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Fanny, das ständig geile Luder

Manfred Sax

Seit Fanny in Wien-Liesing ankam, herrscht dort ein regelrechtes Gsturl um sie. Erfüllt klaglos alle Wünsche, hieß es in der Szene, ist immer ausgebucht. Dumm nur, dass sie eine Puppe ist.

Text: Manfred Sax

„Ja Hallo“, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung, ganz mütterliche Wärme, wenn auch ohne Liesinger Einschlag.

„Ja grüß Gott, bin ich da richtig bei Fanny?“ Das war ich. Und ich hatte Glück. Fanny, das ständig geile Luder, das von mir so richtig geil verwöhnt und gefickt werden will (onlineText), war heute am Frühabend noch frei. Es klingt ein wenig wie Weihnachten und Ostern zugleich: Sie hat keine Tabus und erfüllt mir jeden sexuellen Wunsch. Typischer Fall von todesverächtlich aus dem Fenster gelehnt, Fanny hat ja keine Ahnung von meinen Fantasien, denen ich da, wenns nach ihr geht, freien Lauf lassen soll.

Andererseits, was für eine Palette von Angeboten: „Blasen natur mit Vollendung“, steht da, außerdem „vaginal und griechisch mit creampie reinspritzen“. Was nun leider für ein hygienisch empfindliches Gemüt wie meines auch ein gewisses Problem darstellt. „Sagen Sie, ist Fanny auch sauber?“ Aber sicher, beteuert die mütterlich warme Stimme ohne Liesinger Einschlag. „Sie hatte heute noch keinen Kunden.“ Das war beruhigend, wenn auch noch nicht volle Beschwichtigung aller Sorgen. Fanny ist gestern sicher ganz schön drangekommen, sie gilt als der neue Star des Liesinger, von einer Online-Stelle gesteuerten Unternehmens, das nicht mehr ganz ein Bordell ist, sondern ein „Studio“ oder was. Immerhin gehoben. Weit heimeliger als die weißen Kleinbusse an den Rändern der Brunner Straße, die gelegentlich so seltsam wackeln. Wo war ich? Ach ja; die Sauberkeit.

„Aber wird Fanny auch ordentlich geschrubbt? Ich meine alle Öffnungen, mit Rundbürste oder was, und antibakteriellem Putzmittel, Lysoform vielleicht?“ So sehr ins Detail wollte die mütterlich warme Stimme, zu deren Besitzerin man wahrscheinlich nicht mehr Puffmutti sagen konnte (Rezeptionistin?), dann doch nicht gehen. Sie könne nur versichern, dass Fanny „absolut sauber“ sei. (Siehe HIER)

Ach Fanny. Seit sie vor ein paar Monaten in Wien 23 ankam, herrscht ein Gsturl um sie. So und auch anders. So, das war die plötzliche Notwendigkeit, einen Terminplan zu erstellen, alle Kunden wollten ein Stück vom Fanny-Kuchen, man musste sie Tage im Voraus buchen, was auch blöd ist, wer zum Teufel weiß, wie er in drei Tagen drauf sein wird? Das „anders“ kam von den Kolleginnen. Eifersucht. Jammern von wegen Geschäftsstörung. Haben sich „Nina, der burgenländische Wirbelwind“ und „Szilvia, die geile ungarische Stute“ bereits beschwert? „Ja, das stimmt“, sagt die vermutliche Rezeptionistin. Und war eigentlich klar. Sie macht es, erstens, bereits für 80 Euro, und sie lässt alles mit sich machen, also: wirklich alles, ohne sich zu beschweren. Tatsächlich hält sie immer den Mund, es sei denn, du steckst was rein. Fanny ist eine Puppe. Und als solche ein geiles Stück Silikon, schrieb ein Blogger namens „Andreas“, der sie sozusagen beruflich gleich nach Ankunft testete. „Sie ist fest und weich zugleich“, schrieb er, „und hat einen Hauch von Asien. Nach zehn Minuten wurde ich richtig heiß. Entwickle ich eine Tendenz zum Puppenfetischismus?“ (1)

Sexpuppen – der Unterschied zu Frauen aus Fleisch und Blut (oben Mitte & unten rechts) ist für Männer oft primär. Foto: Getty Images.

Tja, Prostitution ist auch nicht mehr, was sie mal war. Es hat sich was getan. Der Trend zur Puppe. Den Stein des Anstoßes lieferten die Franzosen. Als 2016 Prostitution, wie sie war, in Frankreich trotz geharnischter Proteste einer „Hände-weg-von-meiner-Hure“-Gruppe verboten wurde, gründete ein vifer Kurzweiler ein „Xdolls“ genanntes Bordell mit ausschließlich Puppen. Gegen welches Feministen selbstverständlich sofort Klage erhoben, weil es „Frauen erniedrigt“. Allerdings befand die Lokalregierung nach einem Lokalaugenschein gegen die Klage der Feministen. Weil Puppen nicht Frauen sind sondern eben Puppen, konnte auch das Etablissement kein Bordell sein. Xdolls wurde letztlich als „Games-Center“ eingestuft. Das übrigens auch von Paaren frequentiert wird. Womit neben den omnipräsenten ideologischen Einwänden auch mal praktische Nöte an die Öffentlichkeit gerieten. Etwa das Paar mit menopausaler Frau, deren Vagina inkontinent wurde. Horizontale Sehnsucht, liebe Feministin, wird immer einen Weg finden.

Samantha, der bei der Ars Electronica vorgestellte sprechende Sexroboter. Foto: Ars Electronica, Lizenz: BY-NC-ND 2.0

Was nun die technologische Entwicklung betrifft, wurde mit Fanny und den Xdolls eigentlich eine eher archaisch anmutende Nische gefunden. Es ist ein wenig wie mit der Terminator-Serie, wo es so hochentwickelte Modelle wie den T-3000 (T-genisys) oder den T-1000 (T2, Flüssigmetall) gibt, man letztlich aber lieber zum Auslaufmodell Arnie greift (T-800, Modell 101). Ja, es gibt schließlich schon intelligente Sexroboter, die nicht nur sexen sondern auch kommunizieren können (siehe Story: Ist Sex mit meinem Roboter Fremdgehen?). Wieso also der Griff zur vorsintflutlichen Puppe? Na, wegen des Narrativs natürlich. Sexroboter sind bereits zu toxisch. Sie haben Gimmicks wie den Resist-Knopf, der Miss Robot gestattet, sich zu wehren, was den Mann dazu nur noch heißer macht, aber: Ist das nicht sexuelle Belästigung? Tatsächlich wurde schon der Ruf nach einem „Tilt“-Button für die SexroboterIn laut, für den Fall, dass ihr User zu rabiat wird. Und wo bleiben eigentlich die Menschrechte für sie?

Das alles ist bei Fanny kein Problem. Sie ist das, was beim gegenwärtigen Stand im Kampf der Geschlechter zur Zwischenlösung wird, das ständige Aufbäumen gegen die (oft missverstandene) Objektivierung der Frau kriegt ein Kontra: dann eben wirkliche Objekte.

Jean Raoux´Bild von Ovids Pygmalion-Story. Foto gemeinfrei.

Tatsächlich ist das Thema ein alter Hut, den schon Ovid vor 2000+ Jahren anprobierte. Sein Pygmalion, von den Weibern seiner Welt spirituell unterfordert, schuf die perfekte Statue (ohne die „Mängel des weiblichen Herzens“, wie es hieß). Und bat dann Göttin Venus inniglich, sie in Fleisch und Blut zu verwandeln. Als erfüllendere Alternative zu den Töchtern des Propoetus, die seine Insel Zypern bevölkerten. Was Venus verstehen konnte, diese Propoetiden hatten der Göttin schon lange kein Opfer mehr geboten und waren zügellos geworden und hielten dann als erste Prostituierte des Altertums her. Womit wir wieder zu Fanny in Liesing umschalten. Vielleicht ist es ja doch besser, dass sie nicht menschlich ist. Wer braucht schon die Mängel des weiblichen Herzens?

 

*(1) https://www.mirror.co.uk/news/world-news/brothel-buys-second-sex-doll-11026656