KULTUR

Der letzte große Trost

Sandra Keplinger

Der Sommer will einfach nicht in die Gänge kommen! Daher lieber zuhause bleiben und ein gutes Buch zur Hand nehmen.
Der letzte große Trost fürs trübe Wetter, sozusagen.

Viel Künstlerisches hat er zu bieten, der Slupetzky. Während sich hinter den Türen der letzten Jahre prämierte Krimis und Theaterstücke verbergen, lassen auch Gstanzln über die Liebe und den Tod von sich hören, zumeist Mundart und allen voran: das süßlich Derbe und das Bitterböse.

Sein neuestes Werk – Obacht: ein Roman! – mit dem verheißungsvollen Titel “Der letzte große Trost” ist im Rowohlt Verlag erschienen. Hier kommt Stefan Slupetzkys eigenes Leben zum Tragen und bündelt sich mit fiktiven Elementen zu einer bewegenden Geschichte: die Aufarbeitung der Familienvergangenheit und das – durch eine innere Zerrissenheit getragene – Erleben von Liebe und Tod.

Obwohl die Handlung des Buchs nur an zwei weit auseinander liegenden Tagen spielt, wird Daniel Kowalksi durch Jahrzehnte seines Lebens begleitet. Daniel wuchs in eine gespaltene, in ihrer Unterschiedlichkeit schon fast bizarr wirkende Familie hinein: der Großonkel Kowalski, der väterlichen Seite zugehörig, prominenter Nazi und Hersteller des Blausäuregases Zyklon B, mit dem Millionen Opfer des zweiten Weltkriegs in getarnten Duschräumen ermordet wurden. Die mütterliche Seite: jüdisch – und bis auf ein paar Verwandte von den Nazis ausgerottet.

Trotz der gespaltenen Familie finden Daniels Eltern zueinander; mit ihnen verbringt Daniel seine Kindheit im Haus der Großeltern. Doch im Alter von 22 Jahren die gewaltige Erschütterung: sein Vater stirbt und für Daniel eine ganze Welt.

Jahre später lebt Daniel mit seiner Freundin und zwei Kindern in der Josefstadt, als ein Brief der Großtante ihn darüber informiert, dass das Haus seiner Kindheit verkauft werden soll – nach dem Auszug der Familie steht es nun schon viele Jahre leer. Die Großtante bietet ihm an, dem Haus einen letzten Besuch abzustatten. Daniel macht sich auf den Weg und begibt sich so auf eine Reise in die Vergangenheit, aus deren Nebel teils vergessene, teils auch verdrängte Erinnerungen treten. Als Daniel auf ein Tagebuch seines Vaters stößt, wächst plötzlich ein ungeheurer Verdacht in ihm: Der Vater ist vielleicht gar nicht gestorben …

Ein Roman, der durch Sprachgewandtheit, kompositorische Finesse und eine starke Thematik besticht. Nicht zuletzt stellt Stefan Slupetzky die Frage nach dem Selbstverständnis der zweiten Nachkriegsgeneration: Nur durch den Umstand unseres Lebens in Frieden, Sicherheit und Wohlstand: Wiegen unsere Dramen und Leiden weniger als die unserer Großeltern?

Ein Buch, das nachklingt und auf allen Ebenen berührt – letztendlich eine Liebeserklärung und für verdrossene Sommersuchende viel mehr als nur ein Trost.