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Millennial vs. Babyboomer: Sandro Nicolussis Antwort an Manfred Klimek

Ihr wart die Guten, wir sind es jetzt. Wenn ihr uns nur lassen würdet. Eine Antwort von Sandro Nicolussi an Manfred Klimek.

Text: Sandro Nicolussi

Meine Generation, sie ist jünger als deine. Jünger so wie Ernst, den du mit deinen „Stahlgewittern“ referenzierst? Deine Generation hat die Kastanien für uns aus dem Feuer geholt? Ja, ein paar mögt ihr rausgepickt haben – und gleichzeitig habt ihr die gesamte Mais­ernte Europas verheizt. Ihr habt euch für uns durch den Tränengasnebel gekämpft?

Danke, aber warum zur Hölle habt ihr jemals damit aufgehört? Schließlich seid ihr die Gene­ration, deren Leben direkt auf ­unsere hinunterkrachen wie eine Lawine aus Dummheiten, die ihr im besten Fall im Nachhinein ­bereut. Die Konsequenzen treffen aber uns – und nicht euch selbst.

Ihr seid die Generation, die für ­einen Brexit stimmt. Weil ihr euch dann mal wieder so richtig revolutionär fühlen könnt; wie damals im Tränengasnebel? Endlich wieder einen Umbruch erleben – die Leidtragenden sind eh andere. Ihr könnt euch im Schaukelstuhl vor dem Kaminfeuer eure Pfeife anzünden, während wir tagtäglich neue Meldungen erhalten, wie ­unser Wirtschaftssystem gerade ärger in den Sand gefahren wird als unsere Schaufel im Sand­kasten, die wir gerade erst aus der Hand gelegt haben.

„Ihr seid die Generation, die für ­einen ­Brexit stimmt. Weil ihr euch dann mal wieder so richtig revolutionär fühlen könnt; wie damals im Tränengasnebel.“

Ihr seid die Generation, deren Pension wieder so erhöht wurde, dass sie die massive Inflation wettmacht, während wir uns ­darüber Gedanken machen,
ob wir überhaupt jemals in den ­Genuss einer solchen Leistung kommen werden.

Ihr seid die Generation, die uns erziehen sollte. Uns schützen vor unseren eigenen Unzulänglichkeiten, aber auch vor euren. Sollten Hassreden auf Millennials, die vor einem Trümmerhaufen stehen, den zynische Generation-Xler auch noch „Leben“ nennen, nicht eigentlich Entschuldigungen sein? Entschuldigungen dafür, dass ihr es verfehlt habt, uns ein schönes Leben zu ermöglichen. Ein Leben, in dem wir uns entfalten können – damit wir dankbar sein können für alles, was ihr für uns erkämpft habt.

Shootingstar unter den Millennials: Schauspieler Johannes Nussbaum fotografiert von Hilde Van Mas

Stattdessen sind wir dankbar, wenn wir aus Solidarität von Gleichaltrigen sechs Likes auf ­unseren neuesten Twitterstatus bekommen, in dem wir uns zum wiederholten Male über unseren sturköpfigen Stiefvater auskotzen, der noch immer nicht verstehen will, warum ein fleischloser Burger die Form eines „richtigen“ Hamburgers hat.

Ihr seid die Trumps, die Konzernchefs und die Wasserpriva­tisierer dieser Welt – oder kurz ­gesagt: Ihr seid die, die uns verdammt nochmal unsere Zukunft vorleben. Ihr seid unsere Vorbilder. Zumindest solltet ihr das sein.

Ihr lacht über uns, wenn wir Recyclingkleidung tragen, und nennt uns Hipster, wenn wir ver­suchen, so zu leben, dass auch nach uns etwas übrig bleibt. Ihr sagt uns, dass wir es nicht übertreiben sollen, wenn wir mit Sternchen gendern. Und ihr seid die Vorgesetzten, die uns zur Generation Praktikum gemacht haben.

„Ihr sagt uns, dass wir es nicht übertreiben sollen, wenn wir mit Sternchen gendern. Und ihr seid die Vorgesetzten, die uns zur ­Generation Praktikum gemacht haben.“

Alles, was wir von euch wollen, ist eure Unterstützung. Unterstützung, während wir uns den Arsch aufreißen, um die Guten zu sein, obwohl wir uns nicht sicher sind, ob wir morgen noch zu unserem beschissenen Bürojob radeln werden, weil wir vielleicht heute noch in hohem Bogen rausfliegen. Wir leben mit einer Vision von einem guten Leben – und zwar für alle. In uns brennt die Utopie, die dieser Planet braucht.

Wir wollen Orwells „1984“ umschreiben in ein optimistisches „2084“, in dem es sich glücklich leben lässt. Und zwar auf allen Kontinenten dieser Erde, nicht nur im privilegierten Europa. Also lasst uns das doch endlich gemeinsam angehen.

Wir brauchen keine Stahlgewitter, keine brennenden Straßenzüge, keine blutige Revolution. Vor ­allem brauchen wir aber keine ­faden Generationenschlachten, die heutzutage sowieso nicht mehr Aufmerksamkeit erregen als die Enthüllung der Panama Papers (oder redet ihr darüber etwa noch?)

Was wir brauchen, ist ein Miteinander – um nie wieder solche Texte schreiben oder lesen zu müssen. Um nie wieder eine solche Ausweglosigkeit zu erleben. Um nie wieder auf die nachfolgenden Generationen zu blicken und uns darüber zu ärgern, dass wir es ordentlich verbockt haben.

Sandro Nicolussi, Foto: (c) Jana Sabo

Sandro Nicolussi (24) studiert Medienmanagement in Wien. Aufgewachsen in der Vorarlberger Provinz, verschlug es ihn bald nach Wien, wo er seit drei Jahren seinen Frust über diverse Weltgeschehnisse durch Rants in Textform verarbeitet. Sandro auf Instagram und Twitter: @vorarlwiener

Babyboomer vs. Millennial: hier geht‘s zu Manfred Klimeks Kolumne „In Stahlgewittern“!