AKUT
VENUS MIT PELZCHEN
1982 – Zur Orientierung: Helmut Kohl wird deutscher Bundeskanzler, Michael Jackson veröffentlicht ein Album namens „Thriller“, Leopold Gratz ist Bürgermeister von Wien, Bruce Springsteen beginnt mit den Aufnahmen zu „Born in the U.S.A.“, Krieg um die Falklandinseln, ABBA gibt‘s nicht mehr, Prince William erblickt das Licht der Welt, „E.T.“ rührt die Herzen der Kinozuschauer, Ronald Reagan und Leonid Breschnew kämpfen den kalten Krieg, Romy Schneider stirbt und der WIENER hat das erste mal „a Nockerte“ am Cover! Die Story zum Skandal von 1982:
Schon ein Thema – Sonja Martin, das Penthouse-Mädchen aus Mödling. Wer schreibt’s? Eva Deissen, Österreichs prominenteste, wenn auch nicht radikalste Feministin.
Ein erfrorener Spatz mit großen Augen. Die mit Haargel gesträhnte Frisur unterstreicht die Impression eines ins Wasser gefallenen Vogerls. Der Spatz heißt Sonja und schlürft heißen Tee. Sie ist verkühlt.
Doch unterscheidet sie vom Rest der verkühlten Zeitgenossen, daß sie selbst in diesem verschnupften Zustand soeben ein paar Stunden splitterfasernackt vor einer Kamera herumgehüpft ist. Die kuscheligen Pelze, die von einer hektischen Stylistin soeben eingesammelt werden, hatten keine wärmende, sondern lediglich dekorative Hintergrundfunktion. Die Venus im Pelz schlüpft wieder in schlichte Ballonseide.
Wem der Name Sonja Martin nicht auf Anhieb etwas sagt, dem wird auf die Sprünge geholfen: ,,Na weißt eh, das Penthouse-Mädchen aus Mödling.“
Als solches wurde sie durch einen Auftritt in Joki Kirschners Familientreff „Tritsch-Tratsch“ auch jenem Teil des Publikums ein Begriff, der selten oder nie 60 Schilling im Monat für marzipanfarbene Nackedeis ausgeben kann oder mag.
Seither feilt Sonja in eigener Sache emsig an einem Persönlichkeitsprofil, das tunlichst schärfere Konturen als das eines Ausziehmädchens haben soll.
SONJA MARTIN – Von sich selbst spricht sie in der dritten Person
So führt die Zwanzigjährige eine säuberlich getippte und vervielfältigte Selbstdarstellung mit sich, in der vielfältige Tugenden und Talente der Musterschülerin Sonja säuberlich aufgelistet sind. Um Berichterstattern Denkarbeit zu sparen, spricht sie dabei von sich selber gleich druckreif in der dritten Person:
„In der Oberstufe des Gymnasiums in Mauer, einer in Österreich bekannt liberalen Schule, wählt sie den musischen Zweig und belegt Klavierunterricht. Zur gleichen Zeit sind auch ihre äußeren Vorzüge nicht länger zu verbergen, und zumal sie darüber hinaus auch keinerlei Ambitionen in Richtung des Versteckens ihrer Reize entwickelt hat, lassen sich ihre ersten Auftritte vor Publikum im Rahmen von Modeschauen nicht länger aufschieben.“
„Scheu und unnahbar“, wie sie laut Selbstdarstellung damals ist, nimmt ihr Schicksal wie von selber seinen Lauf: „Im März 1980 begegnet sie durch Zufall im Wiener Hilton Jürg Maquart, der Mädchen für das deutsche Penthouse sucht.“
Marquart preist die Laune des Zufalls und die Qualität der Probeaufnahmen, doch findet er Sonja noch zu jung für Penthouse und rückt ihre Konterfeis vorläufig in der Jugendgazette ,,Pop Rocky“ ein.
Schon nackt – aber nur in der deutschen Ausgabe
Im ersten Semester ihres Medizinstudiums erledigt Sonja dann nicht nur das Physik- und Chemierigorosum, sondern auch ihr Debüt als „Pet of the Month“ im deutschen Penthouse.
Über diese Beschränkung auf die deutsche Ausgabe ist sie ganz froh: ,,Ich bin ein Mensch, der nix dagegen hat, Aktfotos zu machen, Nacktfotos, solange sie ästhetisch sind. Im deutschen Penthouse sieht man wegen der Zensur nichts von einer Möse und so, im amerikanischen, das sind halt Gynäkologenfotos, und dagegen verwehr‘ ich mich. Ich würde so Gynäkologenfotos total unästhetisch finden und würde sowas nie machen.“
Obwohl Journalistenkollegen dann und wann von einer Männerstimme am Telefon dringlich ermahnt wurden, ihre Chance zu einem Interview mit dem Penthouse-Pupperl wahrzunehmen, will Sonja doch für ihre Karriere ganz allein zuständig sein: ,,Mein Freund hat mit meinem Busineß überhaupt nichts zu tun, darauf bin ich sehr stolz, daß ich mein Busineß nicht übers Bett mache. Er kennt viele Leute, aber er hat nie versucht, mir weiterzuhelfen.“
In ihrer Selbstdarstellung attestiert sich Sonja nunmehr, daß sie „aus den Gesellschaftskolumnen der großen Tageszeitungen nicht mehr wegzudenken“, dabei aber „erfrischend natürlich“ geblieben ist.
Nun muß sie doch sein, die Gretchenfrage. Fühlt sich ein Mädchen wie Sonja nicht ausgebeutet, wenn mit ihrem nackten Körper Millionen umgesetzt werden? Die Antwort ist ein hörbar vorkalkulierter Gegenschlag: ,,Ich fühle mich in keiner Weise ausgebeutet. Fühlst du dich ausgebeutet? Ich stell‘ ja nur meinen Körper zur Verfügung, du stellst was wesentlich Intimeres zur Verfügung, du stellst deine Gedanken zur Verfügung, du gibst dein geistiges Erbe, das eigentlich viel, viel mehr ist, weiter. Ob mein Körper oder der von nebenan, das ist in Wirklichkeit wurscht. Persönliche Gedanken, das ist eigentlich was viel Intimeres.“
Mozart mag sie gar nicht
Sonjas erster Spielfilm war „Eis am Stiel“, sie spielte darin eine allerdings ganz friedfertige Soldatin. Dennoch bekam sie während der Dreharbeiten in Israel die Schrecken des Nahostkrieges hautnah mit. Seither interessiert sie sich sehr für das Palästinenserproblem, zur Zeit liest sie Raymonda Tawils Buch ,,Mein Gefängnis hat viele Mauern“. Beim Lesen tankt sie oft nach Dreh- oder Fotoarbeiten geistig auf. Lieblingsautoren: Walraff, Musil, Polgar, Kuh, Böll, Camus, Kisch, Horvath, Handke.
,,Mozarts verspielte Dürftigkeit“ hingegen hat sie auf ihre persönliche Out-Liste gesetzt.
Daß ihr derzeitiges Metier ein absehbares Ende haben wird, läßt sich im Besitz eines ausgezeichneten Maturazeugnisses (,,Andere Mädchen kommen in das Busineß hinein und haben nicht einmal eine Lehre“) und im Hinblick auf das leicht vernachlässigte, jedoch keineswegs abgebrochene, Medizinstudium (Berufswunsch: Kinderärztin) leicht verkraften.
Sonja hat geschafft, wovon viele hübsche Mädchen vergeblich träumen: Den Sprung auf die Ausklapp-Mittelseite von Penthouse. Wie fürstlich wird solche Zurschaustellung der jugendlichen Knackigkeit eigentlich honoriert?
Zum erstenmal während des Gesprächs flattern Sonjas Augenlider ein wenig: ,,4000 Mark, das ist nicht schlecht für dreieinhalb Tage Arbeit.“
Wer die Tarife kennt, muß da leider feststellen: Die Männerstimme, die Sonjas Termine ausmacht, hat nicht cool genug gepokert.
von EVA DEISSEN
Nachtrag:
Sonja Martin – Filmographie
1982 – EIS AM STIEL 4
1983 – DIE UNGLAUBLICHEN ABENTEUER DES GURU JAKOB
1984 – EMMANUELLE 4 (mit Sylvia Kristel)
1985 – RED HEAT (mit Linda Blair)
1986 – CRIME OF PASSION
1987 – EIS AM STIEL 7
1987 – PLAZA REAL (mit Jon Finch)
1988 – EIS AM STIEL 8
Sonja Martinowitsch zog sich 1989 aus der Öffentlichkeit zurück ……