KULTUR

John Coltrane – My Favorite Things

Saxofon-Legende John Coltrane hätte man sich schwer bei einem Wiener Schnitzel vorstellen können. Aber der Klassiker der Wiener Küche und ein Klassiker von John Coltrane ­haben einiges gemeinsam.

Foto Header: Getty Images

Denn 1961 erscheint Coltranes Album „My Favorite Things“. Das Titelstück ist eine Bearbeitung des gleichnamigen Broadway-Hits aus dem Musical „Sound of Music“. Und darin schwärmt die Protagonistin vom Schnitzel aus der Heimat. Dass Coltrane sich das Stück vorgenommen hat, hat aber nicht kulinarische, sondern musikalische Gründe.

Im Herbst 1960 trommelt Coltrane seine Musiker für sein drittes Album als Bandleader zusammen. In den Atlantic Studios in New York finden sich zwei neue Gesichter: Pianist McCoy Tyner und Drummer Elvin Jones. Bereits zuvor mit ­dabei war Bassist Steve Davis.

Wenn man verstehen will, warum sich aus­gerechnet Coltrane einen Broadway-Hit als Titelstück des neuen Albums wählt, muss man zunächst einen Blick auf das Vorgänger-Album werfen. In „Giant Steps“ hat er ein Jahr zuvor den Bebop an seine Grenzen getrieben, und – böse gesagt – eher Jazzdenker, als Jazzhörer angesprochen. Mit seinem neuen Album wollte er ein breiteres Publikum ansprechen, ohne den ­Anspruch an seine Musik zu verleugnen.

Foto: Getty Images

Formal betrachtet ist es sein erstes Album im modalen Jazz. Das heißt, es gibt nur wenige Akkorde, dafür ausgedehnte Soli in verschiedenen Skalen, für die sich Coltrane vom indischen Musiker Ravi Shankar inspirieren ließ. Was das Titelstück „Favorite Things“ für den modalen Jazz ideal macht, ist seine spezielle Struktur, die es möglich macht, die Melodie sowohl über Dur als auch Moll-Akkorde zu spielen. Der Melodie fehlen nämlich die Terzen, die für die Definition als Moll oder Dur entscheidend sind.

Außerdem auf dem Album zu finden sind Bearbeitungen der Cole-Porter-Standards „Every Time We Say goodbye“ und George Gershwins „But Not For Me“. Und Gershwins Klassiker „Summertime“ ringt er mit der modalen Spiel­weise ebenfalls neue Seiten ab, wobei er das Tempo spürbar anzieht.
Die größte Wirkung entfaltet nach Erscheinen das Albums aber das Titelstück. „My Favorite Things“ wird zum Jazz-Hit und etabliert Coltrane als Fixstern des modalen Jazz. Schnitzel sei Dank. Guten Appetit beim Neuentdecken von Coltranes großartigem Album.

Good to know – Musikwissen, mundgerecht. Im WIENER und live auf Superfly FM, your SoulRadio (98,3 MHz oder www.superfly.fm)