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Nachruf auf das Kaffee Urania

Sarah Wetzlmayr

Auf die Suche nach der verlorenen Zeit durfte man im Kaffee Urania nicht gehen. Und jetzt sucht man das Urania vergeblich. Ein Nachruf. 

von Sarah Wetzlmayr

Als der dritte Bezirk noch Vorstadt war und nicht Wien Mitte oder Zentrum, war das Kaffee Urania noch Mittelpunkt der sogenannten Vorstadt-Kaffeehauskultur. Ein wenig aus seiner Mitte geschoben wurde es als die Vorstadt weiter nach draußen gedrängt wurde und man sich plötzlich auf dem unbekannten Terrain des Zentrums wieder fand. Da befand es sich nun, in seinem ganzen skurrilen Dasein, so lange bis es Ende Jänner 2016 schließlich geschlossen wurde.

Gerade jetzt, wo die offizielle Spritzer-Saison am Donaukanal wieder begonnen hat und Menschen in Scharen und Hochwasserhosen ihre Pilgerwege zu diversen Hipster-Beaches wieder aufnehmen, suchen viele in der gleichen Umgebung nach klugen und sinnvollen Alternativen (wie dem Urania). Es kann auch sein, dass man es einmal probiert hat am temporären Hipster-Beach-Leben teilzunehmen um dann um Punkt 22 Uhr doch draufzukommen, dass Gespräche über Man Buns nicht ganz das richtige sind und bricht dann doch ins Kaffee Urania auf. Um 22 Uhr hatte man da auch schon ganz gute Chancen, dass der Wirt und Inhaber Hubert Horky schon aufgesperrt hat. Ganz sicher konnte man sich jedoch nie sein.

Schon viele haben sich von der türkisen Neon-Aufschrift an der Außenwand des Kaffee Urania blenden und auch täuschen lassen und darin „1 naise Hipster-Absteige“ vermutet. Falsch. Im Urania war alles nur insofern modern, als es eine Geschichte erzählt, die man auch im Jahr 2016 noch verstanden hat. Mit der Zeit gegangen ist das Kaffee Urania nicht, Hubert Horky blieb aber trotzdem niemals stehen. Er wuselte durch das Lokal, servierte Spritzer und Bier, kassierte und lief mit dem Wischmob zwischen den Tischen herum. Die Schilder mit der Aufschrift „Heute Selbstbedienung“ hingen fast immer da und bewiesen, dass im Kaffee Urania das ganz normale Gefüge von Raum und Zeit aufgehoben wurde. Heute ist immer und immer ist zeitlos. Ordentlich Zeit los wurde man auch wenn man im Kaffee Urania mal die Zeit vergaß. Aber eigentlich war das auch eine der Grundvoraussetzungen diese Alt Wiener Institution überhaupt zu betreten. Wäre Herr Hubert Horky in seinem multiplen Rollenverständnis auch noch Türsteher gewesen, hätte er bestimmt nur die Menschen reingelassen, die aus ihren Taschen zuvor die Zeit geleert haben.

Zusammengepasst hat gar nichts im Kaffee Urania. Farben und Formen waren aufeinander unabgestimmt, wie ein Ruderboot besetzt mit sechs totalen Ruder-Anfängern. Die alte Jukebox spielte auch manchmal „Auf die Liebe kommt es an“ von Peter Alexander, dem erklärten Lieblingslied des Herrn Horky. Stetig aber im Zeitlupentempo bewegte er sich zu den Jukebox-Klängen durch sein Lokal. Aber genauso wenig wie man hier eine Lupe für die Zeit gebraucht hat, durfte man sich hier mit Lupe zwischen all dem umsehen, was mit im ersten Moment als Gerümpel bezeichnet werden muss. Man hätte vermutlich sein selbstmitgebrachtes Essen sofort wieder in die Tupperbox gepackt und wäre wieder aus dem Urania hinaus und einem Man Bun und Hochwasserhosen tragenden Hipster am Weg zum Tel Aviv-Beach vor die Füße gestolpert. 

Zum Glück bleibt das Kaffee Urania nicht nur in unseren Köpfen und Herzen erhalten, sondern auch in Filmen wie „Spuren des Bösen“ mit Heino Ferch, „Vatertag“ und Folgen von „Kottan“ und „Schnell ermittelt“.

Fotos: Franz Josef S. | Yelp