Motor

Nichts als ein Sportwagen

Der Antrieb ist zweitrangig, wenns nach den Machern hinter Piëch Automotive geht. Es geht um Stil, Style, Fahrspaß und das Geile, das Sportwagen auch in 100 Jahren noch ausstrahlen werden. Warum also nicht ein lieb­gewonnenes Kleinod mit modernster Technik ausstatten?

Text: Franz J. Sauer / Foto Header: Marie-Louise Cadosch

Rea Stark Rajcic und Toni Piëch stammen teils aus großen Automobil-Familien. Allerdings nicht, und das ist wichtig, zu ­betonen, aus der Automobilbranche. „Vielleicht gestattet uns das einen etwas entspannteren Blick auf die Szenerie. Auf dass wir erkennen können, woran es wirklich fehlt oder was die Leute unserer Meinung nach haben wollen.“ Der Designer, Kreativdirektor und Co-CEO von Piëch Automotive, Rajcic, besuchte die Kunstschule in St. Gallen, gründete seine ersten Firmen schon als Teenager und designte bereits für Panasonic, Sony und Canon in Japan. Nun hat er für Piëch den Mark Zero gezeichnet. Ein Sportauto, das klassische GT-Formen zitiert und ausbaut, mit bekannten Sportwagenzitaten arbeitet und spielt, schon im Stehen schnell aussieht. Und in uns ­Automobilisten der alten Schule, der letzten Generation also, die das Auto noch als natürlichen Bestandteil ihrer Umwelt wahrnehmen und lieben, po­sitivste Assoziationen weckt. Benzingeruch und Motoren­geräusch inklusive. 

Foto: Marie-Louise Cadosch

„Und damit sind wir am Punkt. Unsere Generation weiß noch, wie ein Ferrari klingt, wie es am Daytona-Raceway riecht. Die nächste Generation weiß das nicht. Und braucht es auch nicht, es interessiert sie nicht. Bloß die haptischen Werte spielen dann noch eine Rolle bei einem Sportauto.“ Soll heißen: Vortrieb, Speed, Hightech-Faszination und die Freude an gediegener Fortbewegung mit Racing-Appeal. All das ist längst auch mit Elektromotoren hinlänglich zu generieren. Demzufolge spielt es in den Überlegen von Piëch und Rajcic auch eine eher untergeordnete Rolle, ob der Mark Zero von einem Strom-Motor, Wasserstoff oder einem Compulsion-Triebwerk in weiterer Zukunft angetrieben wird. „Der Antrieb ist austauschbar, das Wesen des ­Sportwagens aber nicht.“  

Foto: Piech Automotive

Es ist ja nämlich so, dass derzeit von den Autofahrern erwartet wird, buchstäblich im Vorbeigehen die Welt zu retten – was freilich so nicht klappen wird. Dass dabei als Kollateralschaden auch all das, was man an schönen Autos eben schön finden kann – ihre Form etwa, ihre technologische Exzellenz, ihr Industrial ­Design und ihre Muskulosität –, gleich mit verteufelt wird, ist ein ­Zeichen der Zeit. Differenziert wird ungern in Social Media-­Land. Und wenn die Sonne des Diskurses tief steht, werfen bekanntlich auch die hasserfülltesten Hetzer lange Schatten. 

Derlei Entwicklungen hinterher zu japsen hat vielleicht die Autoindustrie nötig, Piëch ­Automotive nimmt sich hier ­genüsslich raus. Spielt in der Bewerbung und Aufladung des Mark Zero mit durchaus althergebrachten Totems, wie man auf diesen Seiten hier schön sehen kann, die, und davon ist Rajcic überzeugt, nicht nur alten weißen Männern gefallen werden. „Als wir am letzten Genfer Salon erstmals unser Auto zeigten, installierten wir auf unserem Stand eine Bar, die erlesene Drinks servierte. Da ging ein Aufschrei durch die Menge – Autos und Alkohol? Das geht doch nicht! Doch, sagten wir, das geht sehr wohl. Es gehört sogar irgendwo zusammen.“ Weshalb sich einer wie Rea Stark Rajcic auch nicht davor scheut, auf Fotos mit Zigarette „erwischt“ zu werden.  

Foto: Oliver Gast

Das Auto, wie es derzeit dasteht, ist freilich bekennender Nichtraucher. Zwei Asynchronmotoren, je einer an jeder Achse, leisten insgesamt 612 PS, was für einen 100er-Sprint in drei Sekunden reicht (Spitze 250, eh klar). Das Gewicht des Renners bleibt hierbei deutlich unter 1.800 Kilogramm, was entsprechende Fahrdynamik ermöglicht, punkto Vortrieb wird dem geneigten Automobilisten also nichts auІer Lärm abgehen. Die Reichweite wird mit 500 Kilometern nach WLTP-­Standard angegeben, um das Auto zu 80 % vollzukriegen, reicht eine Ladezeit von vier Minuten 40. Ja, vier Minuten vierzig, Man hat sich nicht verlesen. Und spätestens hier fällt einem das bereits auf den Lippen liegende „Jo eh“ angesichts versprochener Leistungsdaten kommender Elektroautos ganz schnell wieder in den Kehlkopf zurück. Denn derlei Fabelwerte, die ja punkto Zeit auch einen aktuellen Tankstopp kaum übertreffen, hat noch niemand gewagt, vorherzusagen.

Foto: Marie-Louise Cadosch

Eine neuartige Batterietechnologie wurde hier erstmals für den Automotive-Bereich adaptiert, neuartige Zellen ermög­lichen schnelles Laden bei ­geringer Termperaturentwicklung, ohne dabei die Lebens­dauer des Akkus insgesamt ­einzuschränken. Zur Batterie wird auch die entsprechende Ladeinfrastruktur gleich mit­geliefert, womit sich das Zapfen an derzeit ­verfügbaren inter­nationalen Stromnetzen in der genannten Schnelligkeit natürlich in Frage stellt. Typ-2-Stecker funktionieren auch, dauert dann halt zehn Minuten. Aber das wird man erst im Test am Gerät feststellen können. Gegen jegliche Unkenrufe stellt sich hier freilich die Aura eines ganz und gar gewichtigen Familiennamens. Was ein Piëch in Sachen Automobil vorlegt, sollte ernst genommen werden, wie man spätestens seit Quattro, Phaeton und dem Einliterauto wissen sollte.

Foto: Marie-Louise Cadosch

Rea Stark Rajcic und Toni Piech sind vielleicht Visionäre, aber sicher keine Fantasten. Folgerichtig sehen sie auch die Marktzukunft für alle Autos, die „Elektro“ im Namen tragen, nicht ganz so rosig wie die ­Allgemeinheit. „Klar ist: ein Sportwagen nähert sich in ­Sachen Stellenwert im Konsumgefüge immer mehr einer teuren, mechanischen Uhr an: Man wird sie immer weniger brauchen. Gleichzeitig ist das aber auch ein Garant dafür, dass es beide Dinge noch lange geben wird. Weil es auch weiterhin Menschen geben wird, die eben genau das haben wollen, was sie nicht unbedingt brauchen.“  

Derzeit ist das Auto ein ­Designmodell, das als Techno­logieträger fungiert – einen fahrbaren Prototypen gibt es im Sommer 2020, mit einem Marktstart ist ab 2022 zu rechnen. Der Preis ist verblüffend volksnah kalkuliert, liegt nach derzeitigen EinschКtzungen bei etwa 170.000 Euro (ohne Steuern). Damit ist man aktuell in der Nachbarschaft eines gut dotierten Porsche 911 unterwegs, liegt sogar etwas unter der sozusagen direkten Konkurrenz aus Zuffenhausen namens Taycan. Dass bis zum Marktstart noch einiges an Zeit vergeht, die beim Tempo derzeitiger Entwicklungen ein paar Unwägbarkeiten trägt, ist allen Beteiligten bewusst. Aber der Weg ist vorgegeben und das Ziel sicherlich kein kurzfristiges.

Foto: Marie-Louise Cadosch

Rea Stark Rajcic und Toni Piëch sind das Macher-Team hinter Piëch Automotive, das Model auf den Bildern heißt Naomi Larbi, und Fotos mit Zigaretten in der Hand oder Alkohol in der Nähe sind hier kein Problem.