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Die Frau Männerversteherin – Maria Rauch-Kallat im großen WIENER-Interview

Maria Rauch-Kallat hat schon zwei Termine absolviert, als sie am frühen Vormittag den WIENER zum Gespräch empfängt. Sie hält neuerdings Seminare für Männer ab, in denen sie ihnen den richtigen Umgang mit Frauen beibringt. Mit der jungen Männergeneration fällt ihr das leichter als mit der älteren, einen Extremfall wie Donald Trump würde sie allerdings nicht im Seminar aufnehmen.

Interview: Manfred Rebhandl / Fotos: Maximilian Lottmann

Rauch-Kallat: Wollen Sie keinen Kaffee?
WIENER: Nein, danke, ich hatte schon. Gestern hat es geschnei­berlt, wird es Ihnen da ein bisserl inwendig ums Herz?
Ich finde es immer schön, wenn es schneit.

Haben Sie vielleicht sogar schon einen Adventkranz gebunden?
Nein, den kaufe ich, das können andere besser. Da fördere ich die Wirtschaft. Meiner würde ein wenig merkwürdig ausschauen.

Es gibt ja keine schwarzen Kerzen am Adventkranz, also dürfen es für Sie als ÖVPlerin dann sogar rote sein?
In meine Wiener Wohnung passen die roten Kerzen am besten, da bin ich tolerant. Obwohl ich eigentlich für die lithurgischen Farben bin – drei violette, eine rosa Kerze.

Dürfen in den Adventkalender Süßigkeiten hinein?
Ja! Unbedingt! Da müssen Süßigkeiten hinein! Dafür mache ich dann immer zwei Entgiftungsphasen pro Jahr, wo es überhaupt keinen Zucker gibt.

Maria Rauch-Kallat wird am 31. Jänner 70 Jahre alt, und ist seit 1983 als ÖVP-Politikerin bekannt geworden. Von 1992 bis 2007 bekleidete sie mehrere Ministerämter. Foto: (c) Maximilian Lottmann

Wir vom Männermagazin haben Sie als Interviewpartnerin ausgewählt, weil Sie neuerdings in Seminaren für Männer den Umgang mit Frauen vermitteln. Verraten Sie uns also, wie man einen Extrempatienten wie „Pussygrabber“ Donald Trump eventuell doch noch in die Spur bringen und ihm Benehmen im Umgang mit Frauen vermitteln könnte?
Ich glaube, den würde ich ablehnen bei meinem Seminar, der ist wohl nicht mehr belehrbar.

Was läuft da schief bei den „weißen, überlegenen Männern“?
Vielleicht läuft gar nichts schief. Ich habe letzte Woche das dritte Seminar gehalten, und da war einer mit Jahrgang 1975 der Älteste. Das waren alles 80er-Jahre-Jahrgänge, und das ist wirklich eine neue Generation, muss ich positiv vermerken. Die sind selbstkritischer geworden. Grundsätzlich aber hält sich die Gesprächsbereitschaft bei Männern in Grenzen, bis man die aus der Reserve lockt, das dauert. Aber das ist sehr oft auch dem Gesprächsverhalten geschuldet, das man aus Beziehungen kennt, wo die Frauen gerne reden und die Männer nicht. Das zeigt sich auch in diesen
Seminaren.

Mein Vater war noch klassischer oberösterreichischer ÖVPler, Kirchen- und Stammtischgeher …
Das war eine andere Generation. Aber man muss fairerweise sagen: Die Frauen in dieser Generation haben sich halt im Hintergrund gehalten, wollten sich ja nicht in den Vordergrund spielen, haben gedient, und das wurde sehr oft als selbstverständlich angesehen. Und wenn es dann mal nicht mehr so war, war es schlimm …

Mein Vater wurde dann aber überzeugter Grüner und ist aus der Kirche ausgetreten, immerhin.
Es gab in dieser Generation auch Männer, die ihre Frauen jahrzehntelang gepflegt haben, weil sie krank waren. Also … meine Seminare sind ja auch nicht dafür da, Männer und Frauen zu spalten, sondern ganz im Gegenteil: um die Erwartungshaltung der einen mit dem Verhalten der anderen in Einklang zu bringen.

Thema #MeToo: Was darf der Mann noch?
Wenn jemand im Beruf zur Kollegin sagt: Mah, du bist fesch, deine Frisur ist heute toll, dann wäre das ja normalerweise ein Kompliment, das einen freut. Warum aber ärgert das manche Businessfrau? Weil sie nicht über ihr Aussehen definiert werden möchte, sondern über das, was sie leistet. Das ist der Punkt.

Da krieg ich jetzt vielleicht gleich Probleme, aber genau darauf wollte ich noch hinaus: Sie sind eine sehr stilsichere, sehr gut aussehende Frau … Die Frisur ist toll!
Danke, dieses Kompliment nehme ich gerne an. Das ist ja auch Teil meiner Professionalität.

Sie sind aufgewachsen als Wirts­tochter im 18. Wiener Gemeindebezirk. Wie sehr hat das ihr Frau­sein mitgeprägt? Mussten Sie früh mitanpacken?
Natürlich. Ich kann mich erinnern, dass ich mit acht oder neun Jahren schon immer in den Keller geschickt worden bin, um den Wein zu holen. Den musste man damals noch mit dem Schlauch aus dem Fass herausziehen … und ich: Pfff! Grauslich!

Hat das Wirtshaus Ihre Kommunikationsfreude gestärkt? Sie reden ja gerne.
Das war die beste Schule für die Politik! Mein Vater hat immer gesagt: Ihr müsst zu allen freundlich sein! Außerdem konnte ich mit vier Jahren Kopfrechnen bis 66, weil unsere Stammgäste mir Schnapsen beigebracht haben. Meine Volksschullehrerin hat dann später ihrem Sohn erzählt, dass ich die beste Kopfrechnerin war.

Dann testen wir Sie mal: 7 x 8
56! Aber Sie können mich auch das große Einmaleins fragen! (lacht)

Sie kamen dann zur ÖVP des liberalen Erhard Busek, ein Mann, der auch mal über den Tellerrand hinaus geschaut hat. Solche Leute gibt es heute kaum mehr in der ÖVP.
Ja, die sind leider sehr stark zu den NEOS abgewandert.

Schade?
Ja, natürlich schade. Aber ich finde, die Jungen heute machen es nicht schlecht.

Sie meinen mit den „Jungen“ explizit auch den Kanzler Kurz?
Ja, natürlich. Das ist eine neue Generation von Politikern, und die ÖVP hatte diese sehr nötig, ich finde das gar nicht schlecht. Die sollen das ausprobieren, mal schauen, wie sie es machen. Sie dürfen sich nur nicht zu viel von der FPÖ gefallen lassen, und ihr soziales und grünes Gewissen dürfen sie auch nicht vergessen. Das sage ich als ehemalige Umweltministerin. Aber als die glaube ich auch, dass die Elli Köstinger da ganz gut unterwegs ist.

„Ich finde das gar nicht schlecht. Die Jungen sollen das ausprobieren, mal schauen, wie sie es machen. Sie dürfen sich nur nicht zu viel von der FPÖ gefallen lassen.“

Bald ist wieder Weihachten: „Wer klopftet an – oh zwei gar arme Leut’?“ werden wir wieder singen. Wie geht es da einer Christin, wenn sich der Parteikollege und Bundeskanzler Kurz in seiner Rolle des herzlosen Zusperrers gefällt?
Na ja, ich sag Ihnen ganz ehrlich: Wir können nicht das ganze Flüchtlingspotenzial dieser Welt aufnehmen, da verstehe ich ihn. Und ich verstehe auch, dass es den geordneten Schutz der Grenzen geben muss, wir haben ja 2015 gesehen, was passieren kann. Ich schätze die Angela Merkel sehr, und ich habe auch damals sehr geschätzt, dass sie gesagt hat: Wir schaffen das. Aber das hat ganz Europa vor eine riesige Herausforderung gestellt. Was ich mir heute aber wirklich wünsche: Dass man viel subtiler vorgeht bei gut integrierten Flüchtlingsfamilien in Österreich. Dass man die abschiebt, sehe ich nicht ein.

Man hat oft den Eindruck, es geht in dieser Diskussion sehr viel um Pose. Darum, böse und abschreckend zu wirken.
Das ist natürlich das, was manche Wählerschichten erwarten. Aber wenn ich höre, dass Lehrberufe erst begonnen werden, wenn der Asylbescheid abschlägig ist, dann werde auch ich hellhörig. Wenn die Jugendlichen aber eine Lehre machen, während das Asylverfahren läuft, bin ich auch der Meinung, sie sollten die Lehre zumindest fertig machen können oder auch hier bleiben dürfen.

Ewiges Thema Kopftuch?
Ich war lange dafür, dass die muslimischen Frauen es tragen dürfen, aber mittlerweile sehe auch ich es als Symbol der Unterdrückung. Wenn es die Mädchen in der Schule nicht freiwillig tragen, dann bin ich dagegen, dass sie es tragen müssen.

Es wird aber auch nicht jede zehnjährige oberösterreichische Bauerntochter freiwillig am Sonntag die Goldhaube zum Kirchgang aufsetzen.
Na sicher nicht. Ich war ja auch deswegen gegen das Verbot, weil ich gesagt habe, dass meine Vorfahrinnen aus einem burgenländisch-kroatischen Dorf nie ohne Kopftuch in die Kirche gegangen sind, aus welchen Gründen auch immer …

Man hat sich vielleicht früher die Haare nicht so oft gewaschen.
Möglich. Ich habe auch immer gesagt: Klosterschwestern – natürlich dürfen die ihren Schleier tragen, das ist religiöse Überzeugung. Aber wenn es nur darum geht, die Haare nicht zu zeigen, um den Mann nicht zu verführen …

… dann sollten alle um den Trump herum Kopftücher tragen … Hat der Herr Strache vielleicht Angst vor den Frauen, weil er so auf dem Kopftuch herumreitet?
(lacht) Also nein, sicher nicht! Ich weiß nicht, die wievielte Frau oder Freundin er jetzt gerade hat …

Ist er also vielleicht sogar ein Frauenversteher?
Das weiß ich auch nicht, so gut kenne ich ihn nicht. Aber jetzt als Sportminister muss ich sagen … sehr professionell, das macht er wirklich gut, so fair muss man sein. Er hat insbesondere auch ein hohes Verständnis für besondere Bedürfnisse, was mir wichtig ist, da ich ja eine blinde Tochter habe. Aber mit dem Minister Doskozil von der SPÖ zuvor habe ich mich auch sehr gut verstanden.

Auf Ihrer Homepage schreiben Sie: „Das Lächeln, das man zeigt, kommt zu einem zurück.“ Ist das nicht eine allzu weiche, typisch weibliche Ansage?
Beim Lächeln zeigt man ja auch die Zähne, und ich kann wirklich sehr tough sein. Man hat mir immer nachgesagt, dass ich so böse schaue im Fernsehen, wenn ich nicht lächle, und das hat etwas für sich. Dann wirke ich sehr ernst, manchmal fast böse.

Die ehemalige ÖVP-Ministerin hält Seminare zu „Feminismus für Anfänger“. Foto: (c) Maximilian Lottmann

Wenn wir schon von Frauen und Fernsehen reden – haben Sie noch den legendären Club 2 mit Nina Hagen in Erinnerung, wo sie sich selbst befriedigt hat? Und wenn ja, wie fanden Sie das?
Das war gut. Sehr gut.

Haben Sie auch mal so eine Lederhose getragen?
Ich habe als Kind immer Lederhosen getragen …

Ich meine so eine enge, schwarze wie die Nina Hagen im Club 2.
(lacht) Ach so, nein. Aber Lederhosen … als Kind natürlich, so eine kurze mit Trägern! Als man mir mal bei den Paralympics als Festkleidung eine kurze Lederne verpassen wollte … Da habe ich gesagt: Nein, dafür bin ich zu alt, und habe dann das gleiche Modell in Lang getragen. Aber dann habe ich auch die kurze probiert. Und ich trage sie privat sehr gerne.

Auf Ihrer Homepage findet sich auch Ihr Bundeshymnenantrag, wo Sie zusammen mit anderen weiblichen Abgeordneten „die großen Töchter“ im Text verankert haben wollen – ist man ein Gscheiterl, wenn man sagt, da sind ein paar Beistrichfehler in diesem Antrag?
In meinem Antrag sicher nicht!

Na ja, schon …
Das täte mich sehr wundern, ich bin da extrem heikel. Aber gut, ich muss da wieder mal reinschauen, diese Seite wird ja auch nicht gewartet …

Ich werd’s Ihnen ausbessern und schicken. Sie haben Sport studiert – Die hundert Meter, geht da heute noch was?
Hundert Meter geht schon noch, aber in welcher Zeit? Ich glaube, das Beste war mal zehn Sekunden und irgendwas.

Die Hundert Meter???
Nein, nein, die 60 Meter. Aber ich glaube, da habe ich mir einen Muskelriss zugezogen, weil ich ohne Aufwärmen gelaufen bin. Der John Harris wartet auf mich. Eine Zeit lang bin ich dort ja immer um halb sieben in der Früh hingegangen …

Darf ich fragen: Im rosa Jogging­anzug? Erfreulicherweise haben Sie ja keine Scheu vor dieser schönen Farbe.
Nein! Ich trage viel Rosa, aber keinen rosa Jogginganzug, ich schaue nicht gerne aus wie Schweinchen Schlau …

Auch nicht, wenn Sie in die Lugner City gehen?
Nein. In die Lugner City gehe ich ja nicht turnen. Beim John Harris war ich immer um halb sieben, und die Leute glauben immer noch, dass ich um acht schon wieder weg bin. Aber die verwechseln mich mit der Ingrid Korosec, weil die wirklich jeden Tag dort ist.

Maria Rauch-Kallat im Gespräch mit WIENER-Autor Manfred Rebhandl. Foto: (c) Maximilian Lottmann

Haben Sie Ihre Karten vielleicht an den Herrn Kanzler Kurz weitergegeben, der ja angeblich auch dort trainieren soll?
Der Wolfgang Schüssel?

Nein! Der Herr Kurz!
(lacht) Ach so.

Ist der Herr Schüssel immer noch Ihr Kanzler?
Nein. Aber dass der Sebastian für so was Zeit hätte, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Andererseits wäre es natürlich gescheit, wenn er es tut.

Andere Frage: Sind Sie vielleicht besonders schnell gewesen, als Sie aus dem Burgenland davongelaufen sind? Sie waren dort mit dem Herrn Mensdorff-Pouilly verheiratet, bis Sie sich 2015 von ihm trennten.
(lacht) Nein. Ich bin nicht weggelaufen, sondern gegangen.

Den Gefallen, Rauch-Kallat-Mensdorff-Pouilly zu heißen, haben Sie uns leider nicht getan.
Ich habe zwei Tage Mensdorff-­Pouilly geheißen, dann habe ich meinen Namen wieder auf Rauch-Kallat zurückändern lassen.

Sie haben damals in einem Schloss gewohnt …
… über zwanzig Jahre lang!

War das immer ein Wunsch von Ihnen: Prinzessin zu sein?
(lacht) Nein.

In diesem Jahr gab es bereits 54 getötete Frauen in Österreich. Häusliche Gewalt.
Schrecklich. Schrecklich. Da muss man sehr in Beratung und Prävention investieren. Aber diese getöteten Frauen waren ja teilweise auch in Beziehungen, die bis dahin völlig unspektakulär verliefen. Von Personen, die bis dahin unauffällig waren. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass das häufiger in Migrantenkreisen vorkommt als bei den Einheimischen. Vielleicht Messerstechereien, die haben schon eine gewisse Tradition, habe ich den Eindruck, in eher südlichen Gefilden …

In Wahrheit ist das eine aufgeblasene Boulevardzeitungsgeschichte.
Wahrscheinlich.

Wer hat eigentlich immer entschieden, wie viele Inseraten­gelder die Krone bekommt? Der Kanzler Schüssel selbst?
Also der Wolfgang Schüssel war sicher kein Liebkind der Kronen-Zeitung!

Stimmt. Als stilsichere Frau: Haben Sie dem Herr Doktor Schüssel vielleicht manchmal den Wink gegeben, dass er ohne Mascherl besser ausschauen könnte?
(seufzt) Das Beste an den Sanktionen war, dass er dann Krawatten getragen hat! Das war wirklich eine unendliche Geschichte mit den Mascherln! Wir hatten einmal einen ganzen Wahlkampf darauf abgezielt, dass er eine Krawatte trägt, Slogan: Wer Gutes bewahren will, muss manches verändern. Das letzte Sujet hätte den Wolfgang Schüssel eben mit einer Krawatte gezeigt. Genial! Aber er hat es uns nicht gemacht. Immerhin den Slogan durften wir behalten …

Der Herr Vranitzky war aber schon der besser gekleidete Bundeskanzler, kann man das so sagen?
Ja. Na ja. Ja. Aber nach ihm ist der Herr Klima gekommen …

Über Sie liest man immer: „Nebenher studierte sie“ … „Anschließend lernte sie …“. Gab es mal eine Zeit, wo Sie nichts gelernt haben?
Nein! Ich habe ja vier Lehramtsprüfungen gemacht …

Unter anderem in Russisch. Hätten Sie der Frau Außenministerin Kneissl unten in der Steiermark übersetzen können, wie der Herr Putin sich über sie und Österreich lustig gemacht hat bei ihrem Kniefall?
Nein, leider nicht. Verstehen tu ich’s schon noch, und lesen kann ich auch noch. Aber wenn man eine Sprache 30 Jahre nicht spricht, ist sie fast weg.

Maria Rauch-Kallat lehrt Männern den richtigen Umgang mit Frauen. Foto: (c) Maximilian Lottmann

Wagen wir also abschließend einen schönen Ausblick? Das mit Mann und Frau wird schon noch werden?
Aber freilich.

Dann darf ich mich mit einem Handkuss verabschieden?
(lacht) Gerne.

Maria Rauch-Kallat

wurde 1949 als Tochter einer Wirtsfamilie in Wien-Währing geboren, sie absolvierte das Gymnasium und ein Lehramtsstudium in vier Fächern. Anschließend unterrichtete sie in einer Schule in Wien-Favoriten. Das Erblinden ihrer damals vierjährigen ersten Tochter brachte sie in die Politik. Unter dem Wiener ÖVP-­Obmann Erhard Busek stieg sie kontinuierlich auf, bis sie div. Ministerposten bekleidete in den Fachbereichen Umwelt, Gesundheit, Jugend, Familie und Frauen. Seit 2007 ist sie als Unternehmensberaterin tätig.