AKUT

Sex mit dem Heiligen Geist

Manfred Sax

Am Achten des Zwölften erinnert man die Immaculata Conceptio der Maria. Da kann es vorkommen, dass die Zeugung Jesu mit jener seiner Mutter verwechselt wird. Aber gern!

Text: Frater Gladius

Mariä Empfängnis also. Soll heißen, Katholiken können ihr Gemüt am „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“ laben, so wird das genannt, seit 160+ Jahren.  Damals zementierte Papst Pius IX dieses Dogma. In der „Bulla Ineffabilis Deus“ (=päpstliche Bulle vom unbegreiflichen Gott) erklärte er die Legende, wonach die Maryam frei von jeglicher Erbsünde sei, zur „von Gott enthüllten“ Tatsache.

Leute, ihr seid hoffentlich mit mir, wenn ich mir gestatte, hier einen formidablen Bock zu schießen und am Ehrentag der Empfängnis Mariä an die Zeugung Jesu zu denken und nicht, wie es im Sinn der Erfinder wäre, an die Befruchtung von Anna durch ihren Mann Joachim, aus der dann neun Monate später Maria entstand. Der erhebliche administrative Aufwand – Debatten, Formulierungen, Schriftführung etc – erschien den Klerikern halt notwendig, weil es seltsam rüberkommt, wenn Gottes Sohn aus einem Leib entspringt, der, wie der Rest der christlichen Welt, von Geburt an mit der Erbsünde behaftet ist. Dass nun dennoch die Empfängnis Mariä gern mit jener von Jesus sozusagen übermannt wird, ist wohl eines der Dinge, die das Leben schreibt. Man könnte zwar anmerken, na hallo, Empfängnis am Achten und Geburt keine drei Wochen später – das war ja eine schnelle Schwangerschaft. Aber warum sollte das nicht möglich sein, wenn eine Schwängerung durch den Heiligen Geist sehr wohl als Möglichkeit in Betracht gezogen wird?

Dass ich es mir also passieren lasse, hat sicherlich mit Sex zu tun (der mir ja nur theoretisch widerfahren darf). Also eigentlich mit keinem Sex, aus dem dann trotzdem was entstand. Das ist nun mal eine Ansage, die heute jedem Kirchensteuerzahler mit IQ über 50 recht unangenehm zwischen den Ohren sitzen muss. Weil es verdrießlich ist. Und daher bleibe ich bei diesem – wesentlich besseren – Thema, Immaculata hin, Erbsünde her.

Es ist verdrießlich, in eine Welt geboren zu werden, die dich ab Tag Eins deines Lebens mit einer „Erbsünde“ bedient, weil deine Erzeuger ein hoffentlich hinreißendes Erlebnis hatten, das zu deiner Existenz geführt hat. Es ist verdrießlich, dass der Kult um die Jungfrau Maria zum Aufstieg einer lustfeindlichen Haltung des Christentums führte, die der Sexualität bis heute einen „schmutzigen“, weil befleckten Beigeschmack beschert, den keiner braucht. Und gerade für Eheleute muss es wohl verdrießlich sein, das nette horizontale Treiben mental als schnöde Pflicht zu verbuchen, zu leisten deshalb, weil der Heilige Geist nicht immer und überall begatten kann.

Aber auch für die katholischen Pfaffen, die Zunft der freiwillig der Fleischeslust Entsagenden, ist es bei Leibe nicht leicht, mit Leben und Streben und in aller Keuschheit ausgerechnet einem Frauenzimmer zu huldigen, für das laut sämtlicher Schriftgelehrter nie etwas anderes gesprochen hat als der Umstand, die Besitzerin jener Gebärmutter zu sein, in welcher der richtige Samen zur Befruchtung antrat. Und all das, weil im Rahmen des Re-brandings des Römischen Reiches zu einem Christlichen Imperium (391 AD und später) den fundamentalen Kirchenmachern die Angst vor der Natur des Weibes so sehr im Nacken saß, dass sie beschlossen, jene eine Frau zur Kultfigur zu erhöhen, von der nun wirklich nie eine schriftliche Evidenz existierte, dass ihr mal jemand in jäher Betörung nachgepfiffen hätte. Und was ist das männliche Leben ohne Betörung? Kann ohne Betörung Poesie entstehen? Kann sie nicht. Wird sie nie können.

Interessanter Weise war in den Jahren nach Christi Tod keine Rede von einer jungfräulich in die Schwangerschaft geratenen Mutter Maria. In seinen Römerbriefen (1.1-3) sprach Paulus von einem Jesus, der durch den „Samen Davids“ seine Fleischlichkeit erfuhr. Ich muss hier gleich einflechten, dass die schriftlichen Testamente des Ersten Jahrhunderts generell mit einer Prise Salz zu genießen sind, insbesondere aber jene, die es zwischen Jesu Tod und der Zerstörung des Tempels von Jerusalem (70 AD) auf Papyrus oder Pergament brachten. Es war dies eine Epoche des Umsturzes, das Heilige Land wurde umgeackert wie heute Afghanistan, die Wahrheit konnte neu geschrieben werden, die Geltungssüchtigen griffen zu neuen Identitäten, ein Paulus, der vorher als Pharisäer die Christen verfolgte, kam nun als erster Prophet des Nazareners daher (dem er nie begegnet war). Und dieser Paulus brachte also zunächst den Samen Davids ins Gespräch, zumal David einer war, den auch Marias Gefährte Josef in seinem Stammbaum hatte, damals fürwahr keine Seltenheit, bekanntlich war David einer der großen Weiberer vor dem Herrn.

Aber schon wenig später etablierte sich der „Heilige Geist“ in den Neuen Testamenten von Matthäus und Lukas (seines Zeichens ein Spezi von Paulus) als „Samenspender“. Dennoch wird bis heute gestritten, ob sich Matthäus bei seinem krampfhaften Versuch, im Alten Testament einen Propheten der jungfräulichen Geburt zu finden (Isaias), einen Übersetzungsfehler leistete. Das hebräische Wort „Almah“, auf das er stieß, hieße laut Theologen ja nur „junge Frau“.

Aus der zeitlichen Distanz von knapp 2000 Jahren ist auch anzumerken, dass das Prinzip der jungfräulichen Geburt von den frühen Katholen nur zur Mythosbildung bemüht wurde, immer ein „must do“ zur Verwurzelung junger Religionen. Damit ihre Religion gegenüber „heidnischen“ Bekenntnissen (die noch dazu wesentlich fantasievoller und poetischer sind) eine Chance hatte zu überleben und zu gedeihen.

Außerdem waren gebärende Jungfrauen zeitgeistig. Der römische Historiker Livius verfasste im Ersten Jahrhundert vor Christus seine Geschichte Roms (Ab Urbe Condita), dort gab in Absenz Heiliger Geister der Kriegsgott Mars den Vater der Zwillinge Romulus und Remus ab, die vestalische Jungfrau Silvia deren Mutter. Poesie pur, nicht wahr? Bekanntlich wurde auch Buddha von einer Jungfrau namens Maya geboren und die griechische Gottheit Adonis einer Jungfrau namens Myrrha. Letzteres soll sich zufällig in Bethlehem abgespielt haben. Na?

Bin das nur ich oder lässt sich daraus schließen, dass die Begründer des Marienkults im Fünften Jahrhundert (Augustinus & Co) vermutlich frei von Fantasie, dafür aber kompetente Ideendiebe waren?

Es mag also mal einen Grund gegeben haben, sich einer schwangeren Jungfrau zu bedienen, um die Frucht ihres Leibes zu veredeln. Aber heute? Heute klammern sich Kirchendiener nur noch in der Hoffnung an die Heilige Jungfrau, dass so ein Glaube vielleicht doch einmal Berge versetzen könnte. Und so kommt es, dass simple Mönche bis heute zu ihrer Muse nur gelangen wie die Jungfrau zum Kind. Ave Maria, liebe Leute.

Foto: bouguereau, wiki gemeinfrei; Originaltext: http://www.zib21.com/category/wort-zum-sonntag/