ACTION

Fabian Lentsch

Maximilian Barcelli

Am Höhepunkt seiner Wettkampfkarriere verkündete Fabian Lentsch 2015 überraschend seinen Ausstieg aus der World Tour. Was ist seither geschehen? Und was sind die weiteren Pläne? Die Antworten liefert der 23-jährige „Snowmads“-Filmer irgendwo aus dem Iran.

Interview: Heinz Reich

Wilder Wiener: Fabi, du warst einer der jüngsten Skifahrer, die sich je für die Freeride World Tour qualifizieren konnten, doch im Februar 2015 hast du dich nach nur zwei Events vorerst vom Contest-Geschehen zurückgezogen. War es rückblickend die richtige Entscheidung?

Fabian Lentsch: Ja, auf jeden Fall! Ich habe es seither nie bereut. Mir haben die Rahmenbedingungen einfach nicht gepasst, außerdem wollte ich nach so vielen Jahren der Junior-Competitions und der FWT-Qualifier einfach mal etwas anderes machen, und ich glaube, das war der Weg in die richtige Richtung.

Du bist vergangenen Winter mit deinem „Snowmads“-Truck von Tirol bis in den Iran gefahren. Was unterscheidet einen Snowmaden von einem handelsüblichen Freeride-Profi?

Ist es der Reiz der Entschleunigung, jeden Kilometer einzeln zu spüren? Es ist schon eine ganz andere Erfahrung, wenn man die Länder mit dem LKW durchquert und auch über die Grenzen fährt. Man bekommt halt einfach die Zusammenhänge mehr mit. Wenn man in den Iran fliegt, dann denkt man sich: Wow – die Kultur hat sich plötzlich verändert! Es wirkt ja wie eine ganz andere Welt, so weit weg von uns. Aber wenn man wirklich von Innsbruck bis in den Iran oder nach Georgien fährt, dann erscheint einem alles viel zusammenhängender. Die Kultur und die Leute ändern sich so langsam, das ist dann kein solcher Schock. Ich glaube, mit dem Fliegen geht alles ein bisserl zu schnell heutzutage. Da gibt es ja so lustige Statements von den Indianern, die gesagt haben, man soll nicht mit dem Zug fahren, weil die Gedanken nicht mitkommen – das sei gesundheitsgefährdend. So kommt es mir mit dem Fliegen manchmal vor. Jeder jettet nur noch durch die Welt und ist schnell mal in Bali, ein paar Tage später auf Fidschi und dann wieder im Himalaya. Das ist schon krass, was da abgeht! Schau einmal, wie viele Leute auf einem Flughafen kreuz und quer durch die Gegend laufen. Da bin ich echt gern im LKW ein bisschen langsamer unterwegs und sehe mehr.Der Reisefilm ist eigentlich das konventionellste Format im Abenteuer- und Outdoorbereich. Was unterscheidet deinen Trip von denen, die du selbst bisher am Screen gesehen hast? Was versuchst du anders zu machen?

Einfach wieder richtig reisen! Nicht so: „Ich will jetzt nach Revelstoke, also flieg ich schnell nach Kanada, geh Ski fahren und flieg wieder zurück.“ Ich will einfach das Freeriden mit dem Reisen verbinden, und das kann man richtig gut mit dem Truck. Da kommt man auch in Gebiete, in denen die Leute noch nie einen Touristen gesehen haben. In Dörfer, wo man mit gebuchten Touren oder auf anderen Wegen – mit Fliegern – nicht hinkommt. Und das will ich ein bisschen mehr thematisieren. Auch mehr Story reinbringen. Den Leuten daheim die Welt präsentieren. Einfach Unterschiede aufzeigen, tiefer ins Detail gehen. Also einen Sportfilm im Doku-Style, in diese Richtung will ich in Zukunft gehen.

Einer der Hauptdarsteller bei Snowmads ist der alte Feuerwehrwagen, den du mit deinem Freund Markus Ascher umgebaut hast. Wie viele Snowmaden haben darin Platz? Und was sind die härtesten Herausforderungen, die das Auto auf deinen Touren bewältigen muss?

(Lacht) Tja, wir haben acht Betten eingebaut, aber wir sind gleich mal draufgekommen, dass sieben Leute ziemlich die Obergrenze sind, weil wir zum Beispiel nie an die Skischuhe gedacht hatten! Nachdem wir sie ins Bad gestellt haben, waren wir dreimal duschen und haben nie das Klo benutzt – denn bis wir die Schuhe hinausgeräumt hatten, waren wir auch schon draußen im Bach. Auf jeden Fall war das Platzmanagement schwierig: Wenn man vom Skifahren heimkommt, ist jeder fertig vom Hiken, dann macht man halt einmal Feuer, sollte kochen, gleichzeitig sein ganzes nasses Zeug aufhängen und die Rucksäcke nicht einfach am Boden liegen lassen, sondern gleich wegräumen, weil sonst am Gang jeder drüberstolpert.

Von Anfang Jänner bis Ende Mai 2016 warst du auf verschiedenen Etappen gemeinsam mit neun international bekannten Freeridern, sieben Fotografen und zwei Filmern im Snowmads-Truck unterwegs in der Türkei, in Armenien, Georgien und im Iran. Wie hast du dich mit so einer großen Crew gefühlt? Was war da deine Rolle?

Ich bin schnell draufgekommen, dass ich der Mann für alles war: Also wo wir am Morgen hinfahren, wo’s schneit – und wenn beim Truck irgendetwas kaputtgegangen ist, habe ich das reparieren müssen. Es war schon eine große Aufgabe. Jonas, unser Filmer, war echt super drauf, der hat ganz eigenständig agiert, um das Filmen habe ich mich also nicht so viel kümmern müssen. Aber es war halt jeden Tag irgendetwas. Die ersten zwei Monate waren super, aber dann war es schon relativ anstrengend, wenn du immer der Ansprechpartner bist.Wie schaut dein Risikomanagement beim Drehen in menschenleeren, weit entlegenen Gegenden aus?

Wir waren ganz vorsichtig unterwegs, haben uns immer in der Gruppe besprochen. Wenn jemand ein schlechtes Gefühl gehabt hat, dann sind wir entweder nicht in den Hang hinein oder sind etwas Flacheres gefahren. Man vergisst so schnell, dass man nicht daheim in Tirol ist, wo dich der Helikopter schon nach sieben Minuten am Seil hat. Wir haben immer versucht, im Kopf zu behalten, dass du bei einem Unfall schon mal ein paar Tage ohne Erste Hilfe sein kannst. Es ist dort sicher gefährlicher, aber dadurch, dass man konzentrierter bei der Sache ist und alles ein wenig genauer nimmt, sinkt das Risiko wieder.

Wie findet man großartige Schneebedingungen, wenn man in völlig unbekanntem Terrain unterwegs ist? Travis Rice schickt bei seinen Produktionen schnell mal ein paar Helikopter zum Auskundschaften raus. Aber du hast ja nur eine Landkarte und ein Auto zur Verfügung.

Es ist natürlich schwierig. In der Türkei sind wir dem Snowforecast gefolgt. Einmal sind wir in so ein rot markiertes Gebiet gefahren, wo eigentlich ein Meter runterkommen hätte sollen, und dann war da nichts. Gar nichts! Dann sind wir weiter ans Meer gefahren und haben auf einmal einen Meter fünfzig Schnee gehabt! Es hat also viel zum Dazulernen gegeben. Ich habe auch immer versucht, mit den Einheimischen zu reden. Oder mit den Leuten von der Schneeräumung. Die haben oft gewusst, wo viel Schnee ist. Man muss einfach die Augen offen halten und mit den Leuten reden. Das ist das Schöne, wenn man mit dem LKW unterwegs ist.

Du bist in Gegenden unterwegs, die politisch nicht gerade Sehnsuchtsorte sind. Mit der Türkei oder dem Iran assoziiert man autoritäre Regime, religiöse Fanatiker, Unterdrückung der Frauen – wie nimmst du diese Länder auf deinen Reisen wahr?

Natürlich ist die politische Situation im Iran schwierig und Frauen müssen den Hidschab tragen. Aber es gibt überhaupt keine religiösen Fanatiker. Das Land ist eines der sichersten, in das ich je gereist bin. Ich habe mich in der Türkei – auch vor dem Putschversuch – unsicherer gefühlt als im Iran. Diese Ängste werden von Medien geschürt, weil der Iran Grenzen zu Afghanistan, Pakistan und dem Irak hat – aber im Iran merkt man überhaupt nichts und ich habe eigentlich nur positive Eindrücke mitgenommen.

Siehst du dich eigentlich nach wie vor als Freeride-Pro, der dem Powder nachjagt – oder als Extremreisender, dem der Schnee neben so vielen anderen Dingen gut ins Leben hineinpasst?

Das versuche ich selbst gerade herauszufinden. Ich will natürlich das Sportliche weiterhin pushen – eben als Skifahrer die coolen Lines fahren. Aber den Sport mit dem Reisen zu verbinden, das ist mein großes Ziel.FABIAN LENTSCH:
Geboren am: 24. Mai 1993 in Völs
Größte sportliche Erfolge: Sieg beim FWQ 4*-Contest in Obergurgl (2014), Sieg beim Pitztal Wild Face (2012)
Filme: „Time For The White Room“ (2012), „Passenger“ (2015), „Snowmads“ (2016)
Ausrüster/Sponsoren: Scott, Marker, Red Bull
Im Netz: fabianlentsch.comsnowmads.worldAuf seiner Reise wurde Fabi unter anderem von Roman Rohrmoser und Tobi Tritscher begleitet, das Resultat ist die spannende Doku „Snowmads – A Journey Towards Eastern Suns“, die am 18. November in der Salzburger Panzerhalle in voller Länge zu sehen sein wird – ebenso übrigens wie Fabi selbst und sein Snowmads-Truck. Weitere Infos zum Film gibt es auf: snowmads.worldFotos: Jonas Blum/NINE&ONE/Red Bull Content Pool, Ruedi Flück/NINE&ONE/Red Bull Content Pool, Elias Holzknecht/NINE&ONE/Red Bull Content Pool