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Norbert Steger – ein Hauch von Horst Mahler

Franz J. Sauer

„Mein Schicksal ist mir weniger wichtig als das der Partei. Ergreife, Jörg, die Hand und schlage sie nicht zurück!“ Über den Zusammenhang zwischen Tränen, Treppenwitzen der Geschichte und der Person Nobert Steger.

Der 13. September 1986 war im Rückblick betrachtet ein wichtiges Datum für die Österreichische Politik. An diesem Tag putschte mit Hilfe seiner später als „Buberlpartie“ bekannt gewordenen Gefolgschaft ein gewisser Jörg Haider die Parteispitze der FPÖ vom Feld. Mit seinem Vorgänger Norbert Steger, immerhin damals Vizekanzler der allerersten FPÖ-Regierungsbeteiligung der Geschichte, machte der junge, dynamische Goiserer buchstäblich kurzen Prozess. Zuvor hatte dieser noch am Parteitag zu Innsbruck um einen Kompromiss gefleht. Erfolglos, gar verlacht von der Basis. Die bei der Nachfolgepartie des VdU stets nationalistisch geprägt war.

Die Wende war 1986

Mit dem Haider-Putsch (Franz Vranitzky ließ die Regierung platzen, bei den folgenden Neuwahlen im November ’86 verdoppelte Haider bereits Stegers Ergebnis von 1983, der Rest bis heute ist ja hinlänglich bekannt …) schlug die FPÖ einen Weg ein, an dem sie bis heute, trotz aller Personalwechsel, konstant festhält. Noch etwas machte die Machtergreifung Haiders in Innsbruck hierzulande salonfähig: offenen Populismus, das Erodieren gewisser Formen von Anstand in Wahlkämpfen und den generellen Verlust jeglicher Benimmregeln in der politischen Diskussion – sei es im Parlament, in den Medien oder bei öffentlichen Auftritten welcher Natur auch immer.

Der dort gestürzte Norbert Steger war bis dahin sowas wie ein Garant für den Weg zu einer neuen, gemäßigten, „regierungsfähigen“ (so hieß es damals) FPÖ gewesen. Selbst laut seinem Wikipedia-Eintrag stand Steger für einen wirtschaftsliberalen Flügel der FPÖ, der die „Kellernazis“ loswerden wollte und einen liberalen, bürgerlichen Kurs einschlagen sollte. Aber die Parteibasis hatte ihre Verachtung dafür mehr als deutlich kundgetan. Und die Geschehnisse nahmen ihren Lauf.

Von der Politik in den ORF

Im Jänner 1987 zog sich Steger aus der Politik zurück und ging seinem Hauptberuf als Rechtsanwalt nach. Er verschwand, was die Öffentlichkeitsarbeit betrifft, in der Versenkung, zumal man ja in einer Haider-FPÖ nichts von ihm wissen wollte – er von ihr auch nicht. Sein Parteiaustritt erfolgte 1990. Erst unter Haiders Nachfolger Heinz-Christian Strache wurden wieder zarte Bande geknüpft,  als „Überraschungsgast“ trat er auf der 50 Jahr-Feier der Partei im Jahr 2006 auf, wenig später vereinbarten Strache und Steger, den Parteiaustritt rückgängig zu machen. Mutmaßlicherweise wirkte der Hass auf Haider verbindend. Neuerdings attestiert Steger Strache sogar „staatsmännisches Verhalten“. Ein Kompliment, dass es für Haider so nie gab.

Seit 2010 sitzt Steger nun im Stiftungsrat des ORF, stets betonend, dass er sich nicht mehr als Politiker sähe. Seit 2018 leitet er das Gremium, das man als den „Aufsichtsrat des ORF“ bezeichnen kann.

Und plötzlich ist von liberal im Tun und Handeln des ehemals geschaßten Parteichefs nichts mehr zu merken. Im Gegenteil: für die „unbotmäßige“ Berichterstattung von den ungarischen Wahlen stieß Steger harte Drohungen gegen die tätigen Redakteure aus. Und im aktuellen Anlassfall „Wolf gegen Vilimsky“ rät er dem ZIB2-Anchorman, ein Sabbatical auf Seherkosten zu nehmen.

Das alles freilich in Gestalt des guten Onkels. Der zuerst lobt, dann versteckt tadelt, von „Pragmatisierung“ mauschelt, sich selbst mal wieder durch die Vergangenheit seiner Familie reinwäscht (ob der Vater Stegers tatsächlich im KZ war, ist umstritten. Fest steht: er war NS-Parteimitglied). Insgesamt den Sympathen gibt, inhaltlich aber sehr wohl klarstellt, wo er steht.

Was ist es, das Norbert Steger auf seine alten Tage (immerhin 73, der Mann) zu einem FPler jenes Flügels werden lässt, den er früher so hart bekämpfte? Jenen Mann, der unter Tränen auf dem Parteitag, wo die rechten Recken der FPÖ mit ihm den Boden aufwischten, um die Hand von Jörg Haider flehte, auf dass die FPÖ eine liberalere werden könne? Müsste einer wie er sich, gemessen an seiner politischen Vergangenheit, nicht heute hinter Armin Wolf stellen? Seinen Parteifreund Vilimsky an die Kandare nehmen? Und auch die eine oder andere Breitseite anderer blauer Entscheidungsträger öffentlich verurteilen?

Ein Hauch von Horst Mahler

Norbert Steger ist heute auf Parteilinie wie noch nie, zumindest lässt er daran in öffentlichen Auftritten keinen Zweifel. Mit liberal hat diese blaue Linie skurrilerweise exakt seit jenem Tag nichts mehr zu tun, als man ihn, Norbert Steger, von der Parteispitze verdrängte.

Norbert Steger ist nicht der einzige politische Aktivist, der in seinem Leben die Seiten wechselt. Es gibt da durchaus Beispiele, einfach mal „Horst Mahler“ googlen. Zwar war Steger wohl niemals Nationalsozialist. Linksextrem war er sicher auch nicht, insofern mag der Vergleich zu weitgehend sein. Aber die Richtung stimmt.