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Doris Kemptner und die Angst der Männer vor der nackten Frau

Jakob Stantejsky

Doris Kemptner hat viele Seiten. Die Oberösterreicherin ist vor allem als Model und Yoga-Trainerin bekannt aus Print, Funk und Fernsehen. Einige Plakatkampagnen ziert ihr Äußeres, auch als Playboy-Playmate hat sie Erfahrung. Was die Fotos nicht zeigen: Magistra Kemptner hat Philosophie, Psychologie und Ernährung studiert und in Asien mehrere Ausbildungen rund um Yoga und TCM absolviert. Dieses Wissen gibt sie nun in Kursen und Workshops weiter und war auch an verschiedenen Schulen in Österreich bereits als Lehrerin in ganz alltäglichen Fächern wie Biologie oder Ernährungslehre tätig. Ihre wahre Leidenschaft bleibt allerdings weiterhin das Modeln, speziell wenn dabei Erotik im Spiel ist. Im Gespräch mit dem WIENER spricht sie über das Frauenbild in Österreich, die Reaktion von Menschen auf Fotos von ihr und die Energieflüsse, die dabei entstehen und warum sie regelmäßig Abstand von ihrem Heimatland braucht.

Interview: Jakob Stantejsky/Franz J. Sauer / Fotos: Rainer Ressmann

WIENER: Deine Karriere als Model währt nun schon fast ein Vierteljahrhundert. Nicht nur unsere Leser kennen die fotografische, durchaus erotische Inszenierung Deines Körpers, Du warst ja auch mal Playmate im Playboy …

Playboy war 2008. Dann habe ich auch ein Maxim-Cover samt Strecke gemacht, in den letzten Jahren war ich, wie Ihr wisst, ein paar Mal im WIENER zu sehen. Und ich liebe erotische Fotografie, nach wie vor und bis auf weiteres.

Starten wir anno 2008, also vor 16 Jahren. Wie wurde das damals, als du im Playboy warst, allgemein aufgenommen und wie wäre die Rezeption Deiner Meinung nach heute?

Viele haben damals und auch danach versucht, das in die Schublade: „Du warst junge Studentin und hast Geld gebraucht.“ einzuordnen. Was nichts anderes bedeutet als: es wurde schon eher auf mich herabgeschaut von der Gesellschaft, und es wurde nicht das gesehen, was ich eigentlich immer preisgeben wollte. Nämlich einen schönen, gesunden Körper, den es zu erhalten gilt. Das ist nämlich auch Arbeit und gar nicht mal so wenig. Heute wäre es wahrscheinlich noch verpönter, allein schon, weil ich älter geworden bin.

Moment, grundsätzlich ist es heutzutage doch okay, wenn ältere Frauen sich selbstbewußtzeigen. Wie meinst du das?

Aber nicht zu nackt! Österreich ist ja an sich schon eher prüde und ganz Europa ist da im Moment, vielleicht auch wegen der Flüchtlingswelle und dem importierten Islam, ziemlich rückwärtsgewandt unterwegs. In Italien ist zum Beispiel eine nie gekannte Prüderie eingekehrt, die es früher so nicht gab. In Mailand lassen sie dich plötzlich nicht mehr nackt in die Sauna, dabei ist das für uns hier ja etwas ganz Normales, lange, nackte Saunagänge, besonders im „John Harris“, wo ich auch als Yogalehrerin arbeite. Aber zurück zur Frage: Ich mag es sehr, wenn sich immer mehr ältere Frauen auf Social Media erotisch und nackt präsentiern, die mit Recht stolz auf ihren schönen, vitalen und straffen Körper sind. Warum soll man so etwas Schönes nicht herzeigen dürfen?

Wärst Du generell heutzutage noch bereit dazu, sich ganz nackt fotografieren zu lassen?

Also wenn es für ein renommiertes Medium wäre, warum nicht? Ich bin ein visueller Typ und finde Nacktheit ist etwas Natürliches und Schönes, etwas wofür man sich bestimmt nicht schämen muss. Kommen wir nicht alle nackt auf diese Welt und verlassen sie auch wieder nackt? Außerdem würde ich mich als Hedonistin bezeichnen, ich mache, was mir Spaß macht und schöne Fotoshootings, besonders an exotischen, sonnigen, luxuriösen Orten, in wundervoller Natur, gerne auch im Adamskostüm, bereiten mir sehr viel Spaß und Freude.

Wenn Männer Deine Fotos im Playboy betrachten und Du Gelegenheit hast, das mitzubekommen: wird Dir da Bewunderung entgegengebracht, oder nimmst Du eher eine Art Geringschätzung wahr?

Beides. Man wird natürlich von gewissen Männern nicht so ernst genommen.

Warum nicht?

Viele Männer fühlen sich minder und haben Angst vor Frauen, die ihre Sexualität so offen ausleben, dass sie sich zum Beispiel nackt fotografieren lassen. Und als einfachste Form, sich selbst über diese Frauen zu stellen, nimmt man sie einfach nicht ernst. Macht sie runter, macht sie klein, im Sinne von: „das Flittchen hat nichts anderes als ihren Körper, den sie zur Schau stellen kann“, oder: „Die fängt sich sicherlich mit jedem was an!“. Seit ich einen kleinen Sohn habe kommt dazu noch die Frage: „Na was bist du denn für eine Mutter?“ Freilich gibt es auch noch skurrile Randerscheinungen, die relativ offensiv an einen herangetragen werden. So gibt es Hundertschaften von Männern, die durch die Fotos auf mich aufmerksam wurden und mir dann als Sklaven dienen wollten. Aber natürlich gibt es auch – und, ich muß sagen: insgesamt viel zu wenige – Männer, die die Fotos einfach nur wirklich schön finden, ohne mit mir gleich ins Bett zu wollen oder sonstige Hintergedanken zu haben. Ich glaube auch, dass Männer generell mehr Angst haben vor einem schönen und ästhetischen Frauenkörper, als vor einem der nicht als „schön“ im gewohnten, im klassischen Sinne gilt, denn sie haben Angst vor sich selbst und vor ihren Gefühlen.

Du kommst ja aus Grieskirchen, bist am Land aufgewachsen. Wie war die Reaktion dort damals auf dein Playboy-Shooting?

Immerhin: Der Playboy war in Grieskirchen damals ausverkauft. Und mein Papa war stolz, meine Mama entsetzt. Die hat sich Sorgen gemacht, wie ich jetzt jemals einen Mann finden sollte …

Findet man als Playboy-Model nicht eher leichter einen Mann?

Nein, die Angst vor einer Frau, die andere Männer auch schon nackt gesehen haben, ist ja im ländlichen Bereich noch ausgeprägter, als in der Stadt. Auch die österreichischen Männer wollen immer noch eher Jungfrauen zur Frau. Sex haben wollen sie schon mit „so einer aus dem Playboy“, aber heiraten? Um Gottes Willen! Generell ziehe ich als Model eher Narzissten und Männer an, die für eine Beziehung völlig ungeeignet sind. Die suchen eigentlich nur nach Trophäen, die sie herzeigen können. Der Mensch dahinter ist denen völlig egal …

Erlaube uns eine intime Frage: Wenn du von jemandem weißt, oder dir zumindest denken kannst, dass er sich angesichts deiner Bilder sexuell befriedigt, was macht das mit dir?

Ich habe zu meinen Bildern einen gewissen Abstand, es ist quasi meine Rolle. Ein bisschen wie Schauspielerei. Ich sehe mich da nicht als mein Körper, sondern als eine Essenz, die diesen Körper bewohnt. Wirklich wichtig ist mir eigentlich nur, dass dieser mir unbekannte Mann die Frau auf dem Bild nicht verurteilt. Genau da beginnt für mich nämlich das Sexualisieren. Wenn er sich denkt: „Die ist billig, diese Hure, die hat es nötig, sich so fotografieren zu lassen.“ Wenn man an der Frau am Foto aber Interesse – gerne auch sexuell konnotiertes Interesse – hat, oder sie anziehend findet, dann ist das meiner Meinung nach legitim und die Privatsache jedes Einzelnen.

Und wie ist das mit dem Objektifizieren? Wenn ein Mann ein erotisches Foto von einer Frau sieht, sich nicht viel dabei denkt und dann, sagen wir mal, Hand an sich legt, dann hat er diese Frau ja nicht als Frau wahrgenommen. Es war einfach ein Bild, das ihn geil gemacht hat und danach hat er es auch bald wieder vergessen. Siehst du das negativ?

Ich finde das überhaupt nicht schlimm, zumal derlei ja vielleicht auch tatsächlichem sexuellen Missbrauch vorbeugt. Also, wenn das einen Mann befriedigt, daheim im stillen Kämmerlein und er dadurch draußen nicht auf blöde Gedanken kommt und mich oder irgendwen anderen belästigt – soll mir recht sein. Und letzten Endes ist das alles ja Energie, die im Grunde genommen mir zufließt.

Das musst du uns, bitte, erklären.

Alles ist Energie. Geld ist Energie, die mir dabei zukommt, genauso wie Aufmerksamkeit, Unmengen an Fanpost, Geschenke, neue Kontakte und Reisen in Verbindung mit Photoshootings, etc.. Ich bin zwar nicht das Foto, aber trotzdem bin ich drauf, und daher geht die Energie, die beim Betrachten des Bildes entsteht, in meine Richtung. Ich habe schon das Gefühl, dass mir zum Beispiel durch das Playboy-Shooting ganz viel Energie zugekommen ist, die ich deutlich spüren konnte. Die gilt es dann bestmöglich zu transformieren. Ich habe diesen Flow damals ins Studium gesteckt, ich habe auch ziemlich schnell abgeschlossen. Und die Energie, die durch die Fotos hier bei Euch entsteht, werde ich dann in meine auf mich zukommende Reisen und meine kreativen Projekte stecken.

Aber, mit Verlaub, das ist jetzt schon sehr esoterisch, oder?

Wenn man sich null mit solchen Dingen beschäftigt, klingt das sicherlich komisch oder auch seltsam. Aber wenn man sich in dieser Welt der Energieflüsse und Schwingungen verwurzelt fühlt – was ich tue – dann ist das etwas ganz normales, Energieflüsse wahrzunehmen und zu nutzen.

Das heißt aber, dass du auch die negative Energie zu spüren kriegst?

Sicher, da ich bin sehr sensibel. Da schaue ich dann ganz gezielt darauf, das nicht an mich heranzulassen. Dass ich es abputze und mich reinige. Ich neige generell dazu, mir Worte oft zu sehr zu Herzen zu nehmen.

Du unterrichtest Yoga und postest recht freizügige Bilder von dir beim Yoga. Da sieht man ja auch deinen Körper, selbst wenn du dich in diesem Setting ganz anders präsentierst und auch andere Kleidung trägst. Trotzdem sieht man Deinen Körper sehr genau und en Detail. Glaubst du, dass du da ebenfalls sexualisiert wirst?

Es ist auf jeden Fall viel weniger als in Zusammenhang mit High-Heels oder erotischer Unterwäsche. Viele Menschen sind recht oberflächlich, glaube ich. Weil das im Kontext mit Yoga ist, ist es in ihrem Hirn einfach weniger sexy. Würde da jetzt sexy Yoga-Wäsche und sexy bla bla dabeistehen, dann würden sie es wieder erotischer finden. Den Menschen kann man da ja auch leicht was einreden. Ein und das selbe Foto kann völlig konträr auf den Betrachter wirken, wenn es mit unterschiedlichen Texten versehen wird.

Mal weg von den Männern, lass uns über Frauen sprechen. Was hast du da für Erfahrungen gemacht mit Reaktionen auf dein erotisches Modeln? Wenn dich eine Frau verurteilt, ist das dann auch Sexualisierung?

Das ist mehr so ein Neidthema. Ich glaube, es gibt ganz viele Frauen, die das machen, Frauen, die sich nackt oder erotisch fotografieren lassen, zu diskreditieren. Aber ich grenze mich da ab. Das ist sogar mir zu energieraubend. Generell habe ich, und zwar hauptsächlich in meiner Arbeit als Yoga-Trainerin und Energetikern (besonders bei den Yoni- Ei- Workshops), die Erfahrung gemacht, wie unglaublich viele Frauen große Probleme und Themen damit haben, ihre Weiblichkeit und ihren Körper zu akzeptieren und positiv wahrzunehmen. Ich selbst muss sagen, dass mir das erotische Modeln extrem dabei geholfen hat, mich selbst sexy zu finden und mich sinnlich zu fühlen, meinen Körper als schön, sinnlich und begehrenswert zu empfinden, egal wie das andere wahrnehmen oder wahrnehmen wollen. Was mir in letzter Instanz auch beim Ausleben der eigenen Sexualität sehr hilft. Ich glaube, wir Frauen verweigern uns das oft selbst, uns selbst einfach nur schön zu finden. Was dann irgendwie auch dazu führt, dass wir unsere Sexualität nur zur Befriedigung des Mannes ausleben. Gesellschaftlich ist das in unserem Kulturkreis leider auch eher die Norm, nach wie vor.

Generell hört man immer öfter ein feministisches Narrativ, dass Frauen, die sich sexy und erotisch präsentieren und auch dementsprechend kleiden, das gar nicht tun, weil sie es selbst wollen, sondern weil ihnen das, bewußt oder unterbewußt, vom Patriarchat und seinen Protagonisten diktiert wird … siehst Du das ähnlich?

Ich denke hier eine Spur konservativer. Eine Frau soll ruhig Frau sein, solange es ihr selbst damit gut geht, dafür muss es keine tieferliegenden Gründe oder Ursachen geben. Im Umkehrschluss geht sowas natürlich nur solange gut, solange die Frau, die sich ob ihrer selbst sexy kleidet, nicht blöd angeredet wird, Stichwort Catcalling.

Seit wir Dich kennen, wissen wir, dass Du Dich im Alltag kaum in Sack und Asche kleidest …

Ich muss sagen, wenn ich in Wien unterwegs bin, dann wird das immer seltener, dass ich mich sexy rausputze, obwohl mein Kleiderschrank in diese Richtung eher gewachsen ist. Aber das mit dem blöd angemacht werden von Leuten auf der Straße hat sich seit 2015 extrem verstärkt. Ich möchte damit nicht sagen, dass das ein reines Thema mit ausländischen Männern ist. Der gestandene Wiener Prolo steht da dem Afghanen oder Syrer um nichts nach. Aber es hat meiner Meinung nach nichts mit rechter Gesinnung oder Rassismus zu tun, wenn man als gutaussehende Frau, die sich gerne sexy kleidet, nüchtern feststellt, dass die Menschen, die jetzt nach Österreich gekommen sind, aus Kulturen stammen, wo man einfach nicht im Minirock auf die Straße geht. Die sind teilweise mit der Situation überfordert und bringen das dann in der Form zum Ausdruck, dass sie Dich blöd anreden.

Eine große, selbstbewusste Frau wie Du wird tatsächlich andauernd blöd angeredet?

Leider immer mehr und immer öfter, richtig ordinär und lästig. Und wie gesagt keineswegs nur von Ausländern. Da sind einheimische Männer fleißig mit dabei. Ich fühle mich in Wien auch nicht mehr so sicher wie früher. Es kommt schon vor, dass ein sexy Auftreten als eine Einladung zur sexuellen Belästigung oder mittlerweile sogar zu einer Vergewaltigung gesehen werden kann.

Was unternimmst Du dagegen?

Früher habe ich versucht, solchen Tendenzen so selbstbewußt wie möglich entgegenzutreten. Ich habe mich also der Situation gestellt, den jeweiligen Männleins tief in die Augen geschaut, sie gestellt. In letzter Zeit habe ich allerdings den Eindruck, dass sie das noch mehr aufstachelt. Also habe ich meist Kopfhörer drin, schotte mich ab, gehe durch und versuche, möglichst wenig darauf zu achten. Und abends, wenn ich das Gefühl habe, es folgt mir wer, dann rufe ich jemanden an und telefoniere ganz offensichtlich. Generell versuche ich tatsächlich, weniger sexy, mehr normal, in der Öffentlichkeit aufzutreten.

Das sind erschütternde Erkenntnisse für Männer, denen toxisches Verhalten gänzlich fremd ist.

Es kommt natürlich stark drauf an, in welchen Kreisen du dich bewegst. Bei irgendeinem Society-Event erfahre ich sehr viel ehrlich gemeinte Wertschätzung und Bewunderung für ein sexy Outfit oder schöne Bilder, die von mir veröffentlicht werden. Aber auf der Straße draußen ist das natürlich etwas ganz anderes. Es ist, ehrlich gesagt, auch mit ein Grund dafür, warum ich den Job an der Schule gekündigt habe und jetzt wieder für ein Jahr nach Asien gehe, um dort Yoga zu unterrichten. Ich brauche wieder mal Abstand zu Österreich, mir reicht die hier zum System erhobene Engstirnigkeit und mir reichts auch, dass ich mich nicht so präsentieren kann, wie ich eigentlich möchte. Ich bin zu wenig frei. Ich meine, ich bin zum Beispiel auch viel sexier gekleidet, wenn ich ihn Thailand unterwegs bin, weil ich weiß, die Buddhisten, die machen mich nicht so an, wie die Leute hier. Die haben ganz ein anderes, viel entspannteres, viel fokussierteres Frauenbild, sehen überhaupt und generell andere Menschen ganz anders als wir das hier gewohnt sind. LehrerInnen z.B. kommen puncto Respekt in Thailand gleich nach den Mönchen. Mir fiel es schon auf, dass ich in Bangkok, auch in Jakarta, für deren Verhältnisse (zu) sexy gekleidet war und die Männer, anstatt mich anzusehen in den Boden geschaut haben, blöde Kommentare gab es aber keine und ich habe mich immer sicher gefühlt. Auch bei den Frauen hatte ich nicht das Gefühl verurteilt zu werden. Ich fände es großartig, wenn Frauen hier in Österreich noch mehr solidarisch zusammenhalten würden.


Die BIlder auf diesen Seiten stammen aus einem Fotoshooting mit Rainer Ressmann, das im März diesen Jahres in Wien stattfand. Makeup: Meline Gulien, Styling (Unterwäsche): Daniela Paradies, Jewelry: Shifteh Maryan. www.reinerressmann.com