AKUT
Archiv 2004 – Noch schwimmt sie
Fabienne Nadarajah ist Österreichs schönster Delphin. Sie ist mit allen Wassern gewaschen und doch noch ganz trocken hinter den Ohren. Nicht auszudenken, was aus ihr noch alles werden könnte, wenn sie mal aus dem Becken steigt.
Pictorial/Text: Thomas Bischof Fotos: Moritz Schell
Er greift sich irrsinnig gut an, er hat mich gezogen und von hinten angeschoben, dann habe ich ein Küsschen bekommen, was aber leider eher ein Kinnhaken wurde.“ Klingt nach einem interessanten Liebesleben. Ist aber keines. Denn Fabienne Naradajah hat kein Liebesleben. Zumindest keins mit einem Mann.
Der Lover, der ihr den Uppercut versetzt hat, lebt wie sie. Im Wasser. Und bewegt sich wie sie. Im Delphin-Stil. Bei ihm ist das nicht weiter verwunderlich, er ist ein Delphin. Bei ihr hat sich diese Fortbewegungsart erst nach und nach eingespielt. Aber jetzt ist sie der schönste Delphin Österreichs. Und fast olympiareif.
Ob die Weltklasse-Schwimmerin in Athen an den Start gehen wird, ist zu Redaktionsschluss noch nicht klar. Uns kommt es darauf aber gar nicht so an. Fabienne ist Handelsschülerin im letzten Jahr, da ist es noch nicht so eilig mit dem Ruhm. Wir nehmen sie, wie sie ist. 1 Meter 84, die Hälfte davon Beine, die andere Hälfte ein Kunstwerk, das ihr Vater mit Genen aus Sri Lanka gezaubert hat. Und das alles nur von einem Delphin und einem Exfreund geküsst.
Über ihr Privatleben will Fabienne nicht viel sagen. Aber auch darauf kommt es uns nicht so an. Wir mögen die Story der nahezu Unberührten, die trotzdem mit allen Wassern gewaschen ist. Die in ihrem Element auf die Hundertstelsekunde genau weiß, wo sie steht, aber auf festem Boden noch ziemlich schwimmt. Die ihren Körper in der Schwerelosigkeit so beherrscht, aber ihm in ihrer Konsequenz so wenig Leichtsinniges gönnt. Die kein Training auslässt, aber im Leben noch so wenig ausprobiert hat.
Wir stellen uns gern vor, wie es sein wird, wenn sie sich einmal anders fallen lässt als in die Trance beim lockeren Training, wenn sie in einen anderen Rhythmus hineinkippt als den im Becken. Und wenn das alles nicht mehr mit einem Kinnhaken endet.
Bis jetzt hat Fabienne Naradajah jedenfalls nicht das Gefühl, irgendwas im Leben versäumt zu haben. Auf „Sauforgien oder ewiges Weggehen“ steht sie nicht, und Gleichaltrigen hat sie ohnehin viel „Selbsterfahrung und die Reisen“ voraus.
Was sie sonst noch von ihnen unterscheidet, ist recht hurtig erklärt: ein etwas breiterer Rücken – „das ist bei allen Delphinschwimmerinnen so“; der erfreuliche Umstand, dass sie ihr Geld nicht bei McDonald’s ausgibt, sondern von denen welches für Werbezwecke bekommt – „außer einem Salat esse ich hin und wieder einen McChicken“; und dass sie zwar bei Zara oder bei Mango einkauft und bei Dolce & Gabbana oder bei Calvin Klein gern das eine oder andere extravagante Teil anprobiert, aber zur Präsentation eines Sportkalenders auch selbst auf den Laufsteg gebeten wird – „ich war die einzige Amateurin unter den Profi-Models, zuerst war es schon komisch, aber dann habe ich mir doch einen Spaß daraus gemacht und es wirklich genossen.“
Dazwischen läuft sie, sitzt am Fahrrad und spielt ein bisschen Cricket. Ein Sport, den übrigens ihr Vater aus Sri Lanka nach Österreich gebracht hat, wo er jetzt als Präsident des Verbandes unser Nationalteam trainiert. Bei so einem bewegten Stundenplan wundert sich keiner, dass Fabienne nicht viel hat, „was wirklich nur für mich allein ist“. Und dass sie „diese kostbare Zeit“ nicht auch noch mit irgendeinem Typen verplempern will, der da überhaupt nicht mehr hineinpasst. Denn der Rest ihrer Tage gehört der „Schweinesportart“, wie Kollegin Franziska Van Almsick es nennt.
Fabienne war sechs, als sie ihrer älteren Schwester ins kalte Wasser hinterhersprang. Bei Dominique reichte es zu ein paar Staatsmeistertiteln, Fabienne reichte es mit zwölf. Sie übersiedelte für die nächsten drei Jahre auf den Tennisplatz – wo sie ja auch ihren Exfreund her hat – und war drauf und dran, ihre Schwimmkarriere dort auf Sand zu setzen.
Was für ein Segen, dass ihr die Materie schließlich doch zu trocken war. Und dass sie den Kick, den sie in ihrem Leben braucht, „woanders einfach nicht kriegt“, wie sie sagt. „Er besteht aus Nervosität und Anspannung vor einem Rennen, aber kaum bist du im Wasser, vergisst du alles, du spürst dein Gewicht nicht mehr und fällst in eine Automatik. Manchmal kann ich mich nachher an nichts erinnern.“
Irgendwie schade bei den neunzehn Staatsmeisterschaftssiegen und der einen Bronzemedaille über fünfzig Meter Delphin bei der Kurzbahn-Europameisterschaft in Dublin. ◄