Motor

1000 PS, Oida!

Franz J. Sauer

In Zeiten flächendeckender Dreissigerzonen und des allumfassenden Siegeszug der Elektromobilität haut Audi-Haustuner ABT nochmal richtig drauf und bläst die Verbrenner von RS6 und RS7 auf einen neuen Höchstwert auf: 1000 PS, Oida!

Schon klar, Tuner haben keine andere Aufgabe, als Autos und ihre An- und Zubauten technologisch bis an die Grenze des denk- und machbaren hochzujazzen. Und gerade ABT, die hochoffiziell dem VW-Konzern zugewandte Tuning-Marke hat sich da in den letzten Jahren auch puncto Rennsport einige Meriten verdient. Allerdings hat man sich früher auch damit gerühmt, die ersten TDI-Dieselmotoren (heute: Gottseibeiuns) bei gleichzeitig uneingeschränkter Leistungsentfaltung in Sachen Verbrauch zu optimieren. Ich erinnere höchstpersönlich einen VW Passat TDI 90PS mit umfangreicher Beflügelung und Drehmoment-Chip, der so ziemlich alles, was an vergleichbarem an Wiener Kreuzungen herumstand verlässlich verblies. Und dabei gerade mal vier Liter auf 100 Kilometer soff.

Aber klar, heutzutage sind die guten E-Motoren fürs brav sein zuständig. Und bekanntlich heißt deren Problem ja auch nicht Mauheit im Vortrieb, sondern Mangel an Reichweite. Also müssen sich Leute wie diese bei ABT Sportsline gemäß ihrer ursprünglichen Bestimmung, jener des Leistungszuwachs nämlich, also wieder dem Aufpusten herkömmlicher Verbrennungsmotoren widmen.

Berufssportler Audi RS7

Nun ist ja so ein Audi RS7 auch wenn er ganz normal daheim bei Audi vom Band läuft alles andere als ein Schwächling. 600 PS und 400 Nm Drehmoment pushen den Sportback in 3,5 Sekunden von Null auf 100, über 300 geht er sowieso, wenn man die Drossel rausprogrammiert. Dann gibt da noch die RS7 Legacy Edition von ABT Sportsline, die dem Gefährt weitere 220 PS draufpackt und für Topspeed von 330 km/h sorgt, all die dafür nötigen Modifikationen an Fahrwerk, Bremsen etcetera inklusive. „Getreu der Weisheit Steillstand ist Rückschritt“ hat man bei ABT Sportsline nun aber beschlossen, dass damit nicht genug sein soll. Und ein System namens IWI, was für Indirect Water/Ethanol Injection steht und vor den beiden Drosselklappen des Triebwerks angebracht wird. Dieses zusätzliche Einspritzsystem wird durch ein ebenfalls von ABT Sportsline entwickelte elektronische Steuergerät geregelt und wenn dann auch mal Ethanol oder aber Super-Sprudel mit 102ROZ verfügbar sind, leistet die Fuhre dann tatsächlich

1000 PS, Oida!

Tankt man gewöhnliche 98ROZ, hat man leider nur 940 PS zur Verfügung, das Drehmoment bleibt diesfalls aber auch noch vierstellig (1050 Nm). Es versteht sich von selbst, dass für die Wasser/-Ethanol-Einspritzung ein zusätzlicher Tank vonnöten ist, insgesamt muss man am eh schon fest getunten Legacy-Edition einiges umbauen, damit er die 1000 PS auch wirklich derstemmt.

„Die IWI-Technologie bietet uns die thermodynamischen Vorteile, um eine möglichst ausdauernde Leistungsabgabe in diesen Performanceregionen darstellen zu können. Durch die IWI-Einspritzung gewährleisten wir eine sehr starke Innenkühlung des Motors. Dadurch kann mehr Ladeluft bzw. Sauerstoff für die Verbrennung des Kraftstoffs zugeführt werden, wodurch dauerhaft eine höhere Leistung erzielt wird“, erklärt Thomas Biermaier, Geschäftsführer von ABT Sportsline, die Funktionsweise des innovativen Systems. Und damit ist eigentlich schon alles gesagt, was den Techniker erfreut.

Irrwitz? Zeitgemäß? Geil?

Als die EAV vor 29 Jahren ein witziges G’stanzl namens „300PS“ intonierte, war dieser Wert tatsächlich sowas wie eine Schallmauer für all die netten Autos, die man so tagtäglich auf der Straße traf. Man bedenke – der damalige Porsche 911 hatte gerade mal 250 PS. Und: Es war damals bei weitem nicht so unehrenhaft, ein starkes Auto zu fahren, wenn man es sich denne leisten konnte. Frischeste Katalysator-Technik und neue Abgasreinigungssysteme sorgten schließlich dafür, dass die teuren, also starken Autos, auch im Ruf standen, die saubersten solchen zu sein. E-Mobilität war etwas, das man im Bereich Bundesbahn oder Postauto verortete und das Waldsterben hatte man gerade mit Verve gestoppt. Was sollte also noch passieren?

Heute hingegen ist ein Auto schon per se etwas böses. Nicht mal der politisch verordnete Vollschenk richtung E-Motoren dient mehr zum greenwashing von Menschen, die halt gerne autofahren. Vielmehr wird schon der nächste Schritt vorbereitet und das Auto – innerstädtisch auf jeden Fall, aber auch schon abseits der Stadtgrenzen schön langsam – wird generell zum Generalverantwortlichen für alles Ungemach, das wir unserem Planeten antun, gestempelt. Den Fahrer nimmt man da natürlich gleich mit.

Und dann kommt ABT mit dem 1000 PS Audi aufs Tapet. Offenbar für Leute geschaffen, die sowieso schon jede Art von Credibility bei den „Guten unter uns“ verspielt haben, sonst würden wie ja sowas verabscheuen. Und hier lauert auch schon der Umkehrschluss auf uns: Würde ABT Sportsline sich der garantiert nicht ganz billigen Entwicklung eines solchen Super-Motors widmen, würde es kein Potenzial geben, solche Autos auch an den Mann (oder die Frau) zu bringen? Aber wo sind diese Leute, die sich mit solchen Autos noch öffentlich aufzutreten trauen? An der Tanke auf der Triesterstraße? Am Parkplatz auf der Höhenstraße? Oder doch nur beim McDonalds in Abu Dhabi?

Wir sehen nun: Auf 100 geht der 1000PS-Audi gerade mal eine halbe Sekunde schneller als der Serien-RS7 mit 600 PS. Was hier aber wirklich zählen würde wäre ja eigentlich sowieso nur der Spurt auf 30km/h. Wir schätzen mal behände, etwa sieben Zehntel oder so. Weil spätestens dann beginnt der neuerdings vorgeschriebene Tempolimit-Warner zu nerven. Und während mann sich dann mühselig durch die Menüs fummelt, um das Gepiepse wieder abzudrehen, wird man besser nicht auf Vollgas bleiben.