Interview

Wayne Griffiths: Wir müssen das Ding noch einmal drehen

Christian Jandrisits

Wayne Griffiths. Er ist derzeit der wohl unkonventionellste Vorstandsvorsitzende in der Automobilbranche. Der 56-jährige Brite würde auch gut zu einem Mode- oder Sport-Unternehmen passen – und im Grunde genommen hat das spanische Marken-Duo Seat und Cupra ja auch etwas von beidem. Im Umgang lässig, in der Sache aber extrem fokussiert – so lässt sich der vor sechs Jahren von Audi zur spanischen VW-Tochter gewechselte Manager am ehesten beschreiben. Im exklusiven Interview mit dem WIENER spricht er über seine Jugend in England, was ihn antreibt und welche Aufgabe seine Generation zu erledigen hat. Und über Gin.

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WIENER: Sie passen so gar nicht in das Schema eines Vorstandsvorsitzenden. Der Style, die Mode, die Frisur – war das immer schon so? 

Wayne Griffiths: Das war immer schon so. Wahrscheinlich ist es ein Wunder, dass ich so weit gekommen bin, ohne mich zu verändern. Viele Leute auf dem Weg nach oben verändern sich, aber ich bin immer so geblieben, wie ich sein will.

WIENER: Man kann sich Sie schwer bei Audi, heute Inbegriff des Konservativen, vorstellen.

Griffiths: Wahrscheinlich habe ich da auch öfter Anzüge getragen. Aber jetzt, wo ich selber der Chef bin und keine Anzüge mehr trage, trägt keiner in der Firma mehr welche. Mein Stil, meine Art, sind aber nicht aufgesetzt wegen Cupra oder so – ich bin einfach so.

Seit 2020  ist der gebürtige Engländer Vorstandsvorsitzender  der Marken Seat und Cupra.

WIENER: Was wäre Wayne Griffiths von Beruf, wenn er nicht Automobilmanager wäre?

Griffiths: Musik interessiert mich sehr, aber wahrscheinlich wäre ich Filmregisseur.

WIENER: Vielleicht sind die beiden Berufe in der Praxis ja gar nicht so unterschiedlich.

Griffiths: Ja, Parallelen gibt es tatsächlich – es kommt aber darauf an, welcher Filmregisseur. Wenn, wäre ich eher ein Fassbin­der oder Almodovar, also keiner für Hollywood-Blockbuster.

WIENER: Warum ist es die Autobranche geworden?

Griffiths: Ich habe Benzin im Blut, mein Vater war Autohändler. Ich bin in einem Automobilbetrieb aufgewachsen, liebe Autos, seit ich ein kleiner Junge war. Die britischen Klassiker, Jaguar, Aston Martin und so weiter, habe ich als junger Mensch fahren dürfen. Mein ganzes Leben war mit dem Thema Automobil verbunden.

WIENER: Sie sind in Manchester aufgewachsen, damals einer der Hotspots der britischen Musik- und Club-Szene. Wie haben Sie das empfunden?

Griffiths: Es gab in den Siebziger- und Achtziger-Jahren wahrscheinlich keine geilere Stadt, wo die Musik so richtig abging. Die Anfänge von Electro, das war Wahnsinn. Das „Hacienda“ in Manchester war damals wohl nicht nur der beste Club Englands, sondern Europas. Heute sind da Wohnungen drin, naja.

WIENER: Stichwort Musik – ­spielen Sie ein Instrument?

Griffiths: Nein, ich bin leider nicht musikalisch, aber Musik interessiert mich sehr. Bowie zum Beispiel. Nicht nur seine Musik ­inspiriert mich, auch seine Einstellung. Er hat sich ständig neu erfunden, war mutig.

WIENER: Bowie, der Engländer der seine berufliche Inspiration in Deutschland gefunden hat – eine Parallele?

Griffiths: Ja, vielleicht ein bisschen. Audi damals war aber nicht wie Audi heute. Vor dreißig Jahren hat die Marke kaum jemand ernst genommen, sie wollte im Premiumsegment mitmischen, wurde dafür belächelt. Ich moche das, diesen Underdog-Status, was Neues machen, woran die Leute in der Firma geglaubt haben.

Styler Wayne Griffiths scheint eigentlich zu cool für den Posten des Vorstandsvorsitzenden einer Automobilmarke! 

WIENER: Ist das bei Cupra ähnlich gewesen?

Griffiths: Die Möglichkeit zu haben, gegen Ende deiner Karriere ein neue Marke zu etablieren, wo alle sagen, das wird nicht klappen, haben ja schon andere versucht – der Erfolg gibt mir Kraft. Ich bin jetzt ein anderer Wayne Griffiths bei Cupra als bei Audi, aber vieles in der Entwicklungsgeschichte ist trotzdem ähnlich.

WIENER: Gibt es einen Bowie der Literatur für Wayne Griffiths – welches Buch liegt bei Ihnen gerade auf dem Nachttisch?

Griffiths: Ich komme nicht mehr so viel zum Lesen wie früher. Zuletzt habe ich „Life of Pi“ gelesen, diese verrückte Geschichte von Yann Martel mit dem Tiger. Unglaublich vielschichtig, hat mir sehr gut gefallen.

WIENER: Sie gelten als Österreich-Fan. Wie und wann hat
es Sie das erste Mal hierher verschlagen?

Griffiths: Ganz zu Beginn, als ich bei Audi war, habe ich Freunde aus Österreich kennengelernt, die auch dort gearbeitet haben. Ihre Familien waren aber hier, irgendwann bin ich übers Wochenende mitgefahren, habe noch mehr gute Freunde gefunden.

WIENER: Kärnten hat es Ihnen angetan …

Griffiths: Ja, am und um den Klopeiner See. Gestern waren wir wandern, auf den Hochobir. Ich bin ganz schön ins Schwitzen gekommen, bin eben wieder ein Jahr älter geworden. 

WIENER: Wie fühlt sich die politische Situation in England für Sie als Brite an, der jetzt in Konti­nen­taleuropa verwurzelt ist?

Griffiths: Mein Pressechef würde mich jetzt bitten, nichts zu sagen… Also: Ich bin stolz, in England geboren und ausgebildet worden zu sein, das hat mich positiv geprägt. Aber ich bin Europäer, dieser Gedanke war in meiner Jugend in England allgegenwärtig. Inzwischen ist die politische Entscheidung anders gefallen. Ich habe nach dem Brexit die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen, weil ich Europäer bleiben wollte.

Wayne Griffiths und Cupra …

WIENER: Wo liegt ihre Zukunft geographisch? 

Griffiths: Würde ich nach England zurückgehen? Nein. Meine Zukunft liegt in diesem Dreieck Kärnten-München-Barcelona. Total unterschiedliche Orte, aber ich fühle mich an allen dreien
total wohl und zuhause.

WIENER: Zur Zeit geht es ja nicht gerade gewöhnlich zu auf der Welt – wie beurteilen Sie die letzten Jahre? 

Griffiths: Ich habe oft das ­Gefühl, die ersten 52 Jahre meines Lebens ist nicht viel passiert und in den letzten drei Jahren bricht alles aus den Fugen. Corona, Klima, in unserer Branche die Chip-Krise, ein Krieg in Europa.

WIENER: Ganz so ereignislos waren die Jahrzehnte davor aber auch nicht. Wir haben den Fall des eisernen Vorhangs erlebt, die Guten hatten gewonnen, die Aufbruchsstimmung war gewaltig. Wir dachten, die Party würde ewig dauern. Haben wir es verbockt?

Griffiths: Vielleicht sind wir, wie im alten Rom damals, ein wenig dekadent geworden. Gerade die Globalisierung, mehr, mehr, billiger, billiger – da musste etwas kommen, das uns wieder zum Denken bringt. Und das war ganz klar Covid. Die Leute haben wieder begonnen, sich mit ihrer Existenz auseinanderzusetzen. Jetzt, wo unsere Generation schon fast ausläuft, müssen wir das Ding noch einmal drehen.

WIENER: Auf Ihre Branche bezogen: Die Elektromobilität wird die Welt aber wohl nicht retten.

Griffiths: Sie ist ein Leuchtturm-Projekt. Sie hilft, die Welt in eine andere Richtung zu drehen, löst viele andere Entscheidungen aus, gerade die Diskussion um erneuerbare Energie. Das ist jetzt unsere Verantwortung. Wir treffen jetzt Enscheidungen, die sehr risikohaft sind, sehr teuer und wir ­selber werden die Ergebnisse gar nicht mehr ernten.

WIENER: Ist Cupra Ihr Lebensprojekt?

Griffiths: Ich möchte Cupra und Seat eine Zukunft geben, da hängt viel dran, im Grunde das ganze Elektrifizierungsprojekt für Spanien.

Styler Wayne Griffiths scheint eigentlich zu cool für den Posten des Vorstandsvorsitzenden einer Automobilmarke! 

WIENER: Und was macht Wayne Griffiths, wenn er das erledigt hat?

Griffiths: Gin verkaufen – wir wol­len unseren eigenen produzieren. Es gibt schon einen Namen: Gin Wayne. Er wird in Klagenfurt gebrannt, das Flaschendesign ist auch fertig. Ich weiß, wir sind spät dran, aber falls wir die ganze Gin-Mode verpassen bin ich auch froh, weil unserer ein ganz besonderer sein wird. Qualitativ hochrein, ein österreichisches Erzeugnis. Langweilig wird mir jedenfalls nicht.