AKUT

Glen, der ehrliche ­Fleischer – Abschied von einer Ikone

Manfred Sax

Zuerst die Pandemie, jetzt auch noch das: Winchesters Stadt-Ikone Glen „the honest butcher“ Davies hat seinen Marktstand verkauft. Nach fast 30 gemeinsamen Jahren steht unser England-Korrespondent ohne persönlichen Fleischer da. Manfred Sax hat fertig.

Text: Manfred Sax / Fotos: Billy Sax

Am Ende brachte der Glen’sche Feelgood-Faktor fast schon den Blues. „Mänfred“, sagte er etwa, „ich hab gestern auf der Lymington-Farm dieses Schulterstück gesehen, da hab ich gleich an dich gedacht.“ Es war, logisch, der perfekte Sunday Roast. Persönliche Nähe war die große Kunst von Glen Davies, auf dessen mobilem Marktstand die Worte „the honest butcher“ prangten. Winchester, einst die Hauptstadt Englands, hat drei Wahrzeichen: die Kathedrale (seit dem 7. Jahrhundert), die Statue von King Alfred (seit 1899), und Glen Davies (seit mindestens 1993, da geriet ich in die Stadt). Mindestens 28 Jahre lang parkte Glen allwöchentlich vom frühen Freitag bis zum späten Samstag sein Vehikel am Markt und war viel mehr als nur ein Fleischer. Er war einer dieser Katalysatoren, die ein Ort wie Winchester nun mal braucht. Hier existiert noch das Klassensystem, da weiß jeder, wo er hingehört – die Arbeiterklasse ins Stadtviertel Stanmore, die Middle Class nach Fulflood unweit des Bahnhofs, die Aristos am Stadtrand, dort, wo die Wälder und Parks sind. Aber am Wochenende kreuzen sich die Klassen, am Marktplatz kommen alle zusammen, und alle lieben Glen, der findet bzw. fand die richtigen Worte für alle. Ein kleiner Wortwechsel mit Glen, schon ist bzw. war der Tag ein guter.

Wir hatten einen schweren Beginn, Glen and me. 1993 war das Jahr der „Mad Cow Disease“, ich arbeitete an einem Interview mit einer Kuh namens Fergie (ja, wirklich) und spazierte erstmals durch den Markt, als eine kernige Stimme erschallte: „Fancy some Sirloin, Sir?“ – Ich drehte mich Richtung Stimme, und da war er also. „You must be joking“, antwortete ich, darauf er: „Suit yourself, Sir.“ So entstand eine lange, meinerseits innige Beziehung. Es war bald klar, dass einer, der mit allen kann, auch die besseren Informationen hat. Beispiel Mark Oaten, Anfang des Jahrtausends der MP (Member of Parliament) der Stadt, ein äußerst eloquenter Familienmann, wenn auch mit dem Tick, sich gelegentlich mit einem Callboy zu vergnügen. Ein Skandal, der ihn die Politkarriere kostete, aber Glen hatte auch in diesem Fall die gewisse Info mehr. „Weißt du“, sagte er, „ich kenne seine Gattin Belinda, die ist mit einem Girlfriend happy.“ So war das mit Glen, ein Jammer nur, dass die Zeit für Glen-Talk so knapp bemessen war, so nebenbei musste er ja auch sein Fleisch verkaufen, jene bei den Bauern von Hampshire aufgelesenen Happen, die kein Supermarkt zu bieten hat. Am letzten gemeinsamen Markttag zeigte mir Glen ein Foto seiner neuen Heimat – ein riesiges Anwesen in Wales, eine Mansion mit Wiesen und Wald, na hallo, über so Dinge wie Besitz und Geld haben wir nie geredet. Und jetzt sind die letzten Worte gewechselt. Unvorstellbar, der Markt von Winchester ohne Glen. Nicht auszuschließen, dass bald niemand mehr hingeht. Möge der letzte, der den Markt verlässt, das Licht ausmachen.

Info: Glen the honest Butcher auf Facebook: https://www.facebook.com/Glen-davies-market-butchers-1535790503370157