Zweirad

Der Stadtelektriker – Der neue BMW-Roller C evolution

Nicht billig, aber saugeil, so mate­rialisiert der aufgepeppte Elektro­roller von BMW. Nichts anderes hätten wir uns von dem scharfen Teil namens C evolution erwartet.

Text: Franz J. Sauer

Das erste Mal losfahren mit einem Elektroroller geht selten unpeinlich vonstatten. Scheinbar ist die Fähigkeit des Gasgriffdrehens untrennbar mit dem Gehör verbunden. Wenn etwa eine Vespa 300 GTS im Standgas vor sich hin knattert, erwischt man garantiert die richtige Dosis Drehkraft, um das Ding smooth und unauffällig von der Gehsteigkante zu stoßen. Hört man aber nix, so wie man eben nix hört, wenn man den Startknopf des BMW C evolution betätigt hat, gibt man garantiert zu viel Gas beim Loscruisen. Bei entsprechender Geistesgegenwart lässt man dann schnell los, um aus der unvermeidlichen Rückenlage wieder in eine sogenannte „Command-Position“ mit korrekter Gewichtsverteilung in Körpermitte zu kommen. Ist man zu verblüfft, steigt man mit einer Rückwärtsrolle ab.

Der neue BMW-Roller sieht nicht nur wie ein Raumschiff aus, er klingt auch so, wenn man will. Für die Stadt das ultimative Fahrzeug. Foto: (c) BMW

Dies konnte ich gottlob vermeiden, schließlich war der Elektriker von BMW nicht das erste E-Kraftrad, das mir zwischen die Beine kam. Und trotzdem riss es mich ein weiteres Mal aus dem Stand, als gäbe es keine Fliehkraft. Kollege Josel hatte zuvor, gehässig wie er nun mal ist, den Dynamic Modus eingeschaltet gelassen. Der es tatsächlich auch für schwerere Zeitgenossen wie mich nötig macht, sich fest am Governal anzuhalten, wenn man richtig anstofft. Es ist schier unglaublich, zu welchen Drehmomentexzessen so ein ­Elektromurl in der Lage ist, wenn ihn kein übermäßiges Fahrzeug­gewicht am Umsetzen von Newtons Theorien hindert. Übermut ist da recht schnell indiziert, vor allem im Stadtverkehr, wo es wirklich keinerlei Art von Vehikel gibt, die man an der Kreuzung als Konkurrenz ernst nehmen könnte.

Ab dem Moment, in dem man sich mit dem Preisschild des C evolution (an die 16 Tausender in Euro) auseinandersetzt, ist man auf der Suche nach Rechtfertigung für diesen doch verblüffenden Geld­betrag für einen Roller. Und ja, man wird da auch recht schnell fündig. Zum Beispiel vermittelt das Fahrwerk ab der ersten ungestümen ­Sekunde im Fahrbetrieb Vertrauen. Man spürt, dass man die Leistung im Griff hat und die Bremsen mindestens so zupacken können wie die Stromgeneration. Auch das wunderbare Feature der Rekupe­rationsbremse hat man aus den Elektroautos der Marke aufs Bike transponiert. Macht man das Gas (räusper) zu, bremst der C evolution. Im „Eco Pro Modus“ (mit auf 26 PS ge­drosselter Leistung) normal, im „Dynamic Modus“ so richtig, im „Road Modus“ auf 50 Prozent. Bloß im „Sail Modus“ lässt einen die ­Elektronik motorbremsfrei segeln. Schnell wird es jedenfalls zum Wettbewerb, im effizienten, vorausschauenden Stadtbetrieb ohne Bremsen auszukommen, was zumeist gelingt. Auch das Balancieren im „Zwischenstromland“, also zwischen Vortrieb und Rekuperation, (außer halt im Sail-Modus) macht Spaß. Hat man die haptischen ­He­rausforderungen schließlich im kleinen Finger, wird es zur ehrgeizigen Kür, die angezeigte Reichweite im Laufe der Fahrt zumindest am Bordcomputer zu vermehren.

Unser Testurteil „saugeil“: der neue E-Roller by BMW. Foto: (c) BMW

Das Perpetuum mobile ist noch immer nicht erfunden worden, auch diesmal in Bayern nicht. Gute 140 Kilometer Reichweite bei vollem „Tank“ (für den eine herkömmliche 220-Volt-Steckdose zwischen drei und fünf Stunden benötigt) sind auf jeden Fall drin und reichen jedenfalls in Städten vom Formate Wiens, sogar die eine oder andere Extrameile ist da noch möglich. ­Sobald man allerdings die (Stadt-)Autobahn in seine Reiseplanung miteinbezieht, wird man reichweitemäßig zum Passagier. Dieses Umdenken ist die größte Herausforderung beim Wechsel vom Verbrenner auf den E-Motor; das eingebrannte Wissen, dass man auf Autobahnen am wenigsten verbraucht, wird hier nämlich ins Gegenteil umgekehrt.

Die Summe aller Annehmlichkeiten des C evolution gepaart mit jener unsichtbaren, aber klar spürbaren BMW-Überlegenheit, welche die Marke aktuell in alle Fahrzeug­kategorien zu verpflanzen vermag, macht den schicken Roller schnell zum Objekt der Begierde. Bloß die Gewissheit, dass 16 Riesen für ­einen Maxiroller (ich wiederhole: Roller) tatsächlich viel Holz sind, und das Faktum, dass bei der derzeitigen Reichweitenentwicklung ein hoher Wertverfall einzukalkulieren ist (anders etwa als beim BMW-Motorrad-Dauerbrenner GS1200, der im Laufe der Betriebsjahre kaum an Wert verliert), bewahrt einen vorm vorschnellen Kaufvertrag-Unterschrieb. Andererseits: Weihnachten kommt ja auch noch irgendwann …