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James S. Jameson – Rassisten, I presume?
Black Lives Matter oder warum selbst ein banaler Schluck Whiskey im Hals stecken bleiben kann. Unser UK-Korrespondent berichtet.
Foto: Getty Images
Im Keller der 1830 gegründeten Londoner Royal Geographical Society (RGS) steht hinter Glassturz ein von der Maßschneiderei Hawkes angefertigter Tropenhut, den der in Wales geborene Journalist (Sir) Henry Morton Stanley trug, als er 1871 am Tanganjikasee, Zentralafrika, den verschollenen Missionar David Livingstone fand und mit den ikonischen, symbolisch für das sogenannte „Jahrhundert der Entdecker“ stehenden Worten „Doctor Livingstone, I presume?“ begrüßte. So die „New York Times“ vom 2. Juli 1872, der Kolonialismus am Höhepunkt. Im Lauf seiner späteren Streifzüge im Sold des belgischen Königs Leopold II. hatte Stanley bald einen Ruf, der ihn heute zum Serial Killer stempelt („Er schießt auf Schwarze, als wären sie Affen“ usw.). Außerdem hatte er einen Vize. Der hieß James Sligo Jameson, war Ururenkel von John Jameson, dem Gründer des irischen Whiskey-Imperiums, und sah sich als Naturforscher. Letzterer ging mit ihm wohl durch, als er laut Bericht (wieder „New York Times“, 14. 11. 1890) eine zehnjährige Sklavin erstand (Preis: sechs Taschentücher) und das Mädchen einer Gruppe Kannibalen überließ, um Augenzeuge so eines Prozesses zu werden. Das wurde er, wie er in seinem Tagebuch ausführlich beschrieb (Zitat: „Das Mädchen machte keinen Mucks.“). Außerdem fertigte er sechs Zeichnungen vom Geschehen an, die er später mit Wasserfarben bemalte. Es gibt Dinge, die willst du nicht so genau wissen – wozu die mörderischen Exzesse anno Kolonial-Afrika entstauben?
Die Gegenwart ist hart genug. Nur ist es mit dem allgemeinen Bewusstsein in Sachen Rassismus nicht sonderlich weit her, noch vor zehn Jahren wurde Stanley in seinem walisischen Geburtsort Denbigh trotz landesweiter Proteste eine stattliche Statue errichtet. Immerhin: Das wäre heute nicht mehr möglich, mit dem Polizistenmord an George Floyd schlug der Zeitgeist um, in Bristol wurde die Statue des allzu lange als Wohltäter der Stadt gehandelten Sklavenhändlers Edward Colston vom Sockel geholt, Stanleys Mahnmal steht vor dem Abriss, sogar das Stanzen der Textzeile „Britons never will be slaves“ aus der Ruhmeshymne Rule Britannia wird ernsthaft diskutiert. Mit Black Lives Matter schlug der Zeitgeist um, herrscht Nachhilfe in Sachen Roots, selbst in Wien gingen dafür 50.000 Menschen demonstrieren. Und solange Autos angehalten werden, nur weil ein Schwarzer am Steuer sitzt, hat das wohl seinen Sinn. Solange Menschen wie dir und mir aufgrund der Hautfarbe ein mieser Deal serviert wird, kann es nützlich sein, wenn dir beim Nippen an einem Glas Jameson Gedanken zwischen die Ohren geraten, die du eigentlich nicht brauchst.
Quelle: Dictionary of National Biography, en.wikisource.org/wiki/Jameson,James_Sligo(DNB00)