Karriereende: Thomas Morgenstern verabschiedet sich vom Weltcupzirkus
Der Abschied im Hangar-7 war geprägt von Emotionen. „Auch wenn es mir nicht leicht fällt, treffe ich diese Entscheidung mit einem guten Gefühl. Ich blicke mit Stolz und Dankbarkeit auf die vergangenen Jahre zurück und möchte keinen Moment missen“, fand der 27-Jährige die passenden Worte.
Die Karriere von Thomas Morgenstern war geprägt von vielen Hochs und einigen Tiefs. Mit nur 16 Jahren landete er in Liberec sensationell seinen ersten Weltcupsieg. 2006 holte er bei den Olympischen Spielen in Turin zwei Goldmedaillen (Einzel und Team). „Das war mit Sicherheit einer der schönsten Momente in meiner Laufbahn.“
Goldhamster. Kein Wintersportler in Österreich konnte mehr Medaillen (20) bei Großereignissen gewinnen: Olympische Spiele 4 (3x Gold, 1x Silber), Weltmeisterschaften 11 (8x Gold, 2x Silber, 1x Bronze), Skiflug-WM 5 (3x Gold, 2x Bronze). Auch sonst hatte der Kärntner jedes seiner gesetzten Ziele erreicht: 2x Sieger im Gesamtweltcup (2007/08, 2010/11), Sieger der Vierschanzentournee (2010/11). Lediglich der Einzeltitel in der Skiflugweltmeisterschaft blieb dem Ausnahmetalent verwehrt. Im Weltcup stand er insgesamt 76 mal am Podest, davon 23 mal ganz oben.
Abstürze. Jedoch musste Morgenstern auch mehrere Rückschläge in Form von Stürzen hinnehmen. In Kuusamo 2003, Liberec 2009 (auf dem Weg zu einer sicheren Medaille) oder Kuopio 2009 (im Training) blieb er von gröberen Verletzungen verschont. 2013 stürzte er in Titisee-Neustadt bei der Landung und zog sich neben Aufschürfungen im Gesicht (Zitat: „Es war als hätte mir Klitschko eine Gerade verpasst.“) auch einen Bruch des linken kleinen Fingers zu. Tags zuvor hatte er seinen ersten Weltcupsieg seit zwei Jahren gefeiert. Nach einem raschen Comeback holte sich der Kärntner mit einer Spezialschiene am Finger den zweiten Platz bei der Vierschanzentournee.
Comeback. Zwei Wochen darauf stürzte er beim Skifliegen am Kulm aus großer Höhe auf den Vorbau und zog sich schwere Verletzungen an Kopf und Lunge zu. Mit eisernem Willen und optimaler Unterstützung aus seinem Umfeld kämpfte sich das Stehaufmännchen erneut zurück und holte bei den Olympischen Spielen in Sochi mit dem Team die Silbermedaille. Was zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststand: Es sollte der krönende Karriereabschluss des Superadlers sein.
Willenskraft. Es folgte nach einer kurzen Auszeit die intensive Vorbereitung auf die Saison 2014/15, auch mit dem Ansporn des neuen Cheftrainers Heinz Kuttin, der bis dahin als Morgensterns Stützpunkttrainer in Villach agierte. Die körperlichen Werte entsprachen zuletzt der Idealform, doch die mentale Komponente blieb ein Fragezeichen. „Ich habe intensiv gearbeitet, regelmäßig Therapie gemacht und mich Schritt für Schritt an die Schanze herangewagt. Doch auch wenn das Gefühl manchmal recht gut war, hat mich jeder Sprung enorm viel Energie gekostet.“
Vernunft. Nach dem letzten Teamtraining in Innsbruck kam es schließlich zur Entscheidung: „Ich habe wieder ein Brett kassiert und sofort mit den Armen durchgerudert. Da wusste ich, dass das so nicht funktionieren kann. Meine innere Stimme hat ‚Nein!’ gesagt. Mit 20 Jahren wäre das etwas anderes gewesen. Aber jetzt bin ich 27 Jahre alt, habe alle meine Ziele erreicht und bin stolzer Vater einer Tochter. Ich denke ich muss niemandem mehr etwas beweisen!“
Emotionen. Das Gefühl nach seiner Entscheidung beschreibt Morgenstern so: „Um ehrlich zu sein bin ich erleichtert. Es ist eine Last von mir abgefallen. Ich blicke mit Stolz und Demut auf die vergangenen Jahre zurück, die mir so viele schöne, unvergessliche Momente beschert haben. Aber jetzt ist es Zeit für mich aufzuhören und mich neuen Zielen zu widmen. Ich blicke meiner Zukunft aufgeregt und optimistisch entgegen.“
Ziele. Welche das sind, wollte der Kärntner noch nicht genau definieren: „Mir schweben da einige Ideen im Kopf herum, wie etwa der Berufspilotenschein für den Helikopter. Näheres will ich aber noch nicht sagen, dazu ist es jetzt noch zu früh. Die kommenden Wochen werde ich für mich nutzen, viele Gespräche führen, Dinge tun die ich schon längst machen wollte und natürlich viel Zeit mit meiner Familie und meiner Tochter Lilly verbringen.“
Dankbarkeit. Morgenstern nutzte außerdem die Chance, um seine Dankbarkeit auszusprechen: „Dankeschön an meine Wegbegleiter, Manager, Sponsoren und meine Familie, speziell an meine Mutter und meinen Vater. Es würde jetzt den Rahmen sprengen jeden einzeln aufzuzählen, aber ohne euch wäre ich nie so weit gekommen. Mein spezieller Dank gilt auch den vielen großartigen Fans, die mich in den Hochs gepusht und mich in den Tiefs wieder aufgebaut haben. Dieses Gefühl des Rückhalts ist eines der schönsten, das es gibt. Ihr werdet auch in Zukunft auf meiner Homepage, Facebook und Twitter von mir hören!“
Zukunft. Ob oder wie er dem Skisprungzirkus erhalten bleibt, weiß der Kärntner noch nicht genau. „Ich werde heuer sicher bei dem einen oder anderen Springen vor Ort sein, um meine ehemaligen Teamkollegen anzufeuern. Der Rest wird sich weisen.“