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Der legendäre Buntstift-Betrug bei Wetten dass …?

Franz J. Sauer

Am 3. September 1988 narrte der Titanic-Chefredakteur Bernd Fritz das gesamte deutschsprachige Fernsehvolk, indem er bei „Wetten, dass …“ schummelte. Am Ostersonntag verstarb der damals kurzfristig weltbekannte Redakteur und Vorreiter dessen, was man heute als Fake News bezeichnen könnte, im 72. Lebensjahr.

„Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung wie das geht.“ Mit diesem Satz schockierte Thomas Rautenberg das gesamte deutschsprachige Fernsehpublikum. Minuten zuvor hatte er im Rahmen des sogenannten „Flaggschiffes der deutschen Fernsehunterhaltung“, der Samstagabend-Show „Wetten, dass …“ mit verdeckten Augen die Farbe von sechs Buntstiften an ihrem Geschmack erkannt. Und die Wette gewonnen, unter dem Jubel des Publikums. Unmittelbar nach der Gratulation des Showmasters, der „Wetten, dass …“ erst wenige Monate zuvor von Sendungserfinder Frank Elstner übernommen hatte, erklärte Rautenberg plötzlich, gar nicht Rautenberg zu sein. Sondern eben Bernd Fritz, Redakteur des damals wie heute großartigen, deutschen Satiremagazins Titanic. Und gerade eben Millionen TV-Zuseher sowie die gesamte ZDF-Belegschaft nebst Gottschalk und Gästen zum Narren gehalten zu haben.

„Ich hatte damit gerechnet, dass die Fachleute fragen, ob es überhaupt möglich ist, Buntstifte am Geschmack zu erkennen. Aber die Redaktion prüfte das offensichtlich nicht weiter. Da realisierten wir, dass das große ZDF im Detail eigentlich armselig, unprofessionell und unbedarft war.“ erzählte Bernd Fritz Jahre später in einem großartigen Spiegel-Interview zur Buntstift-Causa. Die große Mainzer Fernsehanstalt mit ihrem arroganten Besserwisser-Gehabe wollte Titanic vorführen, dass sich die Spitze offensichtlich hauptsächlich gegen Moderator Gottschalk gerichtet hatte, tat Fritz eigentlich leid. „Gottschalk rief sogar am Tag nach der Sendung in der „Titanic“-Redaktion an, um uns zu unserem Coup zu gratulieren. Der hatte Sportsgeist. Das ist übrigens das Einzige, was ich wirklich bedauert habe: Die Öffentlichkeit nahm es so wahr, dass ich ihn bloßgestellt hatte. Mein primäres Interesse war es aber, das ZDF vorzuführen. Ich hätte ehrlich gesagt viel lieber Frank Elstner reingelegt, den konnte ich nie besonders leiden.“

Der Trick übrigens, den Fritz tatsächlich in der nächsten Ausgabe von Titanic auflöste (und die bis heute die meistverkaufte Ausgabe aller Zeiten blieb), war denkbar einfach, fast schon primitiv: Fritz hatte einfach unter dem Rand der verdunkelten Schibrille durchgelugt, was man, wenn man die TV-Aufnahme mit diesem Hintergrundwissen ansieht, eigentlich auch gleich entdeckt.

Weinkenner Bernd Fritz vor wenigen Jahren (© Top-Magazin Frankfurt)

Seine Karriere führte Bernd Fritz nach den Jahren als Titanic-Chef weiter zur FAZ und zur Süddeutschen Zeitung, skurrilerweise gab er für renommierte Kulinarikmagazine wie den Feinschmecker oder das Mercedes-Magazin den Gourmetkritiker. Am Ostersonntag 2017 schied Fritz nun tragischerweise freiwillig aus dem Leben. Er wurde 71 Jahre alt.