein?
Sauvignon.

Lieber als den Veltliner?
Mit dem hab ich eine Zeitlang gebraucht, ich glaube, so zehn Jahre habe ich mich gegen den gewehrt, aber jetzt mag ich ihn auch sehr gerne. Früher hab ich am liebsten den Welschriesling getrunken, den ­typischen Buschenschankwein. Und was ich auch sehr gern habe, das ist der Gelbe Muskateller, trocken ausgebaut.

Haben Sie selbst auch ein Weingut erworben, so wie der Depardieu?
Ein paar Weintrauben habe ich am Grundstück.

Haben Sie Freunde, die keine Freude haben am Leben? Sind welche weggefallen im Laufe Ihrer Karriere, die dem Druck nicht gewachsen waren?
Natürlich gibt es Menschen, gerade am Theater, die um den täglichen Impuls bangen müssen und zittern, ihn nicht zu bekommen. Es gibt daher sicher vier oder fünf Kollegen, die einfach nicht mehr gekommen sind. Einmal haben wir auf eine Kollegin vergeblich gewartet, noch während der Vorstellung hat man sie dann gefunden … das werde ich nie vergessen. Und manche haben so mit dem Alkohol gekämpft, die waren schon unter der Brücke und haben sich wieder berappelt, da ziehe ich wirklich meinen Hut.

Sie selbst standen aber nie an einer Abbiegung, an der Sie auch zum Miesepeter Simonischek hätten werden können?
Nein, obwohl es in der Familie … na ja. Ich habe vieles von meinem Vater geerbt, aber das nicht. Das gute Aussehen dafür schon! Das ist schon fast gespenstisch, wenn ich in den Spiegel schaue, dann sehe ich wirklich meinen Vater. Manchmal schaue ich absichtlich nicht hinein, dann denke ich mir: Ich habe gerade so ein gutes Gefühl von mir, jetzt schau ich da ­lieber nicht hin … (lacht)

Einmal in „Der Dolmetscher“ stehlen Sie im Hotel sehr routiniert drei Frühstücksjoghurt vom Buffet …
Jetzt fragen Sie mich, ob ich ein Fladerer bin?

Ja.
Nein!

Gibt’s ein liebstes Hotel? Sie reisen ja viel.
Das Stein am Steinplatz in Berlin.

„Ich hab vieles von meinem Vater geerbt, etwa das gute Aussehen“, erzählt Peter Simonischek. Foto: (c) Maximilian Lottmann

Ein Lieblingsfilmfestival?
Das „Sub­title“ im irischen Kilkenny. Und das in Telluride in Colorado, auf über 3.000 Metern. Dort gibt es eine Franz Klammer Lodge, und die Lindsey Vonn hab ich auch dort getroffen, die hat da ­locker mit dem Clint Eastwood und dem Tom Hanks gequatscht. Das finde ich bei der schon bemerkenswert, dass sie im Weltcup vorne mitmischt, obwohl sie in gewisser Hinsicht doch ein dichtes gesellschaftliches Programm absolviert, während die Konkurrenten nur trainieren und gesund essen.

Sex kann in dem Alter auch ein „intensives“ Training sein.
Ja, wahrscheinlich.

Hatten Sie jemals gröbere Hänger, also als Künstler? Wurden Sie von Direk­toren oder Intendanten geschnitten?
Nein, Hänger nie. Aber man könnte durchaus den Eindruck gewinnen, dass ich unter der Direktion Hartmann wenig gespielt habe, und unter ihm als Regisseur gar nicht. Aber dann hab ich mir halt immer gedacht: Ach, wunderbar! Jetzt kann ich was drehen!

Wie lange im Voraus müssen Sie denn planen?
Eineinhalb Jahre zirka. Aber das ist nicht zu vergleichen mit dem Musiktheater, wo man fünf Jahre im Voraus plant. Allerdings bist du am Schauspiel natürlich auch ein Leib­eigener, du musst jeden Tag, und das wissen die wenigsten, bis 14 Uhr erreichbar und gewärtig sein, dass du abends auf die Bühne musst, wenn es Spielplanänderungen gibt. Der Lappen muss hoch, heißt es ja immer.

Eine blöde Frage: Wie viele Rollen ­haben Sie eigentlich im Schädel?
Ungefähr fünf, die ich zugleich spiele.

Und insgesamt?
Na, man vergisst ja auch wieder! Vorletzten Sommer habe ich den Prospero gespielt im „Sturm“ vom Shakespeare, und ich habe mir vorgenommen, seinen Text zu behalten. Wenn ich den einmal im Monat wiederhole, sagte ich mir, dann geht das. Aber das ist dann wie beim Computer, man muss auch Speicherplatz räumen. Ich spiele seit 1995 „Kunst“ von der Yasmina Reza in der gleichen Besetzung, 450 Vorstellungen, das spielen wir jetzt in Berlin zum letzten Mal. Ich habe einen drei Seiten langen Monolog, und den kann ich, auch wenn ich ihn ein Jahr lang nicht gespielt habe. Aber auch diesen Text werde ich irgendwann in den Papierkorb verschieben, um beim Bild zu bleiben …

Peter Simonischek ist als „Toni Erdmann“ berühmt geworden. Foto: (c) Maximilian Lottmann

Im „Dolmetscher“ sagen Sie zu Ihrem sterbenden Begleiter: „Keine Angst, ich komme mit.“ Sind Sie ein treuer, loyaler Mensch?
Ich bin auf jeden Fall ein hilfsbereiter Mensch und ich habe eine Allergie gegen ein gewisses Maß an Egoismus. Ich bin so einer: Wenn ich in den 4. Stock hinauffahre, dann schicke ich nach dem Aussteigen den Lift immer hinunter, damit der nächste nicht warten muss.

Sie steigen im „Dolmetscher“ in der Badehose in den Pool. Wenn die ungefähr gleichaltrige Charlotte Rampling das macht, dann sagt man: Die ist aber mutig! Bei einem Mann ist das hin­gegen normal, auch wenn die Männerbrüste durchaus beeindruckend sind. Ist das gerecht?
(lacht) Nein! Und die Rampling hat ja dazu noch ein bisserl besser ausgeschaut als ich! Mir war das nicht so angenehm, da in der Bade­hose gefilmt zu werden, da hab ich mir gedacht: Jetzt hätte ich schon gern 15 Kilo weniger! Aber dann ist es mir auch wieder wurscht.

Das ist ja dann wieder genau das, was sexy macht: Dass es einem wurscht ist. Oder?
Was soll man machen? Man wird nicht schöner im Alter. Und dann denk ich mir: Reg dich nicht auf! Du hast so viele schöne Jahre gehabt, wo sich die Leute nach dir umgedreht haben, weil du so ein fescher Hund warst, das reicht. Was ich jetzt wichtig finde, und das ist auch, wo meine Frau darauf schaut: Dass man kein gschlamperter Alter wird. Da muss man schon aufpassen. Dass man sich antrenzt und es nicht merkt.

Macht sie auch diese berühmte ­Ehefraugeste?
Wo sie dem Mann die Schuppen von der Schulter klopft? Nein! Ich hab ja keine Schuppen!

Seit dem „Toni Erdmann“ sind Sie noch mal fleißiger geworden? Geben Sie noch mal richtig Gas jetzt?
Das hängt davon ab, was mir angeboten wird. Jetzt hätte ich drei Monate nach Mexiko fahren sollen, für die Serie „Better Call Saul“ …

Im Ernst?
Ja!

Einen fuckin’ German drug dealer spielen?
Ja, so irgendwas. Aber am Dienstag nach Ostern fange ich zum Proben an für ein neues Stück.

Da könnten Sie aber schon auch ­einfach kündigen und nach Mexiko fahren, Sie haben ja eh alles erreicht! Das wäre jedenfalls mein Tipp.
Aber da sag ich Ihnen ehrlich: Der bin ich nicht! Da müssten die am Theater alles umbesetzen. Außerdem habe ich ein paar Verträge auch mit Musikern für Auftritte gemeinsam in Deutschland usw. Dieser Hitzkopf, der auf Verträge scheißt, der bin ich nicht, und ich fürchte, der war ich auch nie. Aber meine Söhne sagen natürlich auch: „Mach das!“ Was soll ich tun? Ich kann da nicht über meinen ­Schatten springen. Am 27. Mai hat ­außerdem schon mein neues Stück im Akademietheater Premiere, „The Who and the What“.

Was?
„The Who and the What“. Nie gehört, was? Ein wunderbares Stück von Ayad Akhtar!

Peter Simonischek
wurde 1946 in Graz geboren. Der Zahnarztsohn lernte widerwillig Zahntechniker, an der Akademie für Musik und darstellende Künste in Graz studierte er heimlich. Seine Theaterengagements führten ihn von St. Gallen über Berlin ans Burgtheater, wo er bis heute Ensemblemitglied ist, sieben Jahre verkörperte er den „Jedermann“ in Salzburg. International berühmt wurde er mit der Darstellung des „Toni Erdmann“ in Maren Ades gleichnamigem Film. Simonischek ist mit der Schauspielerin Brigitte Karner verheiratet, er hat drei Söhne. Weitere Infos hier!

Infoporn: Der Dolmetscher
Ali Ungár (Jirí Menzel) lebt in der Slowakei und hat jüdische Wurzeln. Seine Vorfahren haben die Gräuel der Nationalsozialisten erlebt und viele nicht überlebt. Georg Graubner (Peter Simonischek) ist Österreicher und der Sohn eines ­Mannes, der sich während des Zweiten ­Weltkriegs aktiv an den Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt hat. Gemeinsam begeben sie sich auf eine Reise in die Vergangenheit und suchen Zeugen, die von der Zeit berichten können. Der Film ist eine slowakisch-österreichische Coproduktion des angesehenen slowakischen Filmemachers Martin Šulík. Ab 22. Juni im Kino.