E-Mobility

Fisker Ocean: Das lange Warten auf das Update

Kaum ein Tag vergeht ohne neue Schreckensmeldungen zur Wirtschaftslage der Firma Fisker Inc., nun hat die Österreich-Tochter der Marke ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung beantragt. Wir weinen daher schon mal vorab um ein wirklich schönes, wirklich tolles Auto wie den Fisker Ocean, der eine tatsächlich tolle Bereicherung für das aktuelle E-Auto-Angebot ist und weiterhin wäre.

Text: Franz J. Sauer / Fotos: Eryk Kepski

Wie weiß der heimische Volksmund doch so treffend: „Wennst a Pech hast, hast a Glück auch keins.“ Und wenn dann noch die Medienlandschaft ihren Hang zur Headline mit negativer Aussage auf ein ganz spezielles Thema fokussiert, kann das schon zur selffulfilling Prophecy werden. Diesfalls im Zentrum der stetig Fahrt aufnehmenden Abwärtsspirale: Die Firma Fisker Inc., zunächst vollmundig als erster, echter Tesla-Konkurrent gefeiert, nun von der Finanzpresse nachhaltig sturmreif geschossen. Aber der Reihe nach, wir spulen zurück in der Entwicklungsgeschichte der Marke.

Nach langer Vorfreude und zahlreichen, mit schönen Renderings gespickten Ankündigungen war es im November 2021 endlich so weit: Der Fisker Ocean wurde auf der Los-Angeles-Autoshow vorgestellt. Produziert würde er von Magna Steyr in Graz, erdacht und designt war er von Fisker Inc. in Los Angeles worden, von bereits einschatullierten Vorbestellungen in fünfstelliger Höher war die Rede als die Produktion schließlich ein Jahr später tatsächlich in Graz anlief. Im Mai des Vorjahres schließlich begann die Auslieferung des nicht nur ansehnlichen, sondern auch technisch ziemlich stolz auftretenden E-SUV gefälligster Bauart. Und auch der Name Fisker ist kein unbekannter und zwar nicht nur in Techhead- oder eingefleischten Autofankreisen. Henrik Fisker, dänischer Automobildesigner mit großem Designverständnis und noch größeren Visionen, verdiente sich dereinst bei BMW seine Meriten, als er ebendort den sagenhaften Z8 erschuf. Auch der Aston Martin DB9 stammte aus seiner Feder, zwei bessere Visitenkarten für einen engagierten Autobauer kann es dann schon kaum geben. Als Henrik Fisker wenig später ein Auto versprach, das seinen eigenen Namen auf der Kühlerhaube tragen würde, waren die Erwartungen groß und wurden auch hinreichend erfüllt, als 2008 mit dem Fisker Karma eine eindrucksvolles Sportlimousine mit Hybrid-Technologie auf den Markt kam. Der WIENER berichtete von einer der ersten Testfahrten auf heimischem Boden und gab sich mit gutem Grund begeistert.

Dass das ambitionierte wie unterfinanzierte Projekt anno 2012 nach nur 2000 produzierten Autos wieder einschlief, lag weniger an Fiskers geschäftlichem Ungeschick, als an dem finanziell bedingten Wegbruch des Batterie-Lieferanten „A123-Systems”. Trotzdem blieb es, man könnte fast sagen „karmisch” an Henrik picken. Schon 2016 wurde das nächste Auto namens Fisker angekündigt, der Ocean eben, diesfalls dem Zeitgeist entsprechend vollelektrisch und im SUV-Gewand auftretend, der Rest ist ja nun schon bekannt von weiter oben hier im Text. Ob das wohl diesmal was werden würde?, gab sich die Weltpresse vorausschauend und auch ein bissl spöttisch skeptisch.

Als der lange angekündigte und mit Vorfreude erwartete Testwagen seinen Weg zu uns fand, hatte das mediale Getöse rund um den nächsten Abschwung einer Automarke namens Fisker längst Zimmerlautstärke überschritten. Man leide unter Zahlungsschwierigkeiten, hieß es, könne seine Rechnungen in Graz nicht bezahlen, weshalb die Produktion vorübergehend eingestellt worden sei, wie vorübergehend stünde in den Sternen. Und weil es sich bei einem Automobil ja bekanntlich um ein komplexes Wesen in technologischer Hinsicht handelt, das man als Käufer und Kunde ja auch nur haben will, wenn die Wartungs- und Ersatzteilversorgung zumindest für die nächsten zehn Jahre gesichert ist, sah sich die zunächst erwartungsfrohe Auftragslage bei Fisker nun mit noch zahlreicheren Stornos konfrontiert. 30.000 seien es mittlerweile, und langsam wird es tatsächlich knapp im Börsel, räumen Insider ein.

Trotz all dem versuchten wir, uns dem wirklich feinen, feschen und innovativen Fisker Ocean, in trendigem Mattblau gehalten, vorbehaltsfrei zu nähern. Obwohl der E-SUV viele innovative Features mitbringt, etwa ein Solardach, das an sonnigen Tagen zusätzliche Reichweite heranschafft, ist auf den ersten Blick zu erkennen: Mr. Fisker kann vor allem Design. Der Ocean ist ein wunderschönes Auto, das vor allem mit Feelgood-Features wie dem „California-Mode” (auf Knopfdruck, auch am Schlüssel, öffnen sich alle Scheiben inklusive der im Heckdeckel und dem Schiebedach und erzeugen Cabriofeeling) oder sagenhaft schönen und ebenso gepolsterten Ledersesseln aufwartet. Auch nett: das Riesendisplay in der Mitte ist zwar Standard in der nämlichen Fahrzeug-Klasse, aber beim Ocean kann man es, während die Batterie beim Supercharger am Zutz hängt, zwecks Fernseh-Feelings querstellen.

Und da beginnen auch schon die Probleme. Abstandstempomat? Ist vorhanden, sogar die entsprechenden Schalter sind schon verbaut, aber in Betrieb ist das System noch nicht, beim nächsten Update dann. Radiosender-Suche? Abseits vom DAB+-Empfänger gibt es hier tatsächlich noch kein RDS, beim nächstes Update dann. Apple CarPlay? Ist eingeplant und kommt, ganz sicher, beim nächsten Update dann. 707 Kilometer laut WLTP – wow. Blöd nur, dass von den angezeigten 505 ab Ladestation Wien 5 am Fuße des Wechsels nurmehr 320 (trotz 90 km/h Tempomat-Schleicherei) übrig sind. Und wenn die Heizung bei 5 Grad Außentemperatur hartnäckig weiterkühlt, weil es den ständigen 30-Grad-schon-im-April-Meldungen aus der ZiB mehr vertraut, als dem eigenen Aussentemperatur-Fühler, dann kriegt man ein bissl Angst vorm vorzeitigen Ladestop an einer nicht minder frostigen Ladestation, kurz vor Graz. Dann kann man am queren Bildschirm zwar die beliebte Lagerfeuer-App installieren, wärmen tut das aber auch nicht. Ach ja: Wie es sich für ein neues Auto gehört warnt auch der Fisker Ocean eindringlichst vor so ziemlich jeder Gefahr, die einem möglicherweise irgendwann drohen könnte. So ist ja ein akkurater Parksensor links hinten grundsätzlich eine feine Sache, allerdings auf der A2 bei Wöllersdorf kaum praktikabel. Kriegt man sicherlich auch beim nächsten Update in den Griff. Es stellt sich bloß die Frage, ob es ein solches überhaupt noch geben wird in der Welt von Fisker.

Mit einem Startpreis von 43.900 Euro für das Basismodell und 66.070 Euro für das hier gefahrene Spitzenmodell würde der Fisker Ocean tatsächlich eine vollumfassende Bereicherung für die reichlich unemotionale und vor „grauen Mäusen” nur so strotzenden E-Auto-Szene bedeuten. Er bietet viel Platz, erfreut das Auge ganz egal wo man hinblickt, die Reichweite wäre auch mit ehrlichen 400 Kilometern im Klassenvergleich fein und ausreichend bemessen und die Issues mit dem Radio, dem Tempomat, der Klimaanlage und den nervigen Piepswarnern sollten ja tatsächlich mit einigen kundigen Mausklicks aus der Welt zu schaffen sein.

Es bleibt bloß zu befürchten, dass ganz andere Mausklicks, nämlich jene auf die vor Sensationsmeldungen strotzenden Wirtschaftsauskenner-Seiten im Internet den realen Aktienkurs der Firma Fisker Inc. derart nachhaltig beschädigen werden, dass da bloß mit Updates nichts mehr zu retten sein wird. Wir würden dies ehrlich betrauern.