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NIKI LAUDA – Das geschändete Idol

Christian Jandrisits

AM 20. NOVEMBER 1980 DURFTEN ÖSTERREICHS FERNSEHER EINER ÖFFENTLICHEN HINRICHTUNG BEIWOHNEN. DER MODERATOR GÜNTHER ZIESEL VERLANGTE VOR LAUFENDEN KAMERAS AUSKUNFT ÜBER DIE STEUERERKLÄRUNG DES UNTERNEHMERS NIKI LAUDA. DIE NACHRICHTENSENDUNG „10 VOR 10″ WAR ZUM VOLKSGERICHTSHOF UMFUNKTIONIERT.

Als Niki Lauda Weltmeister der Formel 1 wurde, nannte man ihn Österreichs schnellsten Hasen. Jetzt bläst man zur Treibjagd auf den Rennfahrer Niki Lauda. Er ist nicht mehr der erfolgreiche Autopilot. Er ist nicht mehr das große Idol, das unangreifbar über den Dingen steht. Jetzt ist er Unternehmer, der mit seiner Fluggesellschaft LAUDA AIR mehr oder weniger gute Geschäfte macht.

Und vor allem ist er untauglich zum Dienst mit der Waffe. Nicht einmal tauglich zum Dienst mit der Luftwaffe, obwohl er doch eigenhändig eigene Flugzeuge steuert.

Das Fernsehen hat die Untauglichkeit Laudas jedermann via Bildschirm ins Haus geliefert. Die Lokalpresse hat sich der permanenten Rivalität zur Sportpresse erinnert, das Thema aufgegriffen und breitgetreten. Der Vorfahrer der Nation wurde im Blitztempo zum Drückeberger gestempelt, der sich’s richtet. Von dieser österreichischen Krankheit ist zwar jeder infiziert, sie bricht aber nicht bei jedem aus. Es kommt eben ganz auf die Verbindungen an. Prominente haben sie. Normalverbraucher hätten sie allzugerne. Wird ihnen bewußt, was der andere hat, ihnen aber fehlt, dann regt sich der Neidkomplex.

Und noch etwas regt sich, nämlich die Wühlmäuse. Hat man eine Sache entdeckt, bei der es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein könnte, dann taucht sofort die Frage auf: Wer weiß, ob’s nicht auch etwas anderes gibt?

Und siehe da, im Falle Lauda gab es noch etwas. Nämlich eine Scheinfirma in Hongkong, die LAUDA Ltd. heißt und auf deren Konto nicht nur zahlreiche Gagen und Gehälter, sondern auch eine Millionensumme von einer Firma Prutscher überwiesen wurde, welcher Name auch in den AKH-Skandal verwickelt ist.

Faksimile WIENER ARCHIV Jänner 1981

Damit war plötzlich und kurzerhand auch Lauda in den Skandal verwickelt, wobei man ihm vorwarf, den Werbevertrag mit besagter Firma, der fünf Millionen gebracht hatte, wäre schlicht ein Scheingeschäft gewesen. Schließlich die Rennbahn in Teheran, die Lauda propagieren sollte, nie gebaut.

Lauda: „Was kann ich dafür, wenn die Politik die Lage verändert hat, der Schah gestürzt und längst tot ist und inzwischen die Firma in den Scheiß-AKH-Skandal verwickelt ist, mit dem ich nichts zu tun hab. Und gehabt hab!“

Es war geschehen. Lauda, der Vielbewunderte, hatte sich in einen Vielkritisierten verwandelt. Da ein Winkelzug ums Heer, dort ein finanzieller Schachzug, und schon bildete sich die öffentliche Meinung. Ein Hauch von Betrug umgab plötzlich unausgesprochen das Image des cleveren, intelligenten, mutigen und, nach dem Feuerunfall 1976 auf dem Nürburgring, sogar tapferen Lauda. Er war plötzlich einer, der Geld auf Umwegen zur Seite schafft, weil er offenbar gar nicht genug kriegen kann. Auf Umwegen, bei denen sogar das Finanzamt düpiert wird und damit auch der ganz normale Steuerzahler. Und flugs tritt auch schon ein Fiskus-Jäger auf, ein Doktor Helml, der es sich in den Kopf gesetzt hat, partout „Große zur Strecke zu bringen“, koste es, was es wolle.

Faksimile WIENER ARCHIV Jänner 1981

Mag sein, daß Lauda nicht alles gezahlt hat, was er dem Staate schuldig war, auch wenn er es dementiert oder als quantitée negligable bezeichnet. „34.500 Schilling sind’s, mehr nicht. Kein Problem!“ So kurz und bündig, wie er einst Rennen und Autos analysierte, wischt er auch diese Sache vom Tisch. Aber er hat sie damit nicht vom Hals.

Lauda hat nie geleugnet, daß er die Formel 1 in erster Linie gewählt hat, um mit Highspeed in Richtung Geld zu fahren. Nicht um die Ehre ging es ihm, nicht aus patriotischen Gründen warf er sich ins Rennen, nicht den Ruhm der vielen tausend Fans suchte er, er wollte ganz schlicht und einfach möglichst schnell möglichst viele Millionen verdienen. Und je mehr er gewann, desto teurer verkaufte er sich, nur um diesem Ziel näher zu kommen. Zuletzt kletterten die Gagen in Millionenhöhen, Dollarmillionen. Bei dieser Lizitation ließ schließlich sein erster Sponsor RAIFFEISEN gerne der ERSTEN den Vortritt. Man hätte mithalten können, aber man wollte nicht mehr.

Diese „Preistreiberei“ steht im krassen Widerspruch zum Lebensstil Laudas. Sein Verhältnis zu Geld ist einfach. „Habe ich viel, kann ich all das verwirklichen, was ich will. Habe ich wenig oder keines, macht’s auch nichts!“ Für Lauda bedeutete Geld in erster Linie den Traum vom Flugpiloten, in zweiter Linie die Illusion vom Flugunternehmer zu verwirklichen. Beides hat er konsequent realisiert und dabei umsomehr die Freude am Bodenkontakt per Auto verloren, je mehr er sich in die Lüfte erhob. Nicht zuletzt deshalb, weil der stets logisch und gradlinig denkende (und eigenen Angaben zufolge auch handelnde) Lauda langsam aber sicher die Lust verlor, „beim Rundenfahren immer das Chaos zu erleben, bei dem man mit einem Bein im Grab steht“. Fliegen, das wäre die Präzision total und zumindest die gleiche Herausforderung. Risiko, das ist es, was ihn reizt.

Immer schon gereizt hat. Das Unmögliche möglich machen: Er schaffte es mit dem Auto und jetzt auch mit dem Flugunternehmen, mit dem er sich in jeder Hinsicht personifiziert und identifiziert. Die Millionen, die er verdient hätte, beteuerte er, hätte er nicht verjuxt, nicht dem Luxus geopfert. „Jeder Schilling, alles was ich hab, ist in der LAUDA AIR. Volles Risiko – klar!“ Und mit ihm haben es rund 250 Investoren bei der Salzburger Profinanz gewagt, den Flug ins Ungewisse anzutreten.

Wäre er nicht der Lauda gewesen, nie und nimmer hätten sich dermaßen viele Geldgeber gefunden. Nie und nimmer hätte er so schnell die LAUDA AIR auf die Beine stellen können. Das Image, nicht nur Schnellfahrer, sondern auch Schnelldenker und Blitzhandler zu sein, öffnete ihm ebenso die Türen zur Privatindustrie wie die Tore zu den Behörden. Als er vom Rennfahrer zum Unternehmer umstieg, tat er dies mit dem Rückenwind der Popularität, einer Popularität, die er Kraft seiner Kaltblütigkeit, seiner Zielsicherheit gewonnen hatte. Lauda war nie das geliebte Idol, hätte es auch nie werden können. Dazu ging er von Anfang an stets zu sehr auf Distanz mit seinen Fans, ja, er scheute sich nicht, zu behaupten:

„Die Leut, die mir da nachrennen und die Hände reinhalten durch den Zaun, die sind mir egal. Am liebsten wäre mir, ich könnt unter Ausschluß der Öffentlichkeit mein Rennen fahren!“

Aber der Ruhm und die distanzierte Idolisierung liefen ihm einfach nach wie die Popularität. „Ich habs nie for-ciert, wie vielleicht der Quester, aber ich habs auch nicht verhindern können!“ Und wie er früher von dieser Idolisierung profitierte, auch wenn er manchmal darunter litt, so wurde er jetzt ihr Opfer. Ein Opfer, das die Journalisten geradewegs anpackte, in seine Fokker F 27 verfrachtete und nach Salzburg flog, um dort in einer Pressekonferenz „alles klar zu stellen“. Und um bei dieser Gelegenheit auch mit einem Tabu zu brechen und seine Familie, sprich: seine zum zweiten Mal schwangere Frau Marlene und den Sohn Lukas, mit einem Anflug von Rührseligkeit zu präsentieren. „Ich hab es eben zeigen wollen, daß es das auch gibt. In erster Linie, damit ich mit dem Unfug vom Computer Lauda aufräume. Das ist nämlich ein Blödsinn!“ Dennoch reagierte er sozusagen auf „instinktiven Knopfdruck“ richtig. Er stellte bewußt die Familie in die Schußlinie. Schließlich schießt man weder auf Schwangere, noch auf Kleinkinder.

Lauda, ein atypischer Österreicher, der bei der ausländischen Automarke FERRARI Karriere gemacht hat, griff auf österreichische Eigenheiten zurück. Und dazu gehörte eben auch Sentimentalität. „Ich bin und bleib Österreicher und ich hab auch nicht die Absicht, Österreich zu verlassen!“ Selbst dann nicht, wenn man ihn als eine Art Steuerflüchtling hingestellt hat. Und als feigen „Deserteur“ des Heeres. Das dies alles gelenkt sein könnte, daran will Lauda, ganz Staatsbürger, nicht glauben. „Vielleicht“, so erklärt er, „bin ich da naiv. Aber schließlich leben wir doch in einem Rechtsstaat. Oder?“

Manchmal ist es scheinbar weit vernünftiger, den Dummen zu spielen, als sich mit dem Ruf, ein Neunmalkluger zu sein, die Neider im falschen Moment auf den Leib zu hetzen …

Lauda hat wieder einmal schnell geschaltet und die Kurve genommen. Wer weiß, ob er bei der nächsten ins Schleudern gerät?

Faksimile WIENER ARCHIV Jänner 1981