Mode

Turtleneck

Sarah Wetzlmayr

DER TRENDSETTER

Der Turtleneck ist wieder da

Kremple ihn, roll ihn, gib ihm Tiernamen – der Turtleneck ist zurück und geht Hemd und Krawatte gerade ordentlich an den Kragen.

Waren Sie schon bei einer Fashion Week? Nicht? Dann lassen Sie es mich kurz beschreiben. Was sich da abspielt, kann man hierzulande bei einer gräflichen Gatterjagd beobachten, wie sie von einem gewissen Herrn Mensdorff-Pouilly im Burgenland regelmäßig ausgerichtet wird. Da werden arme Säue über einen hermetisch abgeriegelten Landstrich getrieben, von Trendsettern wie mir und anderen wilden Hunden gejagt. Auf den besten Plätzen und mit freier Schusslinie: feixende, gaffende Waidmänner in Lodengrün, die nur scharf darauf sind, ihre erste Kugel abzufeuern. Zugegeben: Journalisten, Blogger und die internationalen Einkäufer tendieren eher zu existenzialistischem Schwarz und sind in der Regel mit Smartphone und spitzer Zunge bewaffnet – aber im Prinzip kommt das Szenario schon ganz gut hin. Man kann sich vorstellen, dass bei dem hysterischen Fluchtgetrampel der eingepferchten Viecher kaum mehr eine echte Fährte aufzunehmen ist. Ein olfaktorischer Albtraum, selbst für eine so geschulte Spürnase wie meine. Deshalb mein klarer Rat: Vergessen Sie diese Trend-Gemetzel am besten gleich wieder, die machen nur bedingt Sinn. Als langjähriger Begleiter und Berater eines in Stilfragen notorisch verlorenen Zweibeiners bevorzuge ich, Bruno von Josephsheim, noch immer eine andere Methode. Und die lautet: Raus aufs Gassi, Nase dicht am Trottoir und gemma – am liebsten natürlich in Paris, Mailand oder London, aber auch in Wien, Budapest und Prag. Überall dort, wo der urbane Zeitgeist durch die Straßenschluchten weht, wird ein Trendsetter meines Kalibers zwangsläufig fündig.

In den vergangenen Monaten hat mir der Wind immer wieder Anzeichen für die bevorstehende Exhumierung einer Ikone zugetragen: Der Rollkragenpullover ist zurück und breitet sich momentan sprunghaft wie ein hoch ansteckendes Virus in den Städten aus. Auf Filmplakaten („Spectre“, „Steve Jobs“, „The Walk“ etc.) und in Modekampagnen, in den Edelboutiquen und beim Diskonter. Und das mit einer Nonchalance und Selbstverständlichkeit, die an seine besten Zeiten in der Ära legendärer Hollywood-Haudegen wie Steve McQueen, Charles Bronson und Burt Reynolds erinnert. Das damals versprühte Testosteron kann man heute noch förmlich schmecken. Es waren knallharte Kerle wie Bullitt (aus dem gleichnamigen Film von 1968), die den Turtleneck einst zur schärfsten Waffe gegen das Hemd und Krawatte tragende Establishment machten. Hard-boiled, kompromisslos maskulin und (im doppelten Wortsinn) ganz simpel gestrickt. Allesamt Eigenschaften, nach denen sich der Femen-gebeutelte und Silan-weichgespülte Mann unserer Tage – mein Herrchen ist da keine Ausnahme – eigentlich sehnt, aber es nur selten zugibt. Ich empfinde da keinerlei Skrupel. Hab aber auch leicht reden – schließlich darf ich noch immer ungestört, ganz meiner männlichen Natur entsprechend, an jeder Ecke das Bein heben.

Fotos: Getty Images

Aus schwarzem Rippstrick von Ann Demeulemeester, 320 EuroNavymodell mit weißem Kontraststreifen am Kragenn, aus der „Idris Elba Collection“ von Superdry, 110 EuroMarineblauer Rollkragenpullover aus reiner Seide von Lanvin, 495 Euro