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LASERKRIEG IM WELTALL

Christian Jandrisits

(Aus dem WIENER Archiv/Jänner 1984/LASERKRIEG IM WELTALL) GESTERN NOCH SCIENCE FICTION, MORGEN SCHON REALITÄT! Die neuen Laserkanonen, die von Edward Teller, dem Vater der Wasserstoffbombe, für die USA entwickelt werden, sollen feindliche Atomraketen unschädlich machen. Doch was als Aufbruch in eine atomwaffenfreie Zeit angepriesen wird, ist in Wirklichkeit das gefährlichste aller Kriegsspielzeuge. Denn die Laserkanonen nähren die Illusion, daß der Atomkrieg führbar ist.

Ein Bericht von Andre Igler und Michael Kreissl

Laserschwert und Strahlenkanone gehören schon lange zum Repertoire der Science Fiction. Doch was vor kurzem noch Hollywoodphantasie war, droht jetzt Realität zu werden. Ronald Reagan hat im Frühjahr 1983 eine neue Militärbehörde, das „Space Command„, gegründet. In seiner berühmten „Star-Wars-Rede“ vom 23. März 1983 beauftragte er das „Space Command“, einen Weltraumkrieg mit Laserwaffen zu planen. Der Chefkonstrukteur von Reagans neuer Wunderwaffe ist niemand anderer als der Atomphysiker und gebürtige Österreicher Edward Teller, der schon als ,„Vater der Wasserstoffbombe“ in die Geschichte einging.

REAGAN & TELLER:

ZWEI 7OJÄHRIGE
PLANEN DEN KRIEG,
DEN SIE NICHT
MEHR ERLEBEN
WERDEN.

„Mit den Laserwaffen wollen Cow­boy Reagan und Waffenschmied Teller das nukleare Gleichgewicht auf den Kopf stellen. Laserkampfstationen im Weltraum sollen anfliegende russische Atomraketen zerstören, noch bevor diese New York in Schutt und Asche legen. Die USA wären dadurch militärisch unangreifbar, lauten die kühnen Visionen der Strategen.

Bild oben/unten: Faksimile WIENER Archiv/Jänner 1984


Die ersten Versuche verliefen erfolgversprechend: Schon 1978 wurde eine Panzerabwehrrakete mit einem Laserstrahl gekillt. Und im Mai 1983 gelang ein erster großer Durchbruch: Eine auf einer umgebauten Boeing 707 montierte Laserkanone konnte fünf, mit dreifacher Überschallgeschwindigkeit fliegende Sidewinder-Flugzeugraketen abschießen.


Laserstrahlen sind eigenlich nichts anderes als Licht. Nur, daß die Lichtwellen beim Laser nicht diffus in alle Richtungen abstrahlen. Sie werden in einem Lasergerät gebündelt, parallelisiert, auf idente Wellenlängen gebracht und schließlich auf ein Ziel gerichtet. Das Bündeln und Parallelisieren geschieht im Lasergerät.
Das Lasergerät ist -vereinfacht gesagt -eine Röhre, in deren Innerem durch physikalische Prozesse und Energiezufuhr der Laserstrahl entsteht. Dieser sogenannte „Optische Laser“ wurde Ende der 50er Jahre in den USA entwickelt. Damals wurden noch Rubinkristalle zur Gleichrichtung der Lichtwellen verwendet. Die heute gebräuchlichste Variante des optischen Lasers ist der chemische Laser, der den Lichtblitz in einer gasgefüllten Röhre erzeugt. Je nach Leistungsfähigkeit des Gerätes und Dauer der Bestrahlung erzeugt der Laser entweder einen angenehm warmen Lichtstrahl -oder ist so stark ,daß er sogar Stahl zum Schmelzen bringt.

Im zivilen Bereich werden Mini-Laser als Skalpell-Ersatz bei komplizierten Operationen eingesetzt. Bei den neuen CD-Plattenspielern tastet ein Laserstrahl die Compact-Disc ab.
Um militärische Ziele zu zerstören, sind die derzeit verfügbaren Lasergeräle viel zu schwach. Das stärkste, von der US-Navy entwickelte Gerät arbeitel mit einem Energieaufwand von „nur“ 2,2 Megawatt. Um eine Interkontinentalrakete zu zerstören, braucht man aber mindestens 10-Megawatt-Laser. Und durch relativ einfache Verbesserungen können die Atomraketen soweit gehärtet werden, daß sie nur mehr von 100-Megawatt-Strahlen zerstört werden können.
Aber auch Hochenergielaser müssen wenigstens für ein paar Sekundenbruchteile den selben Punkt treffen, um ein Loch in die Raketenhülle zu brennen. Wenn Raketen nun im Flug rotieren, können sie dem Angriff trotzen.
Die Laser-Rüstungslobby gibt sich freilich zuversichtlich: Schon 1987 könnte die erste Laserkampfstation in Betrieb gehen, wird in einer Propagandabroschüre (,,Beam Defense“, USA, 1983) behauptet. Vorausgesetzt natürlich, die amerikanische Regierung stellt nahezu unbegrenzte Geldmittel zur Verfügung. An Reagan, dem Muskelmann im Weißen Haus, soll es nicht scheitern. Er möchte als der Präsident in die Geschichte eingehen, der die militärische Überlegenheit der USA wieder hergestellt hat. (Man erinnert sich, daß Carter seinerzeit den Bau der Neutronenbombe stoppte, weil er sich der Welt nicht als Waffennarr im Weißen Haus präsentieren wollte.)


1984 läuft jedenfalls ein Fünf-Jahres-Plan zur Entwicklung von Laserwaffen an: 21 Milliarden Dollar wurden dafür als erste Rate bewilligt. Doch das ist erst der Anfang. Die Gesamtkosten der Welt-raumrüstung werden schon heute auf mindestens 500 Milliarden Dollar geschätzt. Und im Militärgeschäft ist es durchaus üblich, daß der erste Kostenvoranschlag um ein Vielfaches über-schritten wird. Wie profitabel das Laserbusiness für die amerikanische Rüstungsindustrie sein wird, ahnt wohl auch Reagans Star-Wars-Berater Edward Teller: Er kaufte gleich für 800.000 Dollar Aktien einer Laserfirma.
Die ersten echten Laserwaffen, die derzeit entwickelt werden, arbeiten noch nach dem Prinzip des optischen, chemischen Lasers. Da die Erdatmosphäre einen großen Teil der Laserenergie abfängt, will man Laserwaffen auf 3000 Meter hohen Berggipfeln stationieren. Von dort können Atomraketen kurz vor dem Erreichen ihres Ziels abgeschossen werden. Um Raketen zu bekämpfen, die den Luftraum über der Laserbodenstation noch nicht erreicht haben, will man in der Erdumlaufbahn Spiegelsatelliten installieren. Der von der Erde abgeschossene Laserstrahl würde dabei von den Weltraumspiegeln auf anfiegende Raketen umgelenkt werden.
Mit diesen Systemen, so gibt selbst das Pentagon zu, ist es allerdings undenkbar, einen massiven sowjetischen Atomschlag, den gefürchteten Salvenabschuß aller verfügbaren Interkontinentalraketen, abzufangen. Die chemischen Laser würden gerade ausreichen, eine versehentlich gestartete Sowjetrakete oder ein einzelnes Geschoß eines Dritte-Welt-Staates, wie Libyen, zu zerstören.


WIE EIN RIESIGER
VORSCHLAGHAMMER
ZERSCHMETTERT
DER RÖNTGENLASER
DIE ATOMRAKETEN.

Eine vollkommen neuartige Lasertechnologie soll viel leistungsfähiger sein: der Röntgenlaser. Röntgenlaser senden nicht Lichtstrahlen, sondern konzentrierte Röntgenstrahlung aus. Während der heiße Lichtblitz des optischen Lasers ein Loch in das beschossene Ziel brennt, zerstört der Röntgenlaser durch Schockwellen. ,,Es ist, als würde man mit einem riesigen Vorschlaghammer auf die Rakete einschlagen, sie bricht in Stücke und fällt zur Erde zurück“ (aus „Beam Defense“).

Die extrem kurzwelligen, energiereichen Röntgenstrahlen haben allerdings den Nachteil, nicht über Weltraumspiegel reflektiert werden zu können.
Denn sie zerstören jedes Objekt, auf das sie treffen. Röntgenlaser müßten daher direkt in der Erdumlaufbahn stationiert werden.
Während es -vorausgesetzt Geld spielt keine Rolle -auf der Erde leicht möglich ist, riesige Kraftwerksanlagen zur Energie-Versorgung der Laser-Beams zu errichten, ist das Problem der Energieerzeugung im Weltall noch ungelöst. Derzeit wahrscheinlichster Plan: Jede Röntgenkanone soll durch die Explosionsenergie einer Atombombe gespeist werden. Das hieße freilich auch, daß sich das Röntgengerät schon beim ersten Schuß selbst zerstört.
Für das Abwehrsystem, mit dem die USA in den 90er Jahren ihren Kontinent verteidigen wollen, plant das Pentagon eine Kombination verschiedener Laser. Über den sowjetischen Raketenstellungen, sollen 100 oder mehr Röntgenlaserstationen kreisen, die schon beim Start der russischen Raketen so viele wie möglich zerstören. Weitere 200 Space-Battle-Stations müßten die Weltmeere nach Abschüssen von U-Boot-Raketen absuchen.
Die zweite Verteidigungslinie wären von Spiegeln reflektierte Laserstrahlen, die mit chemischen Lasern auf der Erde erzeugt werden. Und die restlichen Sprengköpfe müßten dann direkt von der Erde aus abgeschossen werden.

Eine Überschallrakete vom Typ BQM-34A wird bei einem Testversuch von einer Laserkanone abgeschossen.


Für diese letzte Stufe der Verteidigung will man im nächsten Jahrtausend Elementarteilchen-Kanonen verwenden, die winzige Partikel mit annähernder Lichtgeschwindigkeit ins All schießen. Auch der Einsatz von Mikrowellen wird von den Militärplanern erwogen.
Viele Wissenschaftler zweifeln, ob die Laserkanonen überhaupt realisierbar sind. Zu absurd wirkt die Idee, Atombombenenergie im Weltall einzusetzen und die Röntgenlasertechnologie scheint noch in ihren Kinderschuhen zu stecken.
Als noch unrealistischer gilt der Plan, Elementarteilchenbeschleuniger als Waffen einzusetzen. Und die Mikrowellenkanone wird als „Reagans Weltraumgrill“ verspottet.
Vor allem am angesehenen Massachusettes Institute of Technology formiert sich die wissenschaftliche Opposition gegen die Star-Wars-Enthusiasten. „Genau die Wissenschaftler, die gegen die Strahlenwaffen auftreten, sind gleichzeitig die Köpfe der Freeze(Rüstungsstop)-Bewegung“, klagt die Laserlobby folgerichtig.
Das gilt auch für die amerikanische Innenpolitik. Senator Edward Kennedy, der Führer der Nuclear-Freeze-Bewegung, die für ein Einfrieren aller Atomwaffen eintritt, griff Reagans Star-Wars-Rede schon am Tag nach ihrem Bekanntwerden heftig an: ,,Die demokratische Alternative, die das Repräsentantenhaus aufgezeigt hat (indem es eine Freeze-Resolution verabschiedete, Anm. d. Red.), ist eine wesentlich verantwortungsvollere Lösung der Fragen unserer Nationalen Verteidigung, als die Star-Wars Pläne und die kommunistenfresserische Taktik des Präsidenten.

RAKETENABWEHR
STATT
RAKETENABBAU.


Eines der stärksten Argumente der Laserfans ist sicher die Tatsache, daß es sich bei den Laserkanonen um reine Abwehrwaffen handelt. Der Fernsehfilm „Der Tag danach“ hat ja den Amerikanern erst vor kurzem die Gefahr eines Nuklearschlages drastisch vor Augen geführt. Reagan mußte sein ganzes schauspielerisches Talent aufbieten, um diesen Film, der eigentlich ein handfestes Argument für die Entspannungspolitik liefert, zu einem Werbefilm für sein Lasersystem umzumünzen. Die Raketenabwehr ist Reagans politische Antwort auf die Forderung nach einem Raketenabbau.
Doch die Raketenabwehr ist gefährlich. Sie ist gefährlicher -weil destabilisierender -als irgendeine neue Atomrakete. Im ABM (Anti-Ballistic-Missile)-Vertrag von 1972, einigten sich die USA und die UdSSR, ihre damals bereits produktionsreifen Raketen-Abwehr-Raketen nicht aufzustellen. Dieser Vertrag gilt heute als die einzige echte Errungenschaft der Entspannungspolitik. Denn nur, wenn die Abwehr nicht funktioniert, funktioniert die Entspannung. Nur dann stimmt Breschnjews Satz „Nur wer zum Selbstmord entschlossen ist, kann einen Nuklearkrieg beginnen“; nur dann ist Reagans Ausspruch „Den Atomkrieg würde die ganze Menschheit verlieren“ wahr.
Mit seiner „High Frontier“, dem Raketenabwehrzaun hoch oben im All, will Reagan den Sieg wieder möglich machen. Wenn er der Sowjetunion mit einem vernichtenden Atomschlag drohen kann, ohne dabei den Untergang Amerikas zu riskieren, wäre die Sowjetunion vielleicht nicht mehr mächtiger als Grenada.
Doch soweit wird es wohl kaum kommen. Denn erstens entwickeln die Sowjets ebenfalls Laserwaffen und zweitens sind die Laserguns weder unverwundbar noch unüberwindbar. Selbst im günstigsten Fall, bei einwandfreier Funktion eines heute noch utopischen Lasersystems, würden etwa zehn Prozent der russischen Raketen Amerika erreichen. Das wären immerhin noch 960 Atomsprengköpfe. Und die Cruise Missiles -die die Sowjetunion noch heuer in Dienst stellen will -sind für die Weltallwaffen überhaupt außer Reichweite. ,,Ob wir jetzt von einer Interkontinentalrakete oder von einer Cruise Mis-sile getötet werden, ist wirklich egal“, meint Dr. Georg Rathjen, einer der profiliertesten Star-Wars-Gegner am Massachusetts Institute of Technology, und hat irgendwie recht damit.
Überdies ist es wesentlich billiger, zusätzliche Raketen aufzustellen, als die zu deren Bekämpfung notwendigen Lasersatelliten in die Umlaufbahn zu bringen. Killersatelliten, Laserangriffe vom Boden aus oder ganz einfach winzige Meteoriten aus dem All, würden die fragilen Space-Laser problemlos zerstören.
Doch Teller sieht „nicht den geringsten Grund, auf die Entwicklung dieses Abwehrsystems zu verzichten“. Denn Teller, ein Mann, der sich wie Ronald Reagan nach den Werten der 50er Jahre zurücksehnt, sieht hier die Chance, sein wissenschaftliches Lebenswerk zu vollenden: Den Kernfusionsreaktor.
1952 , als Teller die erste Wasserstoffbombe zündete, sah die Zukunft der Atomkraft noch rosig aus. Nachdem man die Energie der Atombombe in den ersten AKWs gezähmt glaubte, sollte auch die Wasserstoflbombentechnologie zur Energiegewinnung genutzt werden. Doch heute, nach Harrisburg und weltweiter Anti-AKW-Bewegung will niemand in neue, ungleich größere und ungleich gefährlichere Kraftwerke investieren.
Vor allem dann nicht, wenn kein Wissenschaftler voraussagen kann, wie ein Fusionsreaktor aussehen müßte. Es gibt nämlich kein Baumaterial, das bei einem Fusionsprozeß nicht sofort verdampfen würde.


DIE GEFÄHRLICHSTE
WAFFE:
PLASMASTRAHLEN.


Nur das Pentagon könnte sich die enormen Entwicklungskosten für einen Fusionsreaktor leisten. Und Teller ist überzeugt, daß brauchbare Laserkanonen nur mit Fusionsenergie arbeiten können. Vor allem die „Dritte Generation“ der Strahlenwaffen (nach Optischem und Röntgenlaser), die Plasmakanonen, setzen die Beherrschung der Fusionsenergie voraus. Plasma kommt dem, was Science Fiction Autoren als „Flüssige Energie“ umschreiben, am nächsten.
Es ist -allen Zweifeln zum Trotz -nicht auszuschließen, daß die Wissenschaft einmal in der Lage sein wird, Laserwaffen, Fusionsreaktoren und todbringende Plasmastrahlen herzustellen. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß man in diese Technologien investiert -und nicht etwa in Solarkraftwerke oder umweltfreundliche Produkte. Und das ist eine rein politische Entscheidung. Ronald Reagan hat sie,nicht erst in seiner „Star Wars‘ -Rede, getroffen; Zugunsten der Großtechnologie und der Rüstungsindustrie.
Er ist auch nicht bereit, seine Weltraumpläne durch Rüstungskontrollgespräche mit der Sowjetunion zu stören. Ein Angebot Andropows, auf die Star-Wars-Waffen zu verzichten, hat Reagan abgelehnt. Obwohl Andropow bereit war, auf die Killersatelliten, die die russische Luftwaffe schon mehrmals ge-testet hat, zu verzichten.

Aus dem WIENER Archiv/Jänner 1984


Auch Europa soll später mit neuen Laserwaffen beglückt werden. ,,Durch die Aufstellung der amerikanischen Pershing 2 und der sowjetischen SS 20 ist die Abschreckung in Europa zusammengebrochen … diese Geschosse sind ausschließlich Ersschlagwaffen!“, steht in „Beam Defence“. Denn die US-Militärs gehen davon aus, daß die Pershing nur zu einem atomaren Erstangriff geeignet sind, aber des Schutzes durch Laserkanonen bedürfen. Ein Waffensystem zieht ein noch aufwendigeres nach sich. Das ist die Dynamik des Rüstungwettkampfes.
Die Ängste der Friedensbewegung erweisen sich als berechtigt: Anstatt all -und wirklich alle- Mittelstreckenatomwaffen aus Europa zu verbannen, wollen die Militärs noch gefährlicherere Waffensysteme aufstellen.
Edward Teller, der Doktor Strangelove der Star-Wars-Rüstung, nennt die Laserwaffe „einen Wendepunkt in der Geschichte“. Erst durch sie scheint der Atomkrieg führbar zu werden.
Ein Wendepunkt, der leicht zum Endpunkt der Geschichte werden könnte.