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koks

Manfred Klimeks Gummizelle – Der Mann mit dem Koks war da

Ich schreibe diese Geschichte „voll auf Koks“. Nein, natürlich nicht. Aber bis vor zwölf Wochen habe ich mir jede Woche so eine kleine Plastikampulle reingepfiffen. Also ungefähr zwei Drittel von einem Gramm. Manche würden jetzt sagen: Na und?Ich habe nicht aufgehört, weil es meine Gallenblase zerissen hat (hat es!). Oder wegen des Gestammels, des Schweißes, des Zähneklapperns, der Selbst­isolation und des ganzen Drecks, den Drogenkonsum eben so mit sich bringt. Ich habe aufgehört, weil mein Arzt mich gefragt hat, wie lange ich zu leben ­gedenke. Und ich habe endgültg aufgehört, weil in Berlin innerhalb von acht Tagen zwei bekannte Fotografen starben. Und man kann sicher sein, dass das Marschierpulver – in Berlin stets und seit langen Jahren immer in Überdosis genossen – wohl seinen Teil an der Verantwortung für den Tod der beiden Männer gehabt hat.

In Berlin hat jeder die Nummer eines Koksdealers. Also jeder in Mitte, Friedrichshain, Kreuzberg und Neukölln – von dort sind sie her. Wirklich jeder. Selbst Rentner. Na gut: wohlbetuchte Rentner mit Sportwagen und „Was-auf-Malle-stehen-haben“. Der Prenzlauer Berg, wo ich wohne, ist quasi koksfrei. Die dort Zugezogenen gehören zum gleichen Gentrifizierungs-Gesindel wie jene, die sich in Wien in der Naschmarktgegend ansiedeln. Einmal hatte die einzige lustige Person im Haus – ausgerechnet ein Schweizer – ein Fest. Am nächsten Tag kam die Doppel-Kampfmutter, die im gleichen Stock wie der Schweizer wohnt, zu mir – natürlich eine Schwäbin –, zeigte mir Krümel und Staub einer weißen Substanz und bat mich, zu eruieren, was das denn sei. Ich nahm so einen kleinen, beim Zerteilen vergessenen Krümel in den Mund und rief: „Einwandfrei Koks! Nicht mal eine so schlechte Qualität!“ Die Doppel-Kampfmutter kriegte stante pede einen hysterischen Anfall, zog ihr Handy raus und wollte die Polizei rufen. Echt! Ich nahm ihr das iPhone einfach weg – wer will schon die Bullen im Haus? – und erklärte ihr, dass die Polizei in Berlin nur wegen Verkehrssünden oder eines Mordes ausrückt. Aber sicher nicht wegen den Resten von Koks auf dem Fensterbrett eines Altbaus am Prenzlauer Berg. Und sie solle sich ja nicht einbilden, dass der Arm des Gesetzes mit einer Hausdurchsuchungsgenehmigung anrückt und dem krächzlautigen Schweizer die Sperrmüll-­Möbelgarnitur (grüner Velours, ich habe da drauf eine Frau geküsst) aufschlitzt und nachsieht, ob in dem versifften Schaumgummi noch etwas Kokain rumliegt. Die Alte war etwas baff. Ich riet ihr zur Rückkehr nach Bietigheim-Bissingen oder wie die Kaffs dort heißen, die diese unfass­bare Anzahl Akademiker rauswerfen, sodass diese dann in Berlin stranden – tätig für irgendeinen völlig humorbefreiten süddeutschen Weltkonzern mit millionenschwerem Unnütz-PR-Etat, den die Konzernknechte dann in Berlin in schlechten Imitaten französischer oder italienischer Restaurants verballern. Wir sind etwas vom Thema abgekommen. Finden Sie auch? Na, dann sind wir ja einer Meinung.

Wo waren wir. Ach ja! Beim Koks. Wenn Sie jetzt von mir erwarten, dass ich reuig auf meine drei Jahre Koksgenuss (oder waren es vier? Hmm …) zurückblicke, dann sind Sie schief gewickelt. Es war eine prachtvolle Zeit! Und wenn man neben sich stehen und sich betrachten kann, wie man denn so wirkt auf die Leute, dann kommt man auch mit der Psychose gut zurecht und verlässt die Party, den Club, das Restaurant, die Wohnung (die des anderen, aber auch die eigene), bevor man die erste unsägliche Peinlichkeit, die man gerade angerichtet hat, mit einer zweiten krönt. Koks, das weiß ich, findet sich in den Taschen vieler deutscher Manager und Politiker. In Österreich wird das tatsächlich anders sein. Deswegen gibt (gab) es auch Typen wie Faymann. Kern und Drozda (Was? Sie wissen nicht, wer ­Drozda ist?) haben sicher schon mal mit Koks Kontakt gehabt, es aber nicht inhaliert. Das haben sie von Bill Clinton gelernt, diesem Mädchenverzahrer. Das Nicht-Inhalieren. Nicht das Mädchenverzahren! Schon wieder abgeschweift. Ich denke, der einzige drogenfreie Politstar Österreichs ist dieser neunmalkluge Außen­minister. Der ist ein Kandidat für die ­Erleuchtung auf natürlichem Wege – also Jakobsweg und das Fasten in einem Kloster, in dem man Einläufe bekommt und … Scheiße (passt gut zum Einlauf, das Wort), schon wieder weg vom Thema!

Ich jedenfalls habe völlig breit und bis in die hinterste Kopfhaut eingeschneit eine Geschichte für eine bedeutende deutsche Wochenzeitung geschrieben, die diese dann für den Nannen-Preis (können Sie gugeln) eingereicht hat. Den habe ich zwar nicht gekriegt, doch das Eingereichtwerden bringt in Deutschland schon genug Reputation mit sich. Wogegen man in Österreich (nein: in Wien!) für das Nichtgewinnen verhöhnt wird. Mir fällt auf, dass auch ich immer Österreich schreibe, wenn ich Wien meine. Doch das Widerliche in diesem Land kommt und entsteht fast immer in Wien. Oder in Salzburg. Und dann in diesem Kaff, wo dieser Gaballier (schreibt sich der so?) geboren wurde. Das hätte Bomber-Harris 1944 dem Erdboden gleichmachen müssen. Und nicht Dresden.

Jetzt bin ich wieder weg vom Thema. Können Sie mich nicht aufmerksam ­machen, wenn ich abschweife? Dazu sind Leser ja da! Ich habe in meinem Leben so gut wie jede Droge ausprobiert. Außer Crack. Ich hielt mich bis gestern für eine Person, die mit allem einfach aufhören kann. Mit dem Rauchen (1985), mit dem Trinken (nie), mit Koks (vorgestern). Ich hab Heroin probiert und festgestellt, dass das Zeug einen glücklich und asozial macht. Eines Tages kam eine Bekannte in den Grill-­Royal, begann zu weinen und erzählte, dass ihre Mutter gestorben sei. Ich hatte mir gerade einen Schuss beschlagnahmter afghanischer Ware (echt wahr!) setzen lassen (ich kann das nicht: eine Nadel in meinen Körper stechen) und fühlte nichts! Darauf habe ich nach meiner achten Dosis Heroin mit Heroin aufgehört. Glücklich und asozial kann man auch mit anderen Dingen werden. Aber selten gleichzeitig mit einem. Und außerdem mach Heroin schlechte Haut – trocken, Schorf, ihh!

Als eine mir sehr eng verbunden Person auf Meth abstürzte und sein Leben im Spital gerettet werden musste, nahm ich auch diesen Dreck, um zu sehen, was er anrichtet. Und Meth – das nehmen Sie jetzt bitte wörtlich – ist tatsächlich der Tod. Für einen denkenden Menschen. Für Menschen mit einem IQ unter Körpertemperatur, die man in den Haupkonsumgegenden von Meth (am Dorf) öfter findet, mag Meth die einzige Abwechslung zwischen Kuhdung und FPÖ-Bürgermeister sein. Für Menschen, die leben, lieben, verstehen und lernen wollen (und das sollte man lebenslang wollen), ist Meth der Tod. Und das weiß man gleich. Mir ist ein Rätsel, warum auch kluge Leute damit weitermachen.

Der Unterschied zwischen Koks und Meth ist einfach. Auf Koks kannst du irgendwann pennen. Du kannst dir noch so viele Linien reinziehen, meistens ist nach fünfzig Stunden Sense. Wenn du durchgetanzt hast, schon nach dreißig. Auf Meth aber bleibst du wach. Und du bleibst dumm wach, kannst mit dir nichts anfangen (was bei Koks meist nicht der Fall ist). Während der Wirkung bist du dreimal mehr Kaiser als die Kaiser, die auf Koks Kaiser sind. Und jeder Kluge – also ich –, der einmal Meth genommen hat, weiß, wie dröge und leer die Stunden sind, bis dieser Scheißdreck aus dem Körper verdunstet ist. Ich konnte 20 Stunden mit nichts und niemandem etwas anfangen. Einzig und alleine mit einer neuen Dosis Meth. Die habe ich mir freilich unterschlagen. Das war bei Koks nicht so.

Zurück zu vorhin, als ich schrieb, dass ich von mir denke (dachte), dass ich mit allem einfach aufhören kann. Ich habe ja schon einmal in den 80ern gekokst. Da war ich beim WIENER. Aber zu der guten Zeit, nicht zu der Zeit, als die Unsympathler ihn sich gekrallt haben. Und ich glaube, ich war der einzige (außer diesem megasympathischen Kärntner Anzeigenkeiler), der damals beim Wiener gekokst hat. Aber ich habe aufgehört. Und stattdessen (orales Suchtprofil) mit dem Château-­Latour-Trinken angefangen. War tatsächlich günstiger. Wäre es heute nicht.

Aber diesmal hat mich das Koks gekriegt. Ich kann nicht unbetreut damit aufhören und musste mir eingestehen, ein Suchtkranker zu sein – jemand, der einen Psychoklempner konsultieren muss. Das halte ich freilich für rausgeworfenes Geld der Solidarversicherung, jedoch wird es sich nicht vermeiden lassen. Ich muss sagen: Ich brauche Hilfe.

Ja, ich gestehe: Ich bin wieder rückfällig geworden und habe auch diesen Artikel „voll auf Koks“ geschrieben. Liest man ja! Die vielen Abweichungen im Text; das Nicht-klare-Linie-Behalten, das andauernde Ich, Ich, Ich!

Und? Haben Sie es geglaubt?
Was? Na das!