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Sabine Baar-Baarenfels ist tot: Ein Loch in der Seele der Stadt

Franz J. Sauer

Wien hat eine wichtige Tochter verloren. Sabine Baar-Baarenfels, viel mehr als eine Mode-, PR- und Szene-Ikone, ist nicht mehr. Ein Nachruf von Janina „Riesenbaby“ Lebiszczak.

Wir sollten uns die Nachrufe zu Geburtstagen vorlesen. Mein erster klarer (?) Gedanke, seitdem es gestern Vormittag hieß, Sabine Baar-Baarenfels sei in ihrem neuen Haus in Penzing verstorben. In dem Haus, das nur 8 Autominuten von mir entfernt liegt, aber trotzdem war sich ein Besuch noch nicht ausgegangen. Auch eine Einladung zum Essen unlängst musste ich absagen, war das ihr Geburtstag eigentlich? Ich weiß es nicht, in meinem Kopf dreht es sich und in den Köpfen von hunderten Freund:innen gerade auch.

„Bei wem läuft nicht gerade ein Sabine-Film im Hirn ab? Und ich weiß nicht ob ich in diesem traurigen Moment lachen darf, aber die Erinnerung ist wie sie so einmalig, köstlich, liebenswert, hemmungslos, schräg, grenzenlos und hilfsbereit“, kondolierte Gery Keszler auf Facebook. (Ich möchte anfügen: großzügig. Mit allem, was sie hatte.) Ich zitiere ihn, weil ich euch jetzt nicht mit meinen ganz persönlichen Sabine-Erlebnissen zuschütten werde – denn ihr habt alle eure eigenen, unvergesslichen, zumeist urkomischen und zutiefst berührenden Erlebnisse mit ihr. Geht sie alle im Herzen durch, es schmerzt, aber es lohnt sich.

Sabine Baar-Baarenfels (Quelle: Facebook)

Sabine. Die Baaaaaar. Die BB. Was für ein großer Mensch! Alles an ihr war groß, ihr Herz, ihr Lachen, ihr Verstand, ihr genialer Wahnsinn, ihr Stil, ihre Schönheit, ihre Geschwindigkeit … und leider auch:  ihr Drama. Sabine ist schon ein paar Mal gestorben – mit größter Wucht zuletzt, als sie ihren Walter verloren hatte. Wir alle kennen zwei Sabines, eine davor, ein danach. Und doch schien es nun als würde sie endlich zu sich selbst finden, in dem neuen Haus mit ihren Katzen. Und dann war da der wundervolle, zutiefst authentische Gunther. Er hat sie so glücklich gemacht.

Beim Aus-dem-Taxi-Steigen kennengelernt, erzählte sie mir lachend in einem Café bei der Wiener Staatsoper. (Gunther, wenn Du das liest– wir sind immer für dich da!) Sie war gut drauf an diesem sonnigen Frühlingstag und sie freute sich schon auf einen allerersten Job mit mir, die Promotion des Filmporträts „Ich leb allein in meinem Himmel“. Ich hatte sie als PR-Frau vorgeschlagen, und aus unerklärlichen Gründen war mir die PR-Legende unendlich dankbar dafür. Die Kunst, die Musik – das hat Sabine glücklich gemacht, die stille, tiefere Seite des Lebens, das sie geführt hat Wir geführt haben. Und manchmal noch führen. Immer und immer wieder bedankte sie sich aus reinstem Herzen und ich war glücklich, weil sie glücklich war. Sabine hat Glück verdient, etwas in ihr war gebrochen, angeknackst unter dem großen Lachen, der wilden Gestik, der schnellen Sprache, dem saftigen Humor.

Ich habe so viel gelesen von euch über Sabine in den letzten Stunden. Ich habe so viel geredet über Sabine in den letzten Stunden. Und als Marianne Kohn meinte, sie ist am Weg zu ihrem Haus, da bin ich ins Auto gestiegen und diese verfickten 8 Autominuten hingefahren, um flankiert von ihr und ihrer Hundeschaft auf die versiegelte Türe zu starren. Dahinter warst mal du, Sabine.

Wir sollten uns die Nachrufe zu Geburtstagen vorlesen. Warum sagen wir uns nicht zu Lebenszeiten, was uns aneinander gefällt?

Seitdem komme ich nicht zu Ruhe und ich spüre, wie diese Unruhe durch die ganze Stadt zieht und sich Mensch nach Menschen greift. Sie stobt durch die Herzen von Szene-Wirt:innen, Mode-Redakteur:innen, Wien-Originalen, Werber:innen, Kolleg:innen, Mitarbeiter:innen, bunten Vögeln, Künstler:innen, jahrelangen Wegbegleiter:innen. Durch eure Herzen. Wien weint! Wir haben eine wichtige, eine große Tochter verloren, denn wir waren und sind Familie – und der einzig tröstliche Gedanke beim plötzlichen Tod dieses großartigen Paradiesvogels, dieser Diva mit Herzopulenz ist genau eben dieser. Wer dazu gehört – alle in mittlerweile fortgeschrittenem Alter und reich an Erinnerungen an eine Zeit, die uns niemand mehr nehmen kann – weiß, was ich meine.

Wir sollten uns die Nachrufe zu Geburtstagen vorlesen, ich meine das ernst. Warum sagen wir uns nicht zu Lebenszeiten, was uns aneinander gefällt? Warum erinnern wir uns nicht zu Lebzeiten an uns und preisen uns für diese Gier nach Leben? Ich hoffe, Sabine spürt, dass wir an sie denken, mit diesen tausendbunten Geschichten im Kopf – vom Lachen und Tanzen und Trösten und Planen und stundenlang Ratschen. 

Mich hast du immer „Riesenbaby“ genannt, Sabine. Seit einer legendären Nacht auf einer legendären Insel, ages ago. Ich habe den Spitznamen nicht besonders gemocht, aber sie hat ihn stets mit so viel Liebe ausgesprochen und dabei herum gefeixt. „Riesenbaby, wir verkaufen uns nicht unter dem Wert“ – so lautete ihre letzte Sprachnachricht an mich, abgehört nach ihrem Tod. Wir wollten 2025 wieder gemeinsam arbeiten und das Budget war zu knapp bemessen. Aber arbeiten, das wäre gar nicht so wichtig. Ich wäre gerne in ihrem Garten gesessen mit den Katzen, vielleicht wäre später der Gunther gekommen und ein paar von euch. Das wird nicht mehr passieren. Und uns bleibt nur mehr die Erinnerung.

Gut, dass sie nicht nur kollektiv, sondern auch reichlich ist. Flieg, Sabine!