STIL

Lebe glücklich, lebe wie Franziskus Kriegs-Au

Franz J. Sauer

Franziskus Kriegs-Au hat für sich beschlossen, in seiner eigenen, heilen Welt leben zu wollen. In der konsequenten Umsetzung dessen macht er sogar einer Pippi Langstrumpf erfolgreich Konkurrenz.

TEXT: Franz J. Sauer / FOTOS: Erich Reismann

Kennen Sie Tradwives? Ich meine, wissen Sie, was das ist? Wir helfen weiter: Tradwife ist ein Neologismus aus der Welt von Social Media, mit dem sich Frauen (meist weiß, meist westlich) beschreiben, die sich ausdrücklich für ein Leben nach den klassischen, patriarchalisch geprägten Geschlechterrollen der 50er-Jahre und davor entscheiden. Sie verzichten auf Karriere und Jobs im klassischen Sinn, sehen den Aufzug der Kinder und das Intakthalten der Familie als ihre Lebensaufgabe, gehen also voll auf in einem Dasein als Mutter und Hausfrau. Der dementsprechende Hashtag kam etwa um 2020 in den USA auf, mittlerweile sehen zahlreiche Content-Kreatorinnen rund um den Erdball das plakative Zurschaustellen ihrer traditionellen Lebensführung als positiven Akt der Selbstverwirklichung. Die reichweitenstarke Präsentation desselben spielt dabei eine ebenso wichtige Rolle wie das Leben des Tradwife-Lifestyles an sich. Und es ist nur naheliegend, dass Feministinnen gegen derartige Trends schäumenden Mundes Sturm laufen, ja, die Protagonistinnen sogar reflexartig in die Nähe rechtsextremer Ideologien drängen.

Kriegs-Au im natürlichen Habitat, flankiert von Goldschmiedin Olivia und Opernsänger Volker.

Nein, der bisherige Text gehört hier hin, wir haben uns nicht beim Layouten in der Story geirrt. Warum? Ganz einfach: Franziskus Kriegs-Au ist Wiens einziger Tradboy. Und das übrigens, ohne den oben beschriebenen Trend überhaupt gekannt zu haben, bevor wir ihm davon erzählt haben. Franziskus lebt dezidiert und offensichtlich in den gloriosen 1980ern. Was man nicht nur an seiner Art, sich zu frisieren, oder daran, wie er sich kleidet, erkennt. Kriegs-Aus Leben ist von A bis Z im Eighties-Style durchinszeniert, was beim Fuhrpark beginnt, beim Wohnsitz endet und auch auf die Gegenstände, die er verkauft und in deren Umfeld er seinen Lebensunterhalt verdient, ein Alzerl mehr als rein unterbewusst Einfluss nimmt. „Ich mag den Luxus vergangener Tage“, erklärt der gelernte Goldschmied, Schätzmeister, Uhrenfreak und Miteigentümer des Juwelierbetriebes Julius Hügler Gold- & Silberschmiede GmbH mit Filialen in Wien, Baden, Salzburg und Bad Gastein. Einem breiteren Publikum ist er seit 2022 als Schmuckexperte des TV-Quotenhits „Bares für Rares Österreich“ auf Servus TV bekannt. Und wie es sich für einen echten Tradboy gehört, ist Franziskus Kriegs-Au auch ein veritabler Reichweitenstar auf den Social-Media-Plattformen, die er unter dem Hügler-Label bespielt, als da wären TikTok, Instagram und Facebook.

Jeder Kurzclip, in dem der 39-jährige Wiener auftritt, verstrahlt Esprit und Fröhlichkeit, als würde er die Welt tatsächlich stets und ausschließlich durch die rosa Brillengläser einer seiner Vintage-Porsche-Design-Fliege-Puck-Brillen betrachten. Wer allerdings einen neureichen Schnösel hinter all dem inszenierten Remmidemmi vermutet, sollte einen Blick hinter die Kulissen wagen. Oder ist, wenn er das nicht tut, zu töricht, zwischen Realität, Geschäft und dessen Vermarktung zu unterscheiden.

Am Heimweg im Arden.

Zwar entstammt Franziskus Kriegs-Au einem einstigen Adelsgeschlecht, welches den K.u.K-Juwelier Hügler in Wien auch tatsächlich vor gut einem Jahrhundert und länger führte. Allerdings ist das damalige Geschäft längst pleite gegangen. Nach der Ausbildung zum Goldschmied in Ferlach, mehreren Lehrjahren als Verkäufer bei Chopard, Schätzmeister im Dorotheum und schließlich dem Storemanagement bei einem Wiener Juwelier (den es auch nicht mehr gibt) gründete Franziskus Kriegs-Au das Unternehmen Jul. Hügler im Jahr 2017 komplett und von Grund auf neu. Die ausgeprochen erfolgreiche Geschäftsentwicklung seither hat durchaus mit seinem Hang zur Selbstvermarktung zu tun, ebenso steckt aber ein durchdachtes Geschäftskonzept dahinter, dem man seither strikt folgt: „Wir drehen schnell, kaufen gut an und schlagen wenig auf, können so Luxusgüter zum Bestpreis anbieten. Das ist unser Credo. Und das funktioniert tadellos.“

Daheim mit Porsche und Lotus (letzterer ist zu haben)

In einer Hinsicht ist Franziskus Kriegs-Au perfektes Rolemodel für zahlreiche Coaches und Lebensberater unserer seltsamen Zeiten, die bekanntlich stets und unermüdlich predigen, man müsse einfach immer nur das tun, was man selbst gerne macht, um darin erfolgreich zu sein: Kriegs-Au liebt Luxusgüter der Achtzigerjahre, intuitiv und schon immer, aber er kann auch erklären warum: „Ich mag die Qualität! Früher waren Luxusgüter tatsächlich viel besser als alles andere, was sich auch darin zeigt, wie lange die Dinge halten. Heute muss alles Luxus sein, jede Uhr, jeder Schmuck, von klein bis groß, alles ist Luxus. Und so sehen die Sachen dann auch aus …“ Das von ihm vergötterte Jahrzehnt, die Epoche von Magnum, Knight Rider, Miami Vice und Konsorten hat Franziskus selbst freilich nur als Kind erlebt, dafür aber über die zur Verfügung stehenden Kanäle intensiv aufgesaugt. „Und heute erfülle ich mir mit all dem Zeug eben die Träume, die ich in der Kindheit hatte.“

Lasst uns konkret werden, beginnen wir mit dem Fuhrpark. Ein Jaguar Arden, ein Lotus Esprit und ein Porsche 928 (alle Baujahr 1985) bilden sozusagen die Alltags-Squad, mit der der Arbeitsweg von „Beverly Hietzing“ nach Wien 1 bestritten wird. Für längere Fahrten stehen noch ein Mercedes Baureihe /8 in Langversion, ein Ferrari 400i sowie ein Bentley Arnage („meine Frau macht gerade den Führerschein!“) zur Verfügung, ein Aston Martin DB7 Vantage Coupé steht auch herum. Alle Autos fahren und haben ein Pickerl, keines davon ist perfekt oder als Wertanlage garagiert. „Ich liebe die Dinger, fahre täglich mit ihnen, ich könnte mir gar nicht vorstellen, ein neues Auto zu leasen.“ Tagsüber ist Kriegs-Au im Laden in der Habsburgergasse in Wien 1 anzutreffen, so er nicht gerade fürs Fernsehen, fürs Radio (Sendung auf Superfly) oder für Instagram in irgendeinem Studio steht. Im Geschäft kümmert er sich höchstselbst inmitten seiner illustren Team-Truppe, etwa seinem Partner Reinhard, dem Opernsänger Volker sowie der Goldschmiedin Olivia, um die durchaus hohe Kundenfrequenz, zwischendurch wird Ware an-und verkauft und am Nachmittag geht’s heim nach Ober-Sankt-Veit, in den Kreis der Familie.

Ehefrau Marlene Kriegs-Au lebt tatsächlich eine Art Tradwife-Life­style, sie zieht die drei gemeinsamen Kinder auf, was man durchaus als Fulltime-Job bezeichnen kann – unter der Woche. Am Abend und am Wochenende findet sich Franziskus gut und gerne mit Vater-Pflichten eingeteilt und folgt denen nicht nur ohne Murren, sondern ernsthaft gerne. Ganz wichtig: Dabei herrscht Handy-Verbot, und zwar für den Papa. Denn: Marlene Kriegs-Au verabscheut das multimediale Gsturl, das ihr Mann tagaus, tagein inszeniert, abgrundtief. Sie akzeptiert es wohl inklusive aller Auswüchse als Marketingmaßnahme, aber spätestens an ihrer Fußmatte ist Schluss damit. Und auch für die Bezeichnung als „Tradwife“ wird sich die resolute Lady wohl irgendwann bei mir unter Verwendung einer robusten Bratpfanne revanchieren.

Wer Marlene im O-Ton hören mag, klickt auf das Bild.

Als wir Franziskus Kriegs-Au offen fragen, was ihm das Leben in einer selbstgezimmerten Traumwelt von vor knapp 35 Jahren bringt, versteht er zunächst die Frage nicht. Spätestens da merkt man, wie wenig Inszenierung hier stattfindet, wie ernst der Kerl all das Drumherum meint. „Es macht mich einfach glücklich, wie ich lebe, es macht mir Spaß und Freude, füllt mich aus.“ Wohlgemerkt ist Kriegs-Au kein Träumer, der sich einem entrückten Popstar gleich von Mitarbeitern abschirmen lässt: „Ich krieg schon mit, was da draußen läuft. Und ich versuche auch weitgehend nachhaltig zu leben, in meiner Philosophie tue ich das auch. Alle meine Autos sind gebraucht und werden laufend repariert, alle Produkte, mit denen ich handle, werden neu revitalisiert und wiederverwendet. Ich fliege kaum wo hin, verwende einen alten Computer und ein noch älteres iPhone. Die Tausch- und Wegwerf-Habits unserer Gesellschaft sind mir zutiefst zuwider, nach diesem Credo erziehe ich auch meine Kinder.“ Dennoch hat er es aufgegeben, sich auf jedes Shitstörmchen ob seiner SM-Posts einzulassen, jede Diskussion zu Ende zu führen oder sich gar für Dinge zu entschuldigen, die er selbst für nicht entschuldigenswert hält. „Ich versuche in allen Belangen, meinen selbst gesetzten, strengen Prinzipien gerecht zu werden. Und ziehe das auch ziemlich stringent durch. Dass man es damit nicht jedem recht machen kann, ist mir sehr wohl bewusst.“ Und dann grinst er wieder sein unwiderstehliches Tradboy-Grinsen, der Kriegs-Au: „Aber das ist dann ja auch nicht wirklich mein Problem …“