AKUT

Being Legendary – Heidi Lists Kolumne im WIENER #W426

Gut, dachte ich, gehe ich auf die Sexparty mit heftigen Drogen. Denn man durfte nie damit aufhören, am Argen im Leben zu arbeiten, egal ob man ein Regenwurm war, ein berühmtes Genie oder eben ich.

Aus­löser für den Panik­lauf war, dass ich irgendwann meinen Alltag analysierte, und da war weit und breit kein Trash oder Punk oder was man haben muss, damit man eine Legende ist. Und Legende war doch immer mein Plan.

Ich verbrachte einen Nachmittag mit Körperpflege, der mich ordentlich Kohle kostete, damit mir jemand die Kinder fernhielt. Denn sonst tut man wieder das, was man immer tut, und sitzt dann doch wieder im Warte­zimmer irgendeiner Ent­giftungs­zentrale herum, weil der High-Sensitive-Rasierschaum für Schlag­obers gehalten wurde. Nein, ­diesmal nicht, alles in Ruhe vorbereiten für einen denkwürdigen Abend. Ich war aufgeregt. Sexparty. Drogen. Ich wusste nicht einmal, ob ich das tun wollte fürs persönliche Weiterkommen, aber irgendwo muss man anfangen, es herauszufinden.

Ich läutete an der Tür der angegebenen Adresse. Reihenhaus, Schnarchgegend. Gutes Versteck. Eine Dame machte auf, die gar nicht mehr aussah wie eine. Sie war unten ohne, hatte aber den BH noch an. Das hätte ein Filmausstatter anders entschieden, dachte ich mir. „Ja, halla!“ Sie sagte halla. „Du bist heute die Schuschu, das ist dein Pseudo. Ich bin die Pipsi, das ist mein Pseudo.“ „Super Pseudo“, sagte ich. Sie hatte mit der Unterhose wohl auch ein paar Ganglien abgelegt, macht nichts.

Das Wohnzimmer war akribisch auf 70er-Porno gestylt, mit vielen bunten Spaghettivorhängen vom Plafond, sinnlos, aber halt Deko. Leises Jazzgedudel war zu hören und es war so qualmig, dass ich nicht verwundert gewesen wäre, wenn sie mit der Nebelmaschine nachgeholfen hätten. Es ging recht klassisch zu, zwei, drei Grüppchen von Leuten lagen herum und kifften, zwei Männer bekamen schön plakativ mitten am Sofa ­einen geblasen und drei ­Pärchen kopulierten ­irgendwo in den Ecken, ­einmal im Stehen, einmal Missionar, einmal Doggy. Es wurde immer wieder gekichert, aber nur mit ­Frauenstimmen, sodass ich auch hier vermutete, dass das zum technischen Partydesign gehörte.

Pipsi wickelte sich um einen dürren Mann ganz in Leder, der mir sagte, dass er Heinzi hieß. Kein Pseudo. Mutig. Er gab mir einen Joint. Ich verbrannte mir daran prompt die Finger. Ich fragte nach dem Bad, kaltes Wasser und so. Dort blockierten mir nackte Kokser den Weg. Ich bekam auf einmal Stress. Ich musste schnell meine Brandblase versorgen, dann irgendwie betrunken oder high werden, weiters die Sexorgie machen, weil sonst wird das nichts mit mir und Legende.

Missmutig ging ich in die Küche. Heinzi-in-Leder kotzte in die Spüle. Dann sah er auf, wischte sich mit dem Handrücken den Mund sauber und grinste mich an. „Und, Schuschu, magst was rauchen oder pudern?“ Bei „pudern“ reckte es ihn noch einmal kurz. „Nein, danke“, sagte ich freundlich. Er drehte sich wieder um und würgte weiter. Netter Kotzer, der Heinzi-in-Leder, dachte ich. Ich suchte derweil nach Obst oder irgendetwas, um mir die Einsamkeit zu vertreiben. Dann beobachtete ich meine Brandblase, die vor sich ­hinwuchs. Heinzi-in Leder fummelte unter der Spüle herum. Griff sich eine ­Flasche und stürzte die Hälfte vom Inhalt herunter. Spuckte. Würgte, Röchelte. Schrie. Pipsi stürzte herein, jetzt ganz ohne alles, dafür mit dem BH in der Hand, und schlug auf den Heinzi-in-Leder ein. Ah, dachte ich, jetzt geht das 50 Shades los. „Bist deppat! Das war kein Saft, des is Spülmittel! Des is giftig! Moment! Von Frosch! Des is Bio! Vielleicht do net giftig! Is des jetzt giftig? Heinzi?“ Heinzi gurgelte.

Ich tastete mich nach dem Handy ab. Die Leute trudelten ein, Frauenstimmen kicherten, alle glotzten. Ich rief die Rettung. Die kam daher und nahm den Heinzi-in-Leder mit. Ich begleitete ihn, als einzig Nüchterne. Und so war es entschieden. Für immer. Das Schicksal weist jedem seinen Fame zu. Der eine ist Bowie und damit Starman, waiting in the sky. Die andere ist Stilikone und heißt Coco Chanel. Und ich war ich. Schuschu. Entgiftungs­notaufnahmenlegende.

Fotos – Header: (c) Pamela Russmann