Essen

WIENER-Test: Chips

Sarah Wetzlmayr

Der WIENER-Test

Kick’n’Chips

Die EURO vereint ganz Europa vor den Fernsehgeräten, und nichts kann einem den bierlaunigen Expertenabend so schön versalzen wie Kartoffelchips. Der WIENER hat sich durchgekostet.

TEXT: GÜNTHER KRALICEK

Chips reinstopfen ist eine Sucht. Wenn man mir eine Schüssel mit Chips auf den Tisch stellt, fährt der Arm sogleich roboterartig aus, greift sich in monotoner Regelmäßigkeit eine Handvoll nach der anderen, führt sie zum Mund, in dem der Aushub dann unter lautem Krachen genüsslich zermalmt wird. Das geht so lange, bis die Schüssel leer ist. Es ist stärker als ich. Ein ganz primitives Vergnügen. Nur Kartoffeln, Sonnenblumenöl und Salz. So lautet seit 1853 das Geheimrezept, das heute noch auf jedem Chipspackerl hinten angegeben ist. Erst in den 1940er-Jahren wurden Gewürze und Geschmacksstoffe zugesetzt. Salt & Vinegar und Cheese & Onion waren die ersten geschmacksverstärkten Sorten. Seit damals tobt unter Knabberexperten ein erbitterter Geschmacksrichtungsstreit. Hier die Puristen (so wie ich), die es mit Salz und ohne Zusatzstoffe gut sein lassen. Dort die Unsteten, die stets nach Neuem Suchenden, denen offenbar keine Komposition geschmacksverirrt genug sein kann. Der allerneueste Wurf kommt pünktlich zur EURO und ist eine Koproduktion der heimischen Marktgrößen Kelly’s und Kotanyi: Chips mit Schweinsbratenaroma! Auf der Verpackung ist das zunächst kaum erkennbar – die Fooddesigner werden schon wissen, warum. Das Zeug ist unfressbar. Herbert Prohaska bezeichnet die Mischung als seinen persönlichen Favoriten. Ich sag einmal so: Man muss ihm sehr viel Geld dafür geboten haben.

Es geht aber auch anders. Wer die Snack-Regale diverser Spezialgeschäfte durchstöbert, kann da schon auf die eine oder andere spannende Knabberwundertüte stoßen. Der exotische Supermarkt Prosi führt z.B. Bananenchips in allen möglichen Würzungsvariationen, philippinische Kartoffel- oder indonesische Cassava-Chips aus der Maniokwurzel, dänische „Speckkrusten“ oder holländische Garnelenchips. Dazu unzählige importierte Pickle-Saucen im Glas zum Dippen. Auch diverse Delikatessengeschäfte haben Mais- und Potato-Chips aus fernen Herkunftsländern im Angebot. Legale Suchtmittel zur Beruhigung eines längst gesättigten Magens, zum Totschlagen von Zeit. Irgendwas zwischen die Zähne. Hauptsache, es kracht.

Der Test

So viel Sortenvielfalt bei diesem knisternden Thema – hier soll’s nur um klassische Kartoffelchips gehen! Mit der einen oder anderen Ausnahme. Die Geschmacksprüfung erfolgte im Rahmen einer Blindverkostung, um den Gaumen möglichst vorurteilsfrei zu stimmen. Bei der „Halbwertszeit“ wurde getestet, wie sich die Kandidaten 12, 24 bzw. 48 Stunden nach Öffnen der Packung in der Schüssel gehalten haben. Der Preis wurde in der Gesamtnote ganz bewusst nicht berücksichtigt. Wie immer erfolgt der WIENER-Test anonym und ohne jegliche Einbeziehung der vorgestellten Herstellerfirmen.

Die Klassiker

Produkt: Kelly’s Classic Salted

Der heimische Platzhirsch mit 60- jähriger Firmentradition produziert Chips in acht Geschmacksrichtungen und fährt nebenher noch zwei weitere Erdapfelscheibenschienen (extragroße Riffle Chips und „Sunland Farm“, dicker geschnitten). Auf der Homepage hat man die amerikanische Flagge gehisst – gleichzeitig wird man nicht müde zu betonen, dass hier alles „made in Austria“ ist.

Packung: Mit 175 Gramm der allergrößte Sack im Rennen – das muss auch einmal gesagt werden. Leicht aufzureißen. Hält gut dicht.

Blindverkostung: Der Geschmack kommt mir gleich irgendwie vertraut vor. Kelly’s kennt man eben. Recht saftig. Knackig auch, aber bei dieser Wertung nur im Mittelfeld. Trotz relativ hoher Fettwerte gar nicht so versaute Finger. Halbwertszeit: Nach 12 bzw. 24 Stunden schmeckt man, dass der Zahn der Zeit schon ein winziges Stückerl dran genagt hat – vielleicht weil die Scheiben gar so dünn sind? Nach 48 Stunden papierlt es dann ein wenig, reichlich Salz und immer noch passable Knackigkeit täuschen aber darüber hinweg.

Preis: 1,89 Euro (bei Merkur), Kilopreis: 10,80 Euro. Zweiter Sieger im Preiskampf.

Gesehen bei: Flächendeckend erhältlich – Supermärkte, Tankstellen, Schwimmbad- und Heurigenbuffets, wo auch immer.

Fazit: Kaum was auszusetzen, nur die Haltbarkeitsnoten hätten etwas besser sein können. Schmecken irgendwie nach idealtypischen Chips, vermutlich weil meine alpenländischen Geschmacksknospen nach all den Jahren komplett Kelly’s-konditioniert sind.

Die Braven

Produkt: Alnatura Kartoffel Chips Meersalz

Der politisch korrekte Kandidat in unserem Teilnehmerfeld kommt vom deutschen Bio-Riesen Alnatura. Die Chips werden freilich in den fernen Niederlanden hergestellt – fair und in biologischer Landwirtschaft, wie auf dem Sackerl und der Internetseite der Bio7-Initiative versichert wird.

Packung: 125 Gramm. Der Aufriss gelingt problemlos. Kleingedrucktes hat man offenbar nicht nötig, alle Inhaltsstoffe sind groß und deutlich angeschrieben. Und: Die zerbrechlichen Kartoffelscheiben halten bis zum letzten Chip im Sackerl ihre Form. Der „Chips-Bruch“ war aber auch bei der Konkurrenz nie ein Thema.

Blindverkostung: Relativ leicht und luftig. An manchen Stellen mehr, an anderen weniger Salz – etwas mehr Verteilungsgerechtigkeit wäre wünschenswert. Eh nicht übel, nur der letzte Biss fehlt irgendwie. Könnte, müsste knackiger sein.

Halbwertszeit: Lange noch absolut genießbar, doch wie bei den dünnen Kelly’s sind auch hier nach 12 bzw. 24 Stunden bereits minimale Beeinträchtigungen herauszuschmecken. Nach 48 Stunden verstärkter Ölgeruch, die zarten Erdapfelblättchen zerfallen auch schon recht leicht – ähnlich wie Sand – im Mund.

Preis: 2,19 Euro, Kilopreis: 17,52 Euro. Landet damit im mittleren Preissegment.

Gesehen bei: dm, Merkur.

Fazit: Schmeckt ganz ordentlich, kommt jedoch an die Besten nicht heran. Bio-Knabberer dürfen jedenfalls mit einigermaßen gutem Gewissen zugreifen: Auch die Kalorien- und Fettwerte sind bei Alnatura am niedrigsten (484 kcal, 29 g je 100 g).

Die Billigen

Produkt: Snack Fun – All Natural Chips Salz

Billigsdorfer Hofer ist ja schichtübergreifend bekannt für ziemlich gute Qualität zu ziemlich günstigen Preisen. Wir wollten wissen, was die Knabber-Abteilung so zu bieten hat. Unter der Eigenmarke „Snack Fun“ werden Chips in all den Sorten und Geschmacksrichtungen produziert, die man auch in den Supermärkten der Konkurrenz findet. Hergestellt werden die Hofer-Chips in Deutschland.

Packung: 130 Gramm. Geht gut auf, entfaltet sogleich ein etwas öliges Aroma. Wenn man die aufgerissene Verpackung später ordentlich verschließt, hält sich der Inhalt erstaunlich lange gut. Das gilt übrigens auch für all die anderen Säcke, die hier im Rennen sind.

Blindverkostung: Salzig. Knackig. Gut. Ziemlich viel Fett aber auch. Das kann man sich an den Fingern absaugen. Also Vor- sicht mit der TV-Fernbedienung! Tatsächlich ist der Fettgehalt (33 g auf 100 g) hier mit am höchsten.

Halbwertszeit: Der Fettgeruch und -geschmack rückt nach 12, 24, 48 Stunden immer mehr in den Vordergrund. Da kommt Frittenbuden-Stimmung auf, wie der Aldi-Kunde sagen würde. Bis zuletzt kann man’s aber noch resch knacken hören.

Preis: 0,99 Euro, Kilopreis: 7,62 Euro. Die Günstigsten – genau deshalb haben wir sie ja ausgesucht!

Gesehen bei: Hofer – und nur da.

Fazit: Ganz okay, diese Chips, und der Preis ist natürlich unschlagbar. Bei keinem anderen jedoch steht das Öl der Sonnenblume so sehr im Zentrum der Wahrnehmung, Prädikat: echt fett. Gibt bei erhöhtem Bierkonsum möglicherweise die bessere Unterlage ab?

Big Players

Produkt: Kettle Chips Sea Salt

Die US-Firma ist auch in der EU dick aufgestellt. Kettle-Rohscheiben in hiesigen Regalen werden in Großbritannien hergestellt – in traditioneller Handarbeit, wie es auf der Verpackung heißt. Es gibt sie in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen wie Honey Barbecue oder mit Rosmarin (derzeit offenbar besonders beliebt). Wir haben uns die klassische Meersalz-Variante vorgeknöpft.

Packung: 150 Gramm. Unpraktisch gut verschlossen, erst nach mehreren Versuchen krieg ich den Sack auf, er reißt dabei seitlich leicht ein. Das gibt Punkteabzug.

Blindverkostung: Irre knackiger Körper. Die Scheiben hier sind etwas dicker geschnitten. Aber da ist zu wenig Salz drin, schmeckt fast ein bissl fad. Der Geschmack von Kartoffeln – und Sonnenblumenöl – tritt in den Vordergrund.

Halbwertszeit: Halten sich auch nach 24, ja sogar 48 Stunden ausgesprochen gut in der offenen Schüssel. Salz geht immer noch ab, umso mehr rückt das Öl ins Scheinwerferlicht. Das stößt mir in dem Fall aber gar nicht so unangenehm auf. Höhere Qualität?

Preis: 2,29 Euro, Kilopreis: 15,27 Euro. Die untere Mittelklasse. Gesehen bei: Fast allen Supermarktketten, wenn auch oft ein bisschen versteckt.

Fazit: Die Knackigkeit ist der Hammer, hängt wohl mit dem etwas dickeren Schnitt zusammen. Oder mit der Herstellungsmethode im Kessel (engl.: kettle)? Mit etwas mehr Salz (Meersalz!) im Sackerl wären die Jungs jedenfalls klarer Testsieger geworden. Nachwürzen wäre eine Möglichkeit, verstößt aber gegen die Regeln.

Les Bleus

Produkt: La Chips d’Allauch – La Blue Chips

Die Vitelotte ist eine alte Kartoffelsorte, die ursprünglich aus Südamerika stammt. Bei uns sagt man auch „Blaue Kartoffel“ dazu. Wenig einfallsreich, bringt’s aber auf den Punkt. Die vorliegenden Chips haben wir im Delikatessen-Regal aufgestöbert, sie kommen aus der Provence und werden – naturellement – von Hand gemacht. Seit 1976.

Packung: 125 Gramm. Violett wie der Inhalt. Leicht zu öffnen. Im Inneren finden sich einzelne Salzkörner am Packerlrand. Der einzige Kandidat, der mit Erdnuss- statt mit Sonnenblumenöl frittiert. Steht da zumindest.

Blindverkostung: Mit Augenbinde erkenne ich die blauen Kartoffeln nicht sofort heraus. Hmm. Die Konsistenz erinnert mich erst einmal an Reiswaffeln, leichte Karton- Note. Nicht unknackig, aber irgendwie auch weich, liegt möglicherweise an der Sorte.

Halbwertszeit: Nach 24 Stunden in der offenen Schüssel fast besser als frisch aus dem Sackerl. Brauchen die wie Wein vielleicht einfach Zeit zum Atmen? Auch nach 48 Stunden kaum Ermüdungserscheinungen bei den Violetten.

Preis: 4,29 Euro, Kilopreis: 34,32 Euro. Mit Abstand der teuerste Knabberspaß.

Gesehen bei: Meinl am Graben. Hier finden sich übrigens noch einige andere interessante Chips-Raritäten aus Italien, Spanien oder Schweden.

Fazit: Die blau-violette Optik bringt einen hübschen Exotenbonus. Das Geschmackserlebnis selbst ist nicht übermäßig berau- schend, der hohe Preis steht in keinerlei Relation dazu. Die gute Haltbarkeit lässt aber darauf schließen, dass hier wirklich Qualität drin ist.

Irre Iren

Produkt: Guinness Burts – Thick Cut

Laut Werbebotschaft sind die kuriosen Guinness-Chips eine „Love Story“ zwischen der weltberühmten Stout-Brauerei aus Irland und dem britischen Chipsfabrikanten Burts. Mir kommen die Tränen. Der Ausreißer im Feld, denn hier sind mehr Zutaten drin als nur Kartoffeln, Salz und Sonnenblumenöl: nämlich Zucker, Buttermilch, Hefe- sowie Gerstenmalzextrakt und ein paar andere.

Packung: 150 Gramm. Schnell und leicht aufgemacht. Riecht schon irgendwie bierig. Hier hinten steht’s noch einmal, weiß auf schwarz: „Von Hand frittierte Kartoffelchips mit Guinness Geschmack.“

Blindverkostung: Wow, crunchy – aber sehr schnell steht der spezielle Geschmack im Vordergrund. Kein Zweifel, das sind die Hopfen-und-Malz-Chips. Voluminös. Süßlich. Hat wirklich was von einem dunklen Bier. Ein echtes Guinness wär mir dann aber doch lieber.

Halbwertszeit: Auch nach ein, zwei Tagen in der Schüssel immer noch sehr crispy, aren’t they? Die süßliche Malznote tritt nun noch stärker hervor. Abgestandenes Bier schmeckt anders.

Preis: 2,79 Euro, Kilopreis: 18,60 Euro. Gar nicht so teuer für eine solche Rari- und Spezialität.

Gesehen bei: „Snackshop“ in der Liechtensteinstraße 25 (empfehlenswerter Laden mit Importware aus dem angloamerikanischen Raum, günstiger als so manch vergleichbares Spezialgeschäft).

Fazit: Ganz lustiges Knabbervergnügen – und im Gegensatz zu den Schweinsbraten-Chips von Kelly’s tatsächlich essbar. Auf Dauer dann aber doch ein zu heftiger Eigengeschmack. Muss man mögen. Exzellente Knackwerte.

Fotos: Sandra Keplinger, Maximilian Lottmann