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Archiv 1997: Nackt im Takt

Jakob Stantejsky

Sie ziehen sich aus und die Massen an: Knackige Gogos sind heutzutage als Aufputz für Szene-Feste unverzichtbar. Der WIENER sprach mit den Köpfen der besten Körper.

Text: JANINA LEBISZCZAK

Stina Lang, 24, kennt alle Tricks in dem Geschäft. Selbst immer für einen starken Auftritt gut, bucht die fleischgewordene Männerfantasie mittlerweile landesweit die Tänzerinnen für Szene-Gurus wie Hoschek und Jagerhofer. Stina ist die Mutter aller Disco-Queens. Und sehr streng mit ihren Mädels. „Besonders auf die jungen Girlies muss ich ständig aufpassen, damit sie in der Hitze der Nacht nicht völlig ausrasten. Mit 16 Lenzen sind die nämlich noch ganz schön naiv.“

Die Arbeit auf dem Podest geht in die Knochen und erfordert Disziplin. Sich raufstellen und ein bisschen nackte Haut zeigen reißt selbst Partynovizen nicht mehr vom Barhocker. Die Leute wollen choreographierte Shows. „Wir geben ihnen die Illusion von immer geilen Frauen.“ Ein erotischer Zaubertrick, den die 19-jährige Hedi mit Hingabe Nacht für Nacht aufführt: „Früher hatte ich null Selbstbewusstsein, aber seit ich tanze, kann ich mich selbst ganz gut leiden. Es ist wie eine Droge.“ Ihre Entdeckerin Stina bestätigt: „Die Männer sind verrückt nach ihr.“ Die Frauen an deren Seite allerdings weniger. Die Gratwanderung kommt einem Drahtseilakt gleich: Männer sollen angeregt, Frauen nicht verärgert werden.

Zoly, ungarisches Männer-Gogo und absoluter Szene-Liebling, bekommt jeden Abend massenhaft eindeutige Angebote. Und zwar von Frauen und Männern. Höflich, aber bestimmt lehnt er die Aufforderungen zum schnellen Abenteuer stets ab: „Ich bin zwar eine Prostituierte, allerdings eine, die man nicht anfassen darf.“

Martin Oelz, ein wahrer Gott der Gelenksverrenkung, wird ebenfalls angebetet. Der Student der Wirtschaftsinformatik hat sich mittlerweile zum unverzichtbaren Höhepunkt der heimischen Techno- und Houseparties gemausert. Als Mr. Spot zeigt er dem Fußvolk, was Raven wirklich bedeutet. „Alles Rave. Für mich ist Tanzen etwas Selbstverständliches. Vielleicht bin ich deswegen auch so ungeschickt beim Aushandeln meiner Gage.“ Während Clubber mehr Wert auf Styling und Erotik legen, steht das Technovolk auf Schockerlebnisse. Ein klarer Fall für Martin: In bester „Prodigy“-Manier mimt er den grinsenden Zombie, den besessenen Dämon und die zuckende Mumie. „Die Vibes kommen auch ohne ordinäre Bewegungen. Wenn ich gut bin, springen die Funken aufs Publikum über.“ Und die Party steigert sich zur kollektiven Ekstase.

Künstliche Aufputschmittel sind da überflüssig. Stina räumt mit einem hartnäckigen Vorurteil auf: „Die meisten Leute glauben, dass wir während unserer Auftritte bis oben hin zugedröhnt sind.“ Dabei bestechen die Gogos durch nüchternes Auftreten. Jeder Schritt unter Kontrolle. Hedi ergänzt, „Tanzen ist Kick genug. Außerdem lernen wir im Gegensatz zu den meisten gleichaltrigen Kids, auf unsere Körper zu achten.“

Gepflegtes Auftreten. Mit 23 Jahren ist Judith ein alter Hase im Geschäft. Wenn der Alltag als Laborassistentin im AKE erledigt ist, tauscht sie den weißen Kittel gegen Push-up-Bra und Hotpants ein. Vorbei sind die Zeiten, als sie noch ängstlich einen Punkt fixieren musste, um coram publico hemmungslos ausflippen zu können. Angst mache ihr allerdings der jüngste Trend zum Extremen: „Die Leute sind übersättigt. Aus dem Ausland werden Gogos engagiert, die sich Gewichte an die Geschlechtsteile hängen oder in die Menge onanieren.“

Solch peinliche Ausrutscher haben Österreichs begnadete Körper nicht nötig: Denn was Kreativität und Können anbelangt, sind die heimischen Gogos internationale Spitzentänzer.