Stermann: Auf dem Kriegspfad

WIENER-Kolumnist Dirk Stermann als Scout, der drei indianische Freunde mit Neigung zum intensiven Alkoholkonsum durch das nicht ganz so friedliche Österreich begleitete.

WIENER-Kolumnist Dirk Stermann als Scout, der drei indianische Freunde mit Neigung zum intensiven Alkoholkonsum durch das nicht ganz so friedliche Österreich begleitete. Eine Erfahrung, gegen die ein Zwischenstopp am Marterpfahl wie ein Wellness-Wochenende anmutet.

Indianer spielen als Kinder nicht Cowboy und Indianer. Indianer spielen als Kinder Wikinger. Meine indianischen Freunde Max Trouble in Front, Woody No Ears und Milo Running Standing Hairs haben mir diese erstaunliche Information gegeben. Die drei gemütlichen Sioux kommen aus einem heruntergekommenen Reservat in Süd-Dakota und sind Spitzentypen. Ihr Reservat Pine Ridge sieht aus wie die Nachgeburt der Erde. So trist, dass selbst hartgesottene Kerle beim Anblick losheulen müssen. Alle arbeitslos und alle Alkoholiker. Die meisten beides.

Max, Woody und Milo hab’ ich in der No Name City kennengelernt, wo sie mit zwei verfeindeten Indianerstämmen aus Niederösterreich die Friedenspfeife rauchten. Sie tingeln seit Jahren mit ihrer Holzpfeife von Hobbyindianerstamm zu Hobbyindianerstamm, und für 1.000 Euro begraben sie feierlich jedes Kriegsbeil. Nach der Zeremonie graben sie es sofort wieder aus, weil der nächste Konflikt schon wartet. Da die drei Lakota zu betrunken zum Autofahren waren, hab’ ich sie durchs kriegerische Indianerland Österreich gefahren, von Marterpfahl zu Marterpfahl. Ich hab’ sie alle besucht: den Buffalo Club Hallein, die Golden Eagles Leoben, den Vienna Western Club, die Waldviertler Träumer, die Irokesen Imst, Old Manitou Ybbs und Tashuunka Salzburg/Land, wo Häuptling Jochen meinen drei Ureinwohnern erklärt hat, wo der Indianerbartel den Most holt.

Jochen erläuterte ihnen die Bedeutung des Büffels für die Prärievölker, während Max Trouble in Front sich in Häuptling Jochens Tipi übergab. Woody No Ears, Milo Running Standing Hairs und ich mussten uns zwischen sie werfen, denn der Häuptling wurde wütend und brüllte in seinem Pongauer Dialekt wüste Beschimpfungen. Schließlich war es ein indianisches Originalzelt, gegen dessen Wand der Originalindianer gespieben hatte. Wir fuhren ab, ohne das Kriegsbeil zwischen den Komantschen aus Kufstein und den Apachen aus Kühtau begraben zu haben. Später lasen wir in der Tiroler Tageszeitung, dass drei der verfeindeten Tiroler Indianer mit Pfeilen im Bauch und abgeschnittenem Haar gefunden worden waren.

Häuptling Jochen war Musiklehrer aus St.Wolfgang. Sein dünnes, blondes Haar war zwar untypisch für einen Indigenen, aber er fühlte sich als Wiedergeburt von „Tatanka Iyotanka“, dem legendären Sitting Bull. Meine betrunkenen Lakota und ich mussten sehr lachen, wenn der schmalbrüstige Jochen zum Kriegstanz ansetzte und dabei seine randlose Brille verrutschte. „Warum wollen die alle so gern Indianer sein?“ fragte ich einmal Milo Running Standing Hairs. „Keine Ahnung. Ich würd’ sofort mit jedem von euch Bleichgesichtern tauschen“, antwortete Milo. „Auch mit Häuptling Jochen?“ fragte Max Trouble in Front. „Nein“, sagte Milo. „Dessen Tipi stinkt!“ Wir lachten und ich kaufte ihnen an der Tankstelle noch ein paar Flaschen Jägermeister.

„Und jetzt? Zu welchem Stamm fahren wir jetzt?“ erkundigte ich mich. „Nach Hennersdorf. Zum Verein für kulturelle Inkompetenz!“ Woody No Ears, der so hieß, weil einem seiner Vorfahren ein Bär seitlich in den Kopf gebissen hatte, gab mir die Broschüre vom Trommeltipi Hennersdorf. Der Verein für interkulturelle Kompetenz hatte ein tolles Programm im Trommeltipi im Angebot: „Schminken, Speckstein schnitzen, eine Kette basteln, ein Lied in Zeichensprache lernen und gemeinsam mit dem Indianer tanzen“. Für Kinder kostet’s 8, für Erwachsene 6 Euro Eintritt. Woody hatte den Job übers Internet bekommen. Zwölf Stunden lang mit Hennersdorfer Kindern tanzen für 250 Euro. Als wir ankamen und die Türen meines Wagens sich öffneten, wehte eine ordentliche Jägermeisterfahne zum Trommeltipi. Die Interkulturellen Kompetenzler waren schockiert. „Noch nie einen betrunkenen Indianer gesehen oder was?“, lallte Max Trouble in Front. „Gib mal her“, blaffte er ein Kind an und nahm ihm die selbstgemachte Kette aus der Hand. „Was soll das sein? Eine Original- Indianerkette? Aus Plastik? Wo bitte wächst Plastik in Süd-Dakota, kannst du mir das mal sagen oder einer von den anderen inkompetenten Schwachköpfen hier?“ Ich sah es kommen. Er begann zu würgen und dann kotzte er gegen die Außenwand des Trommeltipis. Die Kinder weinten und ich verlor langsam die Lust an dieser Art von Tagesgestaltung. Ich brachte sie zurück zur No Name City. Das letzte, was ich von ihnen hörte, war, dass sie im ORF bei „Die Große Chance“ als A3-Doubles aufgetreten sind.