• Das große WIENER Sex-ABC 2016

Sex in Zeiten der Austerität. Ein Knigge zur Belebung der horizontalen Konjunktur. Von Adam bis zum Zipless Fuck2.0

von Manfred Sax

Alles im Leben dreht sich um Sex. Außer Sex. Beim Sex geht es um Macht.“ So sah es mal Oscar Wilde. So sieht es heute Francis Underwood (Kevin Spacey) in House of Cards. Er hat leicht reden. Noch ist er Präsident der USA, seine Demontage beginnt erst kommenden Februar (Staffel 4, Netflix). Aber der Rest der Welt lebt das Zeitalter der Austerität, der Sparsamkeit und Entbehrung.

Mit Sex in Zeiten der Austerität ist das so eine Sache. Affären, zum Beispiel, sind teuer, und Kindermachen sowieso. Landest du mal vor Anbruch der Müdigkeit gemeinsam im Bett, siehst du heute lieber fern (siehe Studie unter N wie Netflix).

Eine Quelle, die es wissen muss, bringt es auf den Punkt: Wir haben heute weniger Sex. Im Schnitt nur noch dreimal pro Monat bzw minus 40%, verlautet Kondomfirma Durex, auf Basis der sinkenden Verkaufszahlen.

Dennoch kann von Nullbock nicht die Rede sein. Jede achte Internetsuche führt zum Planeten Porno, also in die zwischenmenschliche Sackgasse. Aber immerhin: Die Sehnsucht lebt. Nur kommt die moderne Inspiration zur Belebung der horizontalen Konjunktur immer häufiger von zeitgemäßen Quellen. Man muss sie nur finden. In diesem Sinne: Let´s go. Beginnen wir von vorn. Bei

Adam.

Damit ist nicht der erste Mensch gemeint, sondern eine holländische Girlband. Deren fünf Mitglieder auf die Idee gerieten, zur Video-Performance ihres Liedes Go To Go mit integriert aktiviertem Vibrator anzutreten. Weil sie sonst nichts haben, wie sie singen. Das bringt zwar textlich keine nennenswerte Enthüllung, sehr wohl aber Höhepunkte. Die ihren Gesichtern abzulesen sind, wo die Kamera während der Aufnahme verharrt. Sehr animierend, wie 17 Mio Zugriffe auf YouTube beweisen, die wahren Abenteuer sind eben im Kopf. Und ein kompetentes Statement: Während Frauenmagazine noch immer nach Wegen zum Orgasmus suchen, zeigen Adam, wie man einen hat. (siehe auch „Q“)

Butthoven.

Unsere Sexualkultur sei am Arsch, klagt der deutsche Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch, es fehle erotische Kunst. Offenbar hat er die amerikanischen Burleske-Künstlerin Michelle L´Amour (35) noch nicht erlebt, deren Arsch ausgesprochen hochkulturell unterwegs ist. In der „Butthoven“ genannten Episode ihrer Auftritte dirigiert sie Beethovens Fünfte – und zwar, ja, mit ihren strategisch entblößten Backen. Womit sie der zeitgenössischen Sexualität genau jene erotischen Akzente verabreicht, die Sigusch so vermisst.

Challenges.

Es muss nicht immer ein Icebucket sein, das wäre sexuell gesehen ohnehin etwas abregend. Heute gibt es auch die CameltoeChallenge für sie und die CondomChallenge für ihn. Sie funktionieren nach ähnlichem Muster, soll heißen, man wird nominiert. Aber während erstere immerhin einen guten Zweck vorgibt (Hinweis auf Gebärmutterhalskrebs), um per „Kamelzehe“ die Exhibitionistin raushängen zu lassen, braucht es für die CondomChallenge nur die Absenz von Intelligenz. Ein Kondom ist enorm elastisch, es nimmt verdammt viel Wasser auf. Verletzungsmeldungen werden stündlich erwartet.

DroneBoning.

Abteilung Voyeurismus. Drohnen, also unbemannte Luftfahrzeuge, sind heute immer und überall. Und „Boning“ ist machbar, wenn ein zuvor schlaffer Penis sozusagen zum Knochen (Bone) wird. Womit die Macke „DroneBoning“ ausreichend beschrieben ist. Heutzutage sind etliche Drohnen unterwegs, um Pärchen beim horizontalen Treiben in freier Natur zu filmen. Also geben Sie acht.

Elderhumping.

Bei all der neuen Technologie, die uns umgibt und den Nerd in uns begünstigt, wird eine Frage selten gestellt: Was ist nun eigentlich mit den Alten los? Was tun die BabyBoomers? Ganz einfach: Sie leben länger, sie leben gesünder – und sie schenken einander eifriger ein als die früheren Alten. Elders hump (= Alte bumsen). Und warum nicht? Nun, zum Beispiel, weil sie es auch noch immer treiben, wenn sie schon lange unfruchtbar sind – und daher auf Safe Sex verzichten. Das heißt unter anderem, dass heute auch Geschlechtskrankheiten wie Chlamydien in ihrer Generation eine satte Renaissance widerfährt. Hm.

© Jean Malek / Pinterest

Fapstronauten.

Fap – das ist weder ein bislang unbekannter Planet noch die Abkürzung für eine politische Partei. Es ist ein anderes, urbanes Wort für Masturbation. Die, so meint eine „noFap“ getaufte Community, aufgrund von exzessivem Pornokonsum außer Kontrolle geraten kann. Ja, die Fapstronauten sind eine Pornoerholungsgemeinschaft. Sie bietet via Webseite Wege an, 90 Tage masturbationsfrei zu leben. Wählbar bei Bedarf auch ein superharter Modus, das wären dann 90 Tage orgasmusfrei. Und warum? Weil dann Superkräfte winken, was sonst.

Glance bzw: Google Glass Sex.

„Erlebe schöne Momente noch schöner“, wirbt die Webseite. Und bietet die App dazu kurzfristig gratis. Glance ist eine Art Partnerselfie. Eine Brille, die dir gestattet, den Akt von der Perspektive des Partners zu sehen. Und ist der Akt mal vorüber, kannst du den gewonnenen Videostream beispielsweise aufs Partnerhandy laden. Tja. Allerweil, hätte Narziss das erleben dürfen.

Handjob-Nurses.

Ist die Dominanz des Blowjobs in der populären Kultur am Ende? Gibt es Alternativen zu jenem ausgereizten filmischen Stehkader, wo zwei Köpfe küssend vereint sind, und ein Kopf sich dann langsam Richtung Süden bewegt? Ja, seit Walter White (Bryan Cranston) sich in Breaking Bad neben seiner Skyler (Anna Gunn) im ehelichen Bett räkelte und sein harmloses “what´s up?“ ihren Handjob inspirierte (“you tell me, birthday boy.“), hat Sex in der Filmwelt eine frischere Note. Und mit dem Horrorstreifen „Handjob Cabin“ (sinniger Weise mit Breaking Bad´s Aaron “Jesse“ Paul in der Hauptrolle) eine gefährliche Seite.

Interaktive Abenteuerwahl.

Ein Dreier, Sex mit einer Fremden oder eventuell was Gröberes, vielleicht wollen Sie ja auch mal Ihre Gattin beim Gangbang ertappen? Interaktive Romane gibt es schon lange, seit nicht ganz so lange haben diverse Verlage ihr Repertoire auch mit der Abteilung „Folge Deiner Fantasie“ erweitert. Sowas eignet sich auch als Geschenk zum Valentinstag. Na?

JapanKink.

Geht es um „kinky“, also um verrückten bis abnormen bis spleenigen Sex, haben die Japaner den peitschenverliebten Briten schon lange den Rang abgelaufen. Und apropos Briten: In Tokios Nachtbezirk Shinjuku erfreut sich ein neuer Pub-Typus ominöser Beliebtheit: das Sexual Harrassment Pub, ein Ventil für Belästiger im Geiste. Da kann man nur Sayonara sagen.

Khalifa, Mia.

Sie ist 22 Jahre alt, kommt aus Beirut und arbeitet seit einem Jahr im Pornogewerbe. Den Hijab legt sie dabei nicht ab, sonst aber alles. Mit logischen Konsequenzen: Laut Pornhub, dem größten einschlägigen Onlineportal, ist sie der größte Star der Szene. Mit bis zu 8 Millionen Konsumenten pro Filmchen. Klar, dass die Zugriffe vor allem im Nahen Osten auf viral stehen. Von dort kommen auch die Todesdrohungen. Sie selbst sieht sich als Pionierin der Frauenrechte im Libanon. „Es ist mein Körper, ich kann damit tun, was ich will“, sagt sie.

LustCinema.

„Stell dir eine Pornoszene vor – eine Blondine mit Melonentitten, dazu einen Mann mit einem Schwanz wie ein Hengst. Sie gibt ihm einen Blowjob. Warum? Weil er sie rettete, als sie eine Autopanne hatte …“ Also erzählte Pornoproduzentin Erika Lust anlässlich ihres legendären TEDtalks in Wien. Die großartige 38jährige Schwedin ist seit zehn Jahren im Business tätig und multiple Absammlerin von Preisen. Weil Porno auch Frauensache ist und nicht so blöd sein muss wie oben geschildert. Seit fünf Jahren unterhält sie auch das LustCinema, finanziert durch Crowdfunding.

MakeLoveNotPorn.TV.

Das Problem mit Porno ist, dass es Porno ist. Auch sogenannter Amateurporno hat nichts mit Amateuren zu tun. Meint die englische Werbeunternehmerin und Oxford-Absolventin Cindy Gallop (55). Weil es aber wichtig sei, realistischere Informationen zur menschlichen Sexualität zu verbreiten, etablierte sie das Portal MakeLoveNotPorn. Dort teilen Menschen sexuellen Content, die mit Porno nichts am Hut haben. Nicht gratis, aber interessant.

Netflix.

Die interessantere Popkultur, meint Kevin Spacey, kommt schon lange nicht mehr via Kinoleinwand zum Konsumenten. Sie kommen über neue Quellen wie Netflix zu uns. Eine neue Studie (des amerikanischen Instituts TDG Research) unterstreicht den Stellenwert dieser Quelle in Relation zu Sex. Demnach widmet der typische Amerikaner täglich 90 Minuten dem Konsum von Netflix, aber nur zwei (!) Minuten dem Genuss von Sex. Aber zum Glück stehen die beiden Elemente in Wechselwirkung (siehe X und Y für weibliche und männliche Sexsymbole).

Oberschenkelkluft (Thigh Gap).

Gemeint ist jener Freiraum, der zwischen den Innenseiten einer aufrecht mit geschlossenen Knien stehenden Frau augenfällig wird bzw werden kann. Denn natürlich braucht sie die richtigen Beine dafür, also solche, die ohne überflüssiges Fettgewebe auskommen und außerdem an generöse Hüftknochen fixiert sind. Den eleganten Rest erledigt der Musculus quadriceps femoris. Ja, jede Zeit hat auch ihre eigenen gefeierten Attribute, mal war es der Busen (Wonderbra!), dann wieder der Arsch. Zuletzt war es die Thigh Gap, dank einer Kampagne von Victoria Secret.

© by Raul654, Lizenz: CC BY 1.0

Piggate.

Immer wieder einmal sind es auch Politiker, die unsere sexuellen Vorlieben beeinflussen, man denke an Ex-Präsident Bill Clinton. So gesehen kann man nur hoffen, dass die vergangenen Herbst geschehene Enthüllung über Englands Premierminister David Camerons Studententage nicht Schule macht. Demnach hatte er, wie offenbar alle männlichen Oxford-Absolventen, „einen Teil seiner Anatomie in eine Schweineschnauze inseriert“. Obwohl Tierquälerei nicht vorlag (das Schwein war tot), wurde die Sache als #Piggate notorisch.

Quest4orgasm.

Abteilung Orgasmus, weiblich. Die Suche nach ihrem „O“ ist so alt wie die Entdeckung der weiblichen Lust, nur gestattet neue Technologie heute ganz andere Wege. Zum Beispiel Blogs. Die nun berühmte amerikanische Sexbloggerin Crista Anne hat daraus eine Karriere gemacht. Nach Geburt ihres dritten Kindes verlor sie die Fähigkeit zu orgasmieren, soll heißen, per Sextoys oder Partner kommt sie sehr wohl zum Höhepunkt, nicht aber per Masturbation. Und das verursachte ihr Depressionen, denn „Masturbation ist Teil meiner Identität“. An dieser Identitätsfindung lässt die „Regenbogenrevolutionärin“ die ganze Welt teilnehmen. Mit imposantem Erfolg.

RevancheSex,

oder auch: ReboundSex. Eine vor allem in Universitäten florierende sexuelle Variante. Laut einer Aufsehen erregende Studie, die als Buch Bestseller wurde (*), hat jede(r) dritte Student(in), der oder die vom Partner gestanzt wurde, binnen vier Wochen Sex mit einem oder einer Anderen. Motiv: Revanche. Wobei die Experten zur Studie durchaus meinen, dass dies eine gesunde, die aufgewühlten Emotionen glättende Sache sein kann. Sollten aber die Revanchesexer auch nach einem Jahr noch mit den „Neuen“ zusammen sein, könne das nur heißen, dass die mit der Trennung verbunden negativen Emotionen noch nicht überwunden seien. Und das sei nicht gesund.

(*) Rebound Sex by Lindsay L. Barber & Lynne Cooper, Uni Missouri 2014

SelfieAfterSex.

Genau das, was die Worte besagen. Und ebenso originell, mit Stick oder ohne. Selfies sind die Plage unserer Tage, warum also nicht nach dem Sex.

True Love Tester.

„Wo sie lieben, begehren sie nicht, und wo sie begehren, können sie nicht lieben.“ Schon Freud hatte über diesen leidigen Zusammenhang von Sex und Liebe gegrübelt. Und in der Tat gibt es heute noch Menschen, die ohne Liebe nicht sexen wollen. Zumindest für Frauen glaubt die japanische Firma Ravijour dieses Problem gelöst zu haben. Durch Entwicklung eines smarten, True Love Tester genannten BHs, der sich nur öffnen lässt, wenn das erhöhte Herzklopfen der Trägerin, nun, eben einen Zustand signalisiert, der das Ereignis „Liebe“ verheißt. Nicht ohne Grund wird das smarte Ding auch Keuschheits-BH genannt.

UNIQLO.

Die Bekleidungsfirma Uniqlo ist in China so trendy wie nirgendwo sonst. Das hat weniger mit der Mode, sondern vielmehr mit einem Video zu tun, das ein chinesisches Pärchen beim Sex in der Umkleidekabine einer Uniqlo-Filiale zeigt. Der 71 Sekunden kurze Clip sprengte in China alle Rekorde, die Filialen werden seither von abenteuerwilligen Swingern angepeilt.

VRPorno bzw Virtual Reality Porno.

Seit Porno jederzeit gratis abrufbar ist, steckt die Branche in der Krise. Mit Sonys „Project Morpheus“ genannter VR-Technologie scheint aber eine mögliche „Rettung“ gefunden, egal, ob wünschenswert oder nicht. Das wie eine Monsterbrille vor die Augen gestülpte Ding suggeriert dem Konsumenten buchstäblich, die gefilmte Dame zu besteigen. Meint jedenfalls Guardian-Journalist Stuart Heritage, der Morpheus unter vielen entsetzten „Herrgottnochmals!“ getestet hat.

Wubbing

ist ein Tanztrend für Männer aus den USA, der offenbar kaum zu bremsen ist. Man tanzt mit Wub, einem wabbeligen, wenn auch halbwegs stabilen Stoffding, das vor den Unterleib geschnallt wird ­– und dann passend zur Musik gerüttelt. Sieht aus wie ein Gangbang, bei der das Objekt der Penetration fehlt, ohne dass es der Gang auffällt. Skurril.

X-Typ

bzw Sexsymbol, weiblich. Auffallend viele Protagonistinnen der populären aktuellen TV-Serien haben psychische Probleme. Carrie Mathison (Claire Danes), CIA-Agentin in Homeland, leidet unter bipolarer Störung, die umwerfende Saga Noren (Sofia Helin) von Bron (die Brücke) ist Autistin. Ebenso interessant wie originell daher, dass insbesondere Saga, die sozial nicht funktioniert, im Bett keine Probleme hat. Sie weiß genau, was sie dort will, nämlich Sex. Und nur Sex. Angenehm. Bekanntlich denken Frauen beim Sex immer gleich ans Küssen. Aber Saga will davon nichts wissen.

Y-Typ

bzw Sexsymbol, männlich. Wir leben in einer Zeit, in der Justin Bieber als Rebell gehandelt wird. Ja, Vorzeigemänner sind rar. Zum Glück läuft dieser Tage die dritte Staffel von Peaky Blinders – Gangs of Birmingham an. Mit Cillian Murphy als Tommy Shelby. Einer jener raren brutalen Gangster, dem man trotzdem beim Widerstand gegen die Staatsmacht beide Daumen drückt.

Zipless Fuck.

Dieser „Fick ohne Reißverschluss“, ein fabelhaftes Ereignis, in welchem weder der Mann nimmt noch die Frau gibt, ist die Erfindung von Erica Jong (73), verewigt in ihrem Bestseller Angst vorm Fliegen (1973). Nun hat sie ein Sequel geschrieben: Angst vorm Sterben. In welchem die mit ihr gealterte Protagonistin demonstriert, dass es von allen Wünschen und Bedürfnissen der Sexualtrieb ist, der zuletzt stirbt. Ein Quantum Trost, immerhin. Du magst mit 70 an den Tod denken, Mann, aber du hast immer noch Bock. Halleluja.