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Archiv 2014: Von der Wichtigkeit des Lachens

Jakob Stantejsky

Sie selbst nennt es Humor, wir Wiener nennen es Schmäh. Zum start ihrer Schau „Secret Service“ verrät die berühmte Fotografin Ellen von Unwerth, was ihre Bilder ausmacht.

Text: Wolfgang Wieser / Fotos: Ellen von Unwerth

Auf einer ihrer Fotografien trägt Kate Moss eine dermaßen aufdringliche Nerd-Brille, dass A wir beinahe bereit wären, ihr das brave Mädchen abzunehmen. Aber eben nur beinahe. Denn da streifen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand derart über ihre Unterlippe, dass uns diese Geste (üblicherweise stille Nachdenklichkeit suggerierend) unweigerlich irritiert. Und dann ist da auch noch dieser offensive Blick aus leuchtenden Augen, der uns ahnen lässt, dass diese Frau alles ist, nur kein braves Mädchen. Für sie, hält Ellen von Unwerth im wiener-Interview fest, seien Lachen und Humor essenziell. Offiziell liest sich das so: „Ellen von Unwerth ist eine der bekanntesten und einflussreichsten Fotografinnen der Welt. Sie hat die berühmtesten Models, wie Claudia Schiffer und Nadja Auermann entdeckt und mit ihnen Bilderwelten entstehen lassen, die in die Geschichte der zeitgenössischen Fotografie und in die Ästhetik unseres Alltags eingegangen sind.“ – Aktuell sind 28 Meisterwerke der deutschen Künstlerin mit Domizilen in Berlin und Paris in der Galerie Preiss Fine Arts in Wien zu sehen. Bis 1986 war sie übrigens selbst sehr erfolgreich als Model tätig. Bis sie während einer Produktion in Kenia begann, selbst zu fotografieren. Es entstanden eindrucksvolle Porträts von einheimischen Kindern, die im französischen JiLL Magazin veröffentlicht wurden. Und Frau von Unwerth endgültig hinter die Kamera wechseln ließen.

Frau von Unwerth, was ist Schönheit? Schönheit ist etwas Magisches, man will es immer wieder anschauen, besitzen.

Ist Schönheit Perfektion? Ich finde nicht, nichts ist perfekt, und das wiederum macht das Leben doch erst interessant, die Ecken und Kanten.

Oder entsteht Schönheit ausschließlich im Auge des Betrachters? Der Philosoph David Hume meinte: „Schönheit ist keine Eigenschaft, die den Dingen an ihnen selbst zukommt; sie existiert lediglich im Geist dessen, der die Dinge betrachtet.“ Jeder hat eine andere Sicht auf Dinge und eine andere Sicht, was schön ist. Heutzutage wird Schönheit oft mit Attraktivität verwechselt.

Braucht Schönheit Humor? Nicht unbedingt, eine weinende Frau kann sehr schön sein. Aber für mich ist Humor und Lachen essenziell, vor allem in meiner Arbeit.

Was ist Ihnen wichtiger: Schönheit oder Ehrlichkeit? Es kommt drauf an, wo und wann. Gibt es in der Mode Ehrlichkeit? Ist sie nicht eher dazu da, um Illusionen zu zaubern? Natürlich sind im wirklichen Leben Ehrlichkeit und Respekt wichtig.

Ist es möglich, die Seele eines Menschen abzubilden? Im übertragenen Sinne ist es möglich, da die Augen ja das Fenster zur Seele sind, ja. Ich versuche auf jeden Fall nicht nur die Erscheinung einer Person wiederzugeben, sondern auch ihre Persönlichkeit.

Ist Ihnen das jemals gelungen? Ich glaube schon. Es ist mir wichtig, eine Emotion zu vermitteln, und das gelingt oft, wenn die Person sich wohlfühlt und vor der Kamera lebt und nicht posiert.

Wann wissen Sie, dass ein Bild mehr ist als ein Bild? In dem Moment, wenn ich auf den Auslöser drücke!

Es heißt, Sie hätten wäh­rend einer Modeproduk­tion in Kenia zur Kamera gegriffen, um Kinder zu fotografieren und darauf­ hin sei der Entschluss gereift, selbst Fotografin werden zu wollen. Ich bin damals auf eine Produktionsreise nach Kenia gefahren, und mein damaliger Freund hat mir eine Kamera mitge­ geben und mir erklärt, wie diese funktioniert. Ich habe dann vor Ort Menschen und Kinder foto­ grafiert, und nach meiner Rückkehr nach Paris wurden diese Bilder dann im JiLL Magazine ver­ öffentlicht. Es hat mir viel Spaß gemacht zu fotografieren und ich habe angefangen, meine Model­Freunde zu fotografieren, relativ schnell wurden Kunden wie die Designerin Katherine Hamnett, Guess und andere auf mich aufmerksam.

Was haben Sie im Zirkus gemacht? Ich habe im Zirkus gearbeitet, weil ich die Atmosphäre geliebt habe. Es war damals der Zirkus Roncalli, der eine Zeit lang von André Heller über­ nommen wurde. Ich habe unter anderem als Assistentin des Messerwerfers gearbei­tet und als Nummerngirl jede neue Runde und Sensation angesagt.

Waren Sie ein wildes Mädchen? Ich habe schon immer gemacht, was ich wollte, bin immer mit viel Energie und Elan unterwegs, das ist bis heute so.

Wenn Sie sich an Ihre Zeit als Model erinnern: Was ist Ihnen davon geblieben? Es war eine großartige Erfahrung, als Model zu arbeiten, mit all den kreativen Master­minds seinerzeit. Ich habe mit tollen Fotografen geshootet, bin um die Welt ge­reist, habe viele tolle Menschen getroffen und wirklich viel Spaß gehabt. Mehr Spaß hat mir dann allerdings wirklich das Fotografieren gemacht; ich konnte kre­ativ arbeiten und mich selbst ausdrücken und Bilderwelten aktiv gestalten.

Haben Sie sich selbst jemals als schön empfunden? Ich habe mir da nie wirklich Gedanken drüber gemacht, ich wollte studieren und wurde vor dem Betreten der Universität an meinem ersten Tag von einem Fotografen angesprochen, ob ich für einen sehr bekannten Haarpro­dukte­-Hersteller modeln möchte. Von dem Zeitpunkt an habe ich mich überhaupt erst mit dem Geschäft der Schönheit auseinandergesetzt. Ich fand mich eigentlich nicht schön, eher lustig, und nahm mich nie zu ernst. Ich mag auch Models lieber, die sich nicht zu sehr mit ihrem Aussehen beschäftigen, die sind natürlicher und spontaner vor der Kamera.

Die österreichische Fotografin Elfie Semotan hat mir erzählt, dass Sie es gehasst hat, fotografiert zu werden – wie ist es Ihnen damit ergangen? Und wie geht es Ihnen heute damit? Ich mochte es auch nicht unbedingt, ich wollte immer spielen und Spaß haben, durfte das aber nie, nur mit einigen Fotografen wie Oliviero Toscani (bekannt durch seine Benetton­-Kampagnen, Anm.) oder Guy Bourdin (legendärer französischer Fotograf, 1928–1991, Anm.). Heute erwarte ich genau das von meinen Models, nur nicht stillstehen. Wenn ich behaupten würde, Sie hätten sich von Helmut Newtons kraftvollen Inszenierungen und von Lartigues schier unglaublichem Gespür für Bewegung inspirieren lassen, läge ich dann richtig? Ja, ich bin bis heute inspiriert von Helmut New­ton und Lartigue. Von dem einen die Power, das Storytelling und den Humor und von dem ande­ren die Leichtigkeit, Eleganz und den Charme.

Anders formuliert: Beschreiben Sie bitte, wie Sie Ihre „Stimme“ gefunden haben. Und wie diese jetzt klingt? Ich habe immer sehr spontan fotografiert, ich versuche immer, Bewegung einzufangen,
Energie, Momente. Ich versuche Frauen in einer sensuellen, aber empowering Art darzustellen, und Männer mit Charme und Witz.